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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 29.06.2012

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Reisen in Burma - Von Bettina Flitner und Alice Schwarzer
Ulrike Wagener

Burma, umgeben von Bangladesh, Thailand, Laos und den Riesen Indien und China, war lange isoliert. Dieser Band schickt uns auf eine fotografische Reise durch das sich langsam öffnende Land und...




...lässt uns informativ und bilderreich am Weg der beiden reisenden Frauen und ihren Erlebnissen teilhaben.

Die Fotografin Bettina Flitner und die Journalistin Alice Schwarzer haben Burma, das heutige Myanmar, in den vergangenen zwölf Jahren vielfach bereist. Hier entstand nach "Frauen mit Visionen - 48 Europäerinnen" ihre zweite gemeinsame Publikation. Zwei Fotografien von den Autorinnen selbst, positioniert vor einem Spiegel, dienen als Rahmen des Bandes. Damit erinnern sie an die Symbolik der Spiegelreflexion, die im Buddhismus, Burmas verbreitetster Religion, mit der Existenz des Menschen verglichen wird.

Im Spiegel ihrer Fotografien beleuchtet Bettina Flitner die Existenz der Menschen in Burma, ihr Land, ihre Kultur und, eng verknüpft damit, ihre Religion. Wie fast immer sind die Arbeiten der Fotografin seriell angelegt. Doch ist der Rahmen diesmal weiter gesteckt. Neben Aufnahmen der Menschen, die für sie immer noch im Mittelpunkt stehen, überrascht die heute Einundfünfzigjährige mit sehnsuchtsvollen Landschaftsaufnahmen. Dabei gerät sie jedoch zeitweise in Gefahr, die politische Situation Burmas romantisch zu verklären.

Schwarzers Texte helfen dies zumindest ansatzweise zu verhindern. In der kurzen soziopolitischen Einführung "Burma im Wandel" beschreibt sie den Weg zur Öffnung des Landes, die Machtinteressen der westlichen Welt und Chinas an dem interessant gelegenen Land und den Einfluss der Medien auf die burmesische Kultur.
Die Fotografien sind größtenteils aus dem bunten Alltag des südostasiatischen Landes gegriffene Eindrücke der "Touristin" Bettina Flitner. Und letztlich ist dieser Band der nur teilweise persönliche, fotografisch-journalistische Reisebericht der beiden Frauen. Es fehlt auch nicht der obligatorische Schnappschuss mit "locals", die entweder gespannt in die Kamera blicken oder angespannt wegschauen. Die einzig Lächelnden, natürlich, die Reisenden.

Fast schon idyllisch inszeniert die Fotografin problematische Sujets: Ein grün gekleidetes Mädchen, das vor einem Haufen grüner Plastiksäcke an einer antik scheinenden Nähmaschine sitzt und dieselben zusammennäht. Eine Frau, die in einem Meer von Plastik versinkt, in tausenden Sieben, Schüsseln und Körben, die sie zum Kauf anbietet. Wunderschöne Fotografien, die für ein fotografisches Essay einen Tick zu unkritisch sind und einen Tick zu sehr verklären.
Doch da es hier ja ums Reisen gehen soll und nicht um politische Problemstellungen kann manch eine das wohl verzeihen. Schwarzers Texte sind eine Mixtur aus Information und anekdotenreicher Unterhaltung. "Natürlich" geht sie auch auf die Lage der Frauen in Burma ein: "Die Burmesinnen gehören zwar rein rechtlich zu den emanzipiertesten Frauen im asiatischen Raum, und die Cheeroot-qualmenden Händlerinnen sind beeindruckend selbstbewusst. Dennoch sind Frauen den Sitten nach nur relative Wesen: die Tochter von... oder Ehefrau von... Auch eine studierte Burmesin oder gar berufstätige muss warten, bis sie geheiratet wird, damit sie das Elternhaus verlassen kann."

Auch das im Buddhismus vorherrschende Ungleichgewicht zwischen den Privilegien der Mönche und denen der Nonnen, spricht sie an. Ihre Kritik an der Institution der Mönche, die keiner Arbeit nachgehen und vom Rest der Bevölkerung, auch der ärmsten, mitversorgt werden, ist berechtigt. Doch ist dies nicht das größte Problem des Landes, das trotz beginnender Liberalisierung und Demokratisierung gegenwärtig Schauplatz schwerer ethnisch-religiöser Unruhen ist.

Unreflektiert schwärmt Schwarzer von dem sie zu Tränen rührenden Auftritt der "Ex-RebellInnen". Was aus der Rebellion geworden ist und wie sich Menschen fühlen die ihr Morgens das Frühstück servieren und abends für sie tanzen spielt für sie keine Rolle. Ihre von Beginn an etwas herablassende Art über die BurmesInnen zu sprechen, spitzt sich dann zu, wenn sie über ein kleines Café in der Flugzeughalle spricht: "So ganz haben sie es eben noch nicht drauf, die Burmesen."
Vielleicht haben die Autorinnen aber auch einfach Pech, dass ihr harmonischer Bildband ausgerechnet zu Zeiten blutiger Unruhen zwischen Buddhisten und der muslimischen Minderheit Rohingya im Bundesland Rakhine erscheint.

AVIVA-Fazit: Wunderschöne, pittoreske Fotografien, die Lust darauf machen, selbst nach Myanmar zu fahren, verbunden mit den persönlichen Eindrücken von Alice Schwarzer. Ein fotografisch ansprechender Reiseband, doch lässt er einen kritischen Blick hinter die Kulissen vermissen.

Zu den Autorinnen: Bettina Flitner, geboren 1961, machte eine Ausbildung zur Filmcutterin beim WDR in Köln bevor sie von 1986-1992 ein Studium an der Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin absolvierte. Seit 1986 arbeitet sie als freie Fotografin. Bekannt geworden ist sie mit ihren international ausgestellten Fotoessays , ihren Installationen im öffentlichen Raum und ihren Porträts.

Alice Schwarzer, geboren 1942, ist Autorin und Publizistin, sowie Gründerin der Zeitschrift Emma. Seit den 1970er Jahren gilt sie in Deutschland als die Symbolfigur für die weibliche Emanzipation. Bekannt ist sie vor allem durch ihre feministischen Texte und die Biografien über Marion Dönhoff, Romy Schneider und Simone de Beauvoir bis hin zu ihrer eigenen 2011 erschienenen Autobiographie "Lebenslauf". Über Burma schrieb sie schon 2008 in der FAZ erstmals einen politischen Kommentar, der unter anderem im Spiegel heftig diskutiert wurde.


Bettina Flitner und Alice Schwarzer
Reisen in Burma

Erschienen im Dumont Buchverlag, Juni 2012
Hardcover, 160 Seiten, ca. 100 farbige Abbildungen30 x 24 cm
ISBN: 978-3-8321-9424-6
34,95 Euro


Weitere Infos zu Bettina Flitner und Alice Schwarzer unter:

www.bettinaflitner.de

www.aliceschwarzer.de

www.emma.de

Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:

"Frauen mit Visionen - 48 Europäerinnen", mit Fotos von Bettina Flitner und Texten von Alice Schwarzer

"Frauen die forschen" - Fotos Bettina Flitner, herausgegeben von Dr. Jeanne Rubner

Alice im Männerland

Alice Schwarzer – Lebenslauf

Friedensnobelpreis für Aung San Suu Kyi

Christiane Neudecker - Nirgendwo sonst

Amy Tan - Der Geist der Madame Chen

Weitere Informationen zum Thema:

www.spiegel.de

www.tagesschau.de

Feministin im Nonnenornat von Andrea Freund (FAZ)

Alice Schwarzer über Burma (FAZ)


Literatur > Art + Design

Beitrag vom 29.06.2012

AVIVA-Redaktion 







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