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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 15.07.2012

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Elke-Vera Kotowski - Valeska Gert. Ein Leben in Tanz, Film und Kabarett
Sharon Adler

Zum 120. Geburtstag einer der wichtigsten Vertreterinnen des avantgardistischen Tanzes in den 1920er Jahren, die darüberhinaus in Filmen von Ottinger, Fellini, Fassbinder und Schlöndorff zu sehen...




... war. Auch als Lyrikerin, Kabarett- und Barbesitzerin schaffte sich die am 11. Januar 1892 geborene Berlinerin eine Fangemeinde.

In ihrem Vorwort lässt die Autorin, Dr. Elke-Vera Kotowski, die Ausnahmekünstlerin selbst zu Wort kommen. Auf die Frage, mit welchem Resümee sie als ältere Dame auf ihr ereignisreiches Leben vor und nach dem 2. Weltkrieg zurückblicke, antwortete die damals dreiundachtzigjährige Valeska Gert erbost: "Wieso alt, ich bin doch nicht alt."

Kotowski skizziert das Leben der Legende, indem sie deren Weg akribisch und gleichzeitig gestrafft nachzeichnet. Das Leben der Valeska Gert stellt sie auch dadurch plastisch dar, indem sie aus deren Autobiographien "Ich bin eine Hexe. Kaleidoskop meines Lebens" aus dem Jahr 1969 und "Die Katze von Kampen (1973) zitiert. Doch auch ZeitzeugInnen wie etwa Kurt Tucholsky lässt die Autorin von Valeska Gert erzählen, zunächst von den Anfangsjahren ihrer Karriere in Berlin, später der Zeit in der Emigration und schließlich nach ihrer Rückkehr nach Deutschland.

Valeska Gert, geborene Gertrud Valesca Samosch wusste schon als Kind, was sie wollte. Ihre künstlerische Begabung war früh erkennbar und wurde von ihrer Familie gefördert, auch wenn ihr Vater den Bruder vorzog und sie kritisierte, wenn sie Bücher las, statt auf ihn aufzupassen.
Als Tochter einer jüdischen Familie musste sie, die mit ihrem Avantgarde-Tanz und auch in einigen Stummfilmen, wie etwa in "Die freudlose Gasse" neben Greta Garbo und Asta Nielsen, im Tagebuch einer Verlorenen und schließlich in der Dreigroschenoper schon mehrfach erfolgreich aufgetreten war, Anfang der 1930er Jahre Deutschland verlassen.

Ihre Flucht führte sie nach Frankreich, in die USA und nach England. wo sie jedoch nicht an ihre Erfolge anknüpfen konnte.
In den USA verdiente sich die Künstlerin kurzzeitig ihr Geld als Tellerwäscherin, bis sie 1941 in New York die Beggar Bar eröffnete. Einer ihrer Kellner, der dort auch seine eigenen Gedichte vortrug, war der zu dieser Zeit noch unbekannte Dramatiker Tennessee Williams. Judith Malina, die später mit dem Maler Julian Beck das Living Theatre ins Leben rief, arbeitete an der Garderobe. 1946 eröffnete Gert in Provincetown für einen Sommer das Kabarett Valeska´s, bis sie schließlich 1947 nach Europa zurückkehrte. Dort eröffnete sie zunächst in Zürich, anschließend in Berlin ein Kabarett, in dem sie unter anderem dem jungen Klaus Kinski eine Bühne verschaffte. Sie selbst schlüpfte u.a. in die Rolle der "KZ-Kommandeuse Ilse Koch", jene für ihre Grausamkeit bekannte und 1951 verurteilte Frau des Lagerkommandanten des KZ Buchenwald. Im gleichen Jahr eröffnete sie das bis heute legendäre Nachtlokal "Ziegenstall" in Kampen auf Sylt. Seit den 1960er Jahren stand sie dann auch wieder – für Ottinger, Fassbinder, Fellini und Schlöndorff – vor der Kamera.

"Noch einen Winter überlebe ich nicht (...) das Fernsehprogramm ist zu schlecht" äußerte Valeska Gert im Herbst 1977 Freunden gegenüber. Ihre ironische Prophezeiung sollte sich bewahrheiten. Vermutlich am 16. März 1978 starb Valeska Gert. Ihr Grab befindet sich auf dem Ruhlebener Friedhof in Berlin, ihrer Lieblingsstadt.

Zur Autorin: Dr. Elke-Vera Kotowski ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien an der Universität Potsdam.
Diverse Veröffentlichungen, darunter "Juden in Berlin – Biografien" und gemeinsam mit Irene A. Diekmann "Geliebter Feind, gehasster Freund. Antisemitismus und Philosemitismus in Geschichte und Gegenwart". In Vorbereitung befindet sich "Salondamen und Frauenzimmer. Selbstemanzipation deutsch-jüdischer Frauen in zwei Jahrhunderten", hrsg. von Christine Geffers Browne und Elke-Vera Kotowski, (de Gruyter, erscheint im März 2013)
Weitere Infos finden Sie unter: www.mmz-potsdam.de

AVIVA-Tipp: Valeska Gert war eine starke Frau und begnadete Künstlerin, die ihren Weg so wählte, wie es ihr gefiel. Dieser schmale Band aus der Reihe "Jüdische Miniaturen" gibt einen kleinen, aber umfassenden Einblick in das Leben und Schaffen dieser außergewöhnlichen Charakterdarstellerin, Lyrikerin, Kabarett- und Barbesitzerin.

Elke-Vera Kotowski
Valeska Gert
Ein Leben in Tanz, Film und Kabarett

64 Seiten, Broschur, 16 Abbildungen
ISBN: 978-3-942271-53-0
6,90 Euro
Hentrich & Hentrich Verlag Berlin
Jüdische Miniaturen Bd. 123
www.hentrichhentrich.de

Weitere Infos unter:
Vom 26. Mai bis 29. Juni 2012 zeigte die Galerie im Kaamp-Hüs in Kampen auf Sylt die Ausstellung Die Katze von Kampen" über Valeska Gert, die dort den legendären "Ziegenstall" betrieb.

Valeska Gert-Ausstellung zu ihrem 120. Geburtstag in Kampen auf Sylt

"Ich will leben, auch wenn ich tot bin" (Im Rahmen der Ausstellung des Moses Mendelssohn Zentrums im April 2011 in Potsdam)

Valeska Gert. Ein bewegtes Leben in Tanz, Film und Kabarett (Im Rahmen der Ausstellung des Moses Mendelssohn Zentrums im April 2011 in Potsdam)

Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:

Susanne Beyer - Palucca - Die Biografie

Unser Beitrag zu Lotte Jacobi , die Valeska Gert in ihrem Charlottenburger Atelier fotografiert hat

Tanzen und tanzen und nichts als tanzen, herausgegeben von Amelie Soyka



(Quelle: Hentrich & Hentrich Verlag Berlin)


Literatur > Juedisches Leben

Beitrag vom 15.07.2012

Sharon Adler 







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