Layla Fourie - Ein Film von Pia Marais. Ab 4. Juli 2013 im Kino - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Kultur



AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 01.07.2013


Layla Fourie - Ein Film von Pia Marais. Ab 4. Juli 2013 im Kino
Veronika Siegl

Auch wenn die Regisseurin eigentlich keinen politischen Film machen wollte, geht es in dieser düsteren Erzählung nicht nur um die Herausforderung einer Mutter-Kind-Beziehung, sondern auch um das...




... Südafrika von heute, dessen Geschichte der Apartheid tiefe gesellschaftliche Gräben hinterlassen hat.

Ein Autofahrer, der mit blutüberströmtem Kopf auf seinem Lenkrad liegt, zwei Polizisten mit schusssicheren Westen, die aus einem Wohnhaus hinaustreten, Kinder, die auf einem staubigen Platz Fußball spielen, eine Schwarze junge Frau, die als Kellnerin in einem Nachtklub arbeitet, während ein Kind im Umkleideraum schläft. Es sind diese ersten Szenen, die die Geschichte der alleinerziehenden Layla Fourie und ihrem kleinen Sohn Kane einrahmen. Eine Geschichte, die eine eklatante Wende nimmt, als Layla einen tödlichen Unfall verursacht.

Die Ware Sicherheit

Für Pia Marais spiegelt die Geschichte der beiden Protagonist_innen eine bestimmte Atmosphäre wider, die für die südafrikanische Gesellschaft prägend ist: "Hoffnung, überlagert von Misstrauen". Es geht um Angst, Paranoia, die Privatisierung von Sicherheit: "Menschen [...] leben in geschlossenen Wohnanlagen, verborgen hinter hohen Mauern, Elektrozäunen, Alarmanlagen, privaten Sicherheitskräften, hinter Gitterstäben und Anti-Vergewaltigungs-Gittern und klammern sich an Alarmknöpfe", schreibt die schwedisch-südafrikanische Regisseurin. Auch polygrafische Tests, also Tests mit Lügendetektoren, seien keine Seltenheit in Südafrika und für viele ihrer Verfechter_innen – darunter auch Layla Fourie – der Weg in eine bessere und ehrlichere Gesellschaft. "Für mich wirkte das wie ein Verfahren aus einem Science Fiction Universum, und doch ist es Teil der Realität", so Marais. Diese Praktik könne auch "als Metapher für die Zustände im Land" gesehen werden, kommentierte sie 2011 das Thema des neuen Films im AVIVA-Interview.

Im Teufelskreis der Lügen

Fourie erhält eine Anstellung in einer Sicherheitsfirma. Ihr erster Auftrag umfasst mehrtägige Lügendetektortests mit Job-Bewerber_innen in einem Casinobetrieb außerhalb von Johannesburg. Auf der nächtlichen Autofahrt über die verlassenen, dunklen Landstraßen überfährt einen Weißen Mann, der unvermittelt am Straßenrand auftaucht. Aus Angst vor den Konsequenzen – unter anderem, ihren Sohn zu verlieren – vertuscht sie den Unfall, vergräbt den toten Mann auf einer Müllkippe und setzt ihren Weg zum Casino fort.

"Sind Sie jemals betrunken zur Arbeit gekommen? Nehmen Sie Drogen? Haben Sie jemals geklaut? Haben Sie jemals gelogen? Sind Sie vorbestraft?" Die Liste an Fragen, welche die sichtlich nervöse Fourie den Bewerber_innen vorliest, hatte sie auch selbst bei ihrer Einstellung beantworten müssen. Lügen führen zu immer mehr Lügen, hatte sie auf die Frage geantwortet, warum sie sich ausgerechnet für diesen Job interessiere und damit die Entwicklung des Films vorweggenommen.

Denn tatsächlich verstrickt sich Layla in ein Netz von Lügen, dessen Maschen durch die zufällige Bekanntschaft und die ambivalente Beziehung mit Eugene Piennar – dem Sohn des Verunglückten – und seiner Stiefmutter immer enger gezogen werden. Als Zeuge des Unfalls wird Kane zum Spielball der drei Personen, aber lernt auch schnell, seine Machtposition auszuspielen.

Paranoia und Paralyse

Viel gesprochen wird nicht in dieser Geschichte. Aber die Sorgenfalten, angsterfüllten Blicke und steifen Bewegungen haben ihre eigene Sprache. Es sind Mimik und Gestik der Protagonist_innen, die im Vordergrund stehen, wenn die Kamera sie auf den vielen Autofahrten von der Seite her beobachtet, während im Hintergrund die südafrikanische Landschaft vorbeizieht. Und es ist gerade die Stille – nur wenige Stellen sind von leiser Musik untermalt –, die ein unglaubliches Gefühl von Bedrohung, Unruhe und Anspannung vermittelt. Nicht zuletzt deshalb, weil es das Schweigen ist, das Layla immer weiter ins Dilemma hineinreitet und nicht das Erfinden von direkten Lügen. Leider hat ihr Schweigen eine so starke Präsenz, dass die Hauptfigur in vielen Szenen als passives Opfer ihrer Situation erscheint. Auch wirkt Laylas Charakter durch den Fokus auf ihre Unsicherheit eher eindimensional und erschwert es der Zuschauerin, auf einer emotionalen Ebene mitgerissen zu werden.

AVIVA-Tipp: Pia Marais ist ein packender Film gelungen, der eine für Außenstehende fast unvorstellbare Dimension der südafrikanischen Gesellschaft thematisiert und seine Wirkung durch die Gegensätzlichkeit von Stille und Geräusch, Tag und Nacht, Lüge und Wahrheit erzielt.
Bedauerlicherweise sind die Rollen stellenweise zu überspitzt dargestellt – sowohl die einzelnen Persönlichkeiten als auch ihre komplexen Beziehungen untereinander bleiben dadurch unzugänglich.

Zur Regisseurin: Pia Marais, geboren 1971 in Johannesburg, wuchs in Südafrika, Schweden und Spanien auf, später studierte sie Skulptur und Fotografie in London, Amsterdam und Düsseldorf. Zuletzt besuchte sie die Deutsche Film- und Fernsehakademie (DFFB) in Berlin, wo sie auch heute noch lebt. 2007 drehte sie ihren ersten Langspielfilm "Die Unerzogenen", für den sie u.a. mit dem Tiger Award in Rotterdam ausgezeichnet wurde. Für ihren zweiten Film "Im Alter von Ellen" (2010) erhielt Marais zum zweiten Mal den Crossing Europe Award. "Layla Fourie" – ihr erster englischsprachiger Film – feierte im Rahmen der Berlinale 2013 als deutscher Wettbewerbsbeitrag Premiere.

Zur Hauptdarstellerin: Rayna Campbell, geboren 1980 in Manchester, studierte Schauspiel an der American Academy of Dramatic Arts in New York. Ihre Karriere begann in den Theatern New Yorks und Londons. Darauf folgte eine Vielzahl an Film- und TV-Auftritten, darunter in "Waterloo Road", "Hominid", "Casualty", "Doctors". Campbell ist zudem in der unabhängigen britischen Filmszene aktiv – als Schauspielerin und (Drehbuch-)Autorin – und Gründerin der Produktionsfirma "J Rocka Entertainment". Ihre Projekte wurden vom UK Film Council und Vision & Media Manchester für zahlreiche Drehbuch- und Regieprogramme ausgewählt.
Mehr Informationen unter: www.raynacampbell.biz

Zum Hauptdarsteller: August Diehl, geboren 1976 in Berlin, wurde an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch ausgebildet und trat in zahlreichen Inszenierungen des Maxim-Gorki-Theaters Berlin, an den Hamburger Kammerspielen, im Dortmunder Schauspielhaus und am Burgtheater Wien auf. Seine erste Filmrolle in Hans-Christian Schmids Thriller "23" brachte ihm die begehrteste Auszeichnung des deutschen Films ein – die Lola als bester Schauspieler einer Hauptrolle. Diehl wirkte in einer Reihe von internationalen Produktionen mit, unter anderem Stefan Ruzowitzkys "Die Fälscher" (2008) und Quentin Tarantinos "Inglourious Basterds" (2009).

Layla Fourie
Südafrika, Deutschland, Frankreich, Niederlande 2013
Drehbuch: Horst Markgraf, Pia Marais
Regie: Pia Marais
Darsteller_innen: Rayna Campbell, August Diehl, Rapule Hendricks, Terry Norton, Rapulana Seiphemo, Jeroen Kranenburg, David Mello
Kamera: André Chemetoff
Schnitt: Chris Teerink, Mona Bräuer
Kostümbild: Maleen Nokel
Szenenbild: Petra Barchi
Maskenbild: Chiara Minchio, Marc Crisp
Musik: Bachar Khalife
Ton: Herman Pieëte
Sound Design & Mischung: Bruno Tarrière
Produzent_innen: Claudia Steffen, Christoph Friedel
Produktion: Pandora Film Produktion
Länge: 105 Minuten
Verleih: Real Fiction Filmverleih
Kinostart: 4. Juli 2013
www.realfictionfilme.de


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Beitrag vom 01.07.2013

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