Maria Sibylla Merian und die Tradition des Blumenbildes. Eine Sonderausstellung des Kupferstichkabinetts – Staatliche Museen zu Berlin und des Städel Museums, Frankfurt am Main - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Kultur



AVIVA-BERLIN.de im März 2024 - Beitrag vom 12.04.2017


Maria Sibylla Merian und die Tradition des Blumenbildes. Eine Sonderausstellung des Kupferstichkabinetts – Staatliche Museen zu Berlin und des Städel Museums, Frankfurt am Main
Yvonne de Andrés

Maria Sibylla Merian war eine ungewöhnliche Frau. Die Frankfurter Malerin und Naturforscherin reiste 1699 mit ihren zwei Töchtern nach Surinam, um Schmetterlinge zu erforschen. Anlässlich ihres 300. Todestages werden ihre Insekten-, Blumen- und Pflanzendarstellungen bis 2. Juli 2017 im Kupferstichkabinett gezeigt. Außerdem: Neue Publikationen zu Maria Sibylla Merian und ihrem Wirken




Maria Sibylla Merian (2. April 1647 - 13. Januar 1717) verfügte von Anfang an über die Doppelbegabung als Naturforscherin und Künstlerin. Sie kannte sich im Buchdruck und im Verlagswesen aus und konnte so für den Absatz und die Verbreitung ihrer Arbeiten sorgen.

Maria Sibylla Merian war die jüngste Tochter von Matthäus Merian dem Älteren, der durch seine Stadtansichten berühmter Kupferstecher und Gründer der Verlegerdynastie bekannt wurde. Er stirbt 1650, und Maria Sibyllas Mutter, Johanna Catharina Sibylla Heim, heiratet ein Jahr darauf den Maler Jacob Marrel. Von ihrem Stiefvater Jacob Marrel, ein Stillebenmaler, erhält sie eine fundierte Ausbildung. Ihre künstlerische Begabung zeigte sich früh. Analog zu ihrer Ausbildung zur Blumenmalerin entwickelte sie bereits als Kind eine starke Faszination für die kleinen Wesen der Tierwelt. Sie gilt damit als Begründerin der Insektenkunde. Ihre Darstellungen basieren auf exakter Beobachtung und handwerklichem Können.



Michael Roth, einer der Kuratoren des Kupferstichkabinetta, führt bei seinem Rundgang durch die Ausstellung vor der Vitrine aus: "Sie hatte eine extrem starke Affinität zum Drucken und zum Buch und zur Buchgestaltung. Darum haben wir vom "Raupenbuch" drei Exemplare zusammengestellt, in der die unterschiedlichen Ausstattungsvarianten vorgestellt werden. Rechts Schwarz-Weiß-Druck, in der Mitte sehr gut koloriert und links im Umdruck."

Maria Sibylla Merian war eine Ausnahmeerscheinung. Eine außergewöhnliche Frau mit einem starken Charakter und eine Ausnahmeerscheinung in der Kunst. Martin Sonnabend, Leiter der Grafischen Sammlung bis 1750 am Städel Museum und ebenfalls Kurator der Ausstellung, macht auch darauf aufmerksam, dass sie als Frau lange in der Kunst sowie in der Wissenschaft nicht die angemessene Berücksichtigung erhalten hat. "Es sind ja nur Blümchen", lautete lange die abschätzige Bemerkung.

Als strenge Calvinistin war Maria Sibylla Merian mit einem starken Unabhängigkeitsstreben ausgestattet und der Fähigkeit, sich als Frau zu behaupten. Sie verdiente ihr eigenes Geld. Zog nach der Hochzeit 1665 mit Johann Andreas Graff, einem Gesellen von Jakob Marell, nach Nürnberg. Christian Gottlieb Jöcher schreibt in seinem "Gelehrten-Lexicon" (1751), die "Merianin wurde an einen Mahler in Nürnberg, Namens Gräfe, verheyrathet. Weil aber dieser wegen eines schändlichen Lasters landesflüchtig werden muste, führte sie nach dem, ob sie wol verschiedene Kinder mit ihm gezeugt hatte, allezeit ihren Geschlechts-Namen". Es findet sich ebenfalls bei Jöcher, wie froh Johanna Catharina Sibylla Heim darüber gewesen war, dass ihre Tochter, die so gar nicht den Rollenerwartungen an eine "gute Hausfrau" entsprach, endlich versorgt zu wissen.

Wie berichtet arbeitete sie unter ihrem Mädchennamen im erlernten Beruf als Blumenmalerin weiter. Merian entwickelt in Nürnberg eine rege Tätigkeit. Sie gründete eine Stick- und Malschule für junge Damen der Oberschicht, wo diese im Zeichnen, Malen, Stechen und Sticken unterrichtete wurden. Zu diesem Zweck gab sie ein Vorlagen-Buch heraus "Neues Blumenbuch". Sie nahm Malaufträge für Arbeiten mit Motiven von Blumen und Schmetterlingen an, betrieb einen Farbenhandel und den Verkauf von Tierpräparaten und sicherte so den Lebensunterhalt der Familie.

1679 erschien der erste Teil der insektenkundlichen Studie "Der Raupen wunderbare Verwandlung, und ihre erste und wundersame Blumennahrung". Mit ihren naturkundlichen Forschungen betrat sie völliges Neuland. 1683 folgt der zweite Teil des "Raupenbuches". Nach der Trennung 1685 zog Maria Sibylla Merian 1690 nach Amsterdam, dem kulturellen Zentrum der damaligen Zeit. Auf Wunsch von Johann Andreas Graff erfolgte 1694 die Scheidung.

Eine Pioniertat bleibt ihre Reise in den Dschungel Surinams. 1699 bestieg sie im Alter von 52 Jahren und mit ihren zwei Töchtern ein Schiff und begab sich für zwei Jahre auf Forschungsreise nach Surinam, um dort Insekten, Schmetterlinge und Pflanzen in einem tropischen Land zu studieren und zu malen. Es war eine Expedition in den Urwald, wo sie unter und mit den UreinwohnerInnen lebte. Sie ist damit die erste Frau, die hier Neuland betrat. Ihre Forschungsbeobachtungen hielt sie in einem großen Folianten, dem "Metamorphosis insectorum surnamensium" fest, der 1705 in lateinischer und niederländischer Ausgabe erschien. Die farbenprächtigen Kupferstiche stellen die bis daher unbekannte Tropenflora und Insektenwelt dar. Sie galten bereits zu ihren Lebzeiten als Sensation. Hier dokumentierte sie erstmals detailliert die Verwandlung von der Raupe über die Puppe zum Schmetterling. Ihre Bilder über die Entwicklungsstadien der Schmetterlinge sind beeindruckend schön und genau. 1717 stirbt Maria Sibylla Merian, der dritte Teil des Raupenbuches erscheint posthum.



Ausgehend von diesen zentralen Arbeiten verfolgt die Ausstellung anhand von rund 100 Werken von Merian, ihren Vorläufern, Zeitgenossen und Nachfolgern die vielfältigen künstlerischen Ausdruckformen in der Darstellung von Blumen und naturkundlicher Bildthemen. Sie umfasst neben floralen Ornamentstichen, etwa von Martin Schongauer, Apotheker- und Kräuterbücher des frühen 16. Jahrhunderts, auch Pflanzenstudien aus dem Umkreis von Albrecht Dürer, Naturstudien von Georg Flegel und Georg Hoefnagel aus der Zeit um 1600 sowie Florilegien, die Merians Werk unmittelbar vorausgingen. Blumenkompositionen von Barbara Regina Dietzsch und ihrem Umkreis aus dem 18. Jahrhundert sowie einige Beispiele romantischer Blumendarstellungen runden die Präsentation ab.

AVIVA-Tipp: Maria Sibylla Merian schreibt im Vorwort zu ihrem Surinam-Buch über diese Zeit: "Ich habe mich von Jugend an mit der Erforschung der Insekten beschäftigt. Zunächst begann ich mit Seidenraupen in meiner Geburtsstadt Frankfurt am Main. Danach stellte ich fest, daß sich aus anderen Raupen viel schönere Tag- und Eulenfalter entwickelten als aus Seidenraupen. Das veranlaßte mich, alle Raupen zu sammeln, die ich finden konnte, um ihre Verwandlung zu beobachten. Ich entzog mich deshalb aller menschlichen Gesellschaft und beschäftigte mich mit diesen Untersuchungen. Dabei wollte ich mich zugleich in der Malkunst üben und sie alle nach der Natur zeichnen und beschreiben, wie ich auch alle Insekten, die ich zunächst in Frankfurt und danach in Nürnberg habe finden können, für mich selbst sehr genau auf Pergament gemalt habe."

Die Ausstellung stellt die künstlerischen und wissenschaftlichen Publikationen der Maria Sibylla Merian ins Zentrum der Ausstellung. Ihre künstlerische und naturwissenschaftliche Doppelbegabung wird klar präsentiert. Die Ausstellung stellt die künstlerischen Vorläufer und Zeitgenossen vor und zeichnet Verbindungen und interessante Bezüge und Einflüsse nach. Die biografischen Aspekte der Maria Sibylla Merian stehen nicht im Vordergrund der Ausstellung.

Maria Sibylla Merian und die Tradition des Blumenbildes
7. April bis 2. Juli 2017

Eine Sonderausstellung des Kupferstichkabinetts – Staatliche Museen zu Berlin und des Städel Museums, Frankfurt am Main
Kupferstichkabinett
Kulturforum Matthäikirchplatz
10785 Berlin

Öffnungszeiten:
Di, Mi, Fr von 10.00 - 18.00 Uhr, Sa + So von 11.00 - 18.00 Uhr
Weitere Infos unter: www.smb.museum
Eintritt 6 Euro

Literatur

Zur Ausstellung erscheint eine gemeinsame Publikation im Hirmer Verlag, die in Kooperation mit dem Fachgebiet Kunstgeschichte der Technischen Universität Berlin erarbeitet wurde.
Maria Sibylla Merian und die Tradition des Blumenbildes

www.hirmerverlag.de

Carin Grabowski - Maria Sibylla Merian zwischen Malerei und Naturforschung
Pflanzen- und Schmetterlingsbilder neu entdeckt


www.reimer-mann-verlag.de

Barbara Beuys - Maria Sibylla Merian - Künstlerin – Forscherin – Geschäftsfrau. Eine Biographie

www.suhrkamp.de

Natalie Zemon Davis – Metamorphosen

www.wagenbach.de


Kultur

Beitrag vom 12.04.2017

Yvonne de Andrés