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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 22.03.2019


Von Angesicht zu Angesicht - Ausstellung von Arbeiten der Malerin Lotte Laserstein vom 5. April bis 12. August 2019 in der Berlinischen Galerie
Anita Oberlin

Bereits als 30-Jährige war Lotte Laserstein eine anerkannte und erfolgreiche Künstlerin, doch 1933 wurde die Karriere der Berliner Jüdin von den Nazis brutal beendet. Im Ausland gilt die Malerin als eine der großen Realistinnen des 20. Jahrhunderts, in Deutschland ist sie nur Wenigen bekannt. "Von Angesicht zu Angesicht" zeigt Werke aus der Berliner Zeit und den schwedischen Exiljahren Lotte Lasersteins.




"Lotte Laserstein gehört zu den allerbesten der jüngeren Malergeneration", schwärmte die Presse 1929. Ihr glanzvoller Aufstieg fand jedoch ein jähes Ende. Als Jüdin wurde sie von den Nazis aus der "Reichskulturkammer" ausgeschlossen, in der Kulturschaffende zwangsorganisiert wurden. Dadurch erhielt die an der Akademie der Künste zu Berlin ausgebildete Malerin ab 1935 Berufsverbot und wurde aus dem öffentlichen Kulturbetrieb ausgestoßen. 1937 emigrierte sie nach Schweden.

Die Malerin wurde 1898 in Preußisch-Holland in Ostpreußen als Tochter der Klavierlehrerin Meta (Anna Ida) Laserstein, geborene Birnbaum, und des Apothekers Hugo Laserstein geboren. Bei ihrer Großtante, der Malerin Elsa Birnbaum, erhielt sie Malunterricht. Die Familie zog 1912 nach Berlin in die Stierstraße 19 in Friedenau.

Nach dem Abitur studierte Lotte Laserstein von 1921 bis 1927 an der Akademie der Künste zu Berlin, an der seit 1919 erstmals Frauen zugelassen waren. Sie war Meisterschülerin bei Erich Wolfsfeld. Das erste eigene Atelier hatte sie in Berlin-Wilmersdorf, zeitgleich gründete sie eine private Malschule. In den 30er Jahren unternahm sie mit ihren MalschülerInnen Studienreisen aufs Land. Hier entstanden Bilder der ländlichen Bevölkerung und zum ersten Mal Landschaftsbilder. In den folgenden fünf Jahren nahm Lotte Laserstein erfolgreich an zahlreichen Ausstellungen und Wettbewerben teil.

Die Berlinische Galerie zeigt nun mit "Von Angesicht zu Angesicht" 58 Werke, darunter 48 Gemälde und neun Zeichnungen Lotte Lasersteins aus ihrer Erfolgsphase in Berlin und ihren Jahren im schwedischen Exil. Kuratiert und zuvor vom Frankfurter Städel Museum gezeigt, übernimmt nun das Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur die Ausstellung und erweitert Lotte Lasersteins Werk mit Porträts, Landschaftsbildern, Spätwerken und Bildern aus ihrem künstlerischen Umfeld. Lotte Laserstein spielte mit Zitaten aus der Kunstgeschichte ebenso wie mit Flächigkeit und Pinselstrich des Spätimpressionismus. Besonders für ihre Porträts wird die Künstlerin als sensible Chronistin der 1920er Jahre gewürdigt.

Lotte Laserstein traf den Nerv ihrer Zeit

In ihren Portraits wählte Lotte Laserstein modern anmutende Bildausschnitte. Sie interpretierte das Bild der "Neuen Frau" und malte deren Vertreterinnen: die Emanzipierte, die Garçonne, die Sportlerin, die Mondäne.
Ihre weiblichen Akte erregten beim Publikum der späten 20er und frühen 30er Jahre Aufsehen. Für die Darstellung der nackten Frau stand ihr ihre Freundin Traute Rose Modell und inspirierte sie zu einigen ihrer besten Gemälde, darunter die subtilen Malerin-Modell-Darstellungen. Die Arbeiten sind lebensnah, realistisch und gleichzeitig sinnlich.

Von Angesicht zu Angesicht.
© Anita Oberlin, AVIVA-Berlin. Pressematerial zur Ausstellung "Von Angesicht zu Angesicht" in der Berlinischen Galerie. Auf der Schwarz-Weiß-Fotografie abgebildet ist Traute Rose, die Freundin von Lotte Laserstein.



Eines der Hauptwerke Lasersteins, "Abend über Potsdam" von 1930, kann als geradezu symbolhaft-visionär interpretiert werden. Das dargestellte ausklingende Beisammensein einiger enger FreundInnen der Künstlerin auf einer Dachterrasse im abendlichen Potsdam mit der Garnisonskirche im Hintergrund steht buchstäblich am Abgrund. Ausgerechnet in der Garnisonskirche sollte drei Jahre später mit dem "Tag von Potsdam" am 21. März 1933 der Reichstag nach der Machtübernahme der Faschisten eröffnet werden.

Berufsverbot durch die Nazis, die Malerin flieht nach Schweden

In den darauf folgenden Jahren der Hoffnungslosigkeit war für Lotte Laserstein die Malerei Selbstverwirklichung und Trost, ihr Halt und ihre Rettung.

Ab 1933 verschlechterte sich die berufliche Situation der Künstlerin immer mehr. Lotte Lasersteins Malschule wurde geschlossen, daraufhin unterrichtete sie an der jüdischen Privatschule von Luise Zickel in Schöneberg. Ausstellungen konnten nur noch im Rahmen des Jüdischen Kulturbundes stattfinden. Durch den Ausschluss aus der Reichskammer der bildenden Künste und das 1935 ausgesprochene Berufsverbot konnte sie sich nur noch schwer Arbeitsmaterialien beschaffen. Unter diesen schwierigen Bedingungen perfektionierte die Malerin die Öl-auf-Papier-Technik.

Eine Ausstellung in der Stockholmer Galerie "Moderne" ermöglichte es Lotte Laserstein, 1937 Deutschland zu verlassen. Mit Porträtmalerei konnte sie sich in Schweden zwar ihren Unterhalt verdienen, aber die Auftragsmalerei schränkte ihre schöpferische Kreativität ein. Die Landschaftsmalerei, der sie sich dann verstärkt widmete, ließ ihr wieder mehr künstlerische Freiheiten. Nach einer Scheinheirat mit dem jüdischen Kaufmann Sven Jakob Marcus erhielt Laserstein die schwedische Staatsbürgerinnenschaft. Versuche, Mutter und Schwester mit deren Lebensgefährtin Rose Ollendorf aus Nazi-Deutschland nach Schweden zu holen, scheiterten. Die Mutter Meta Ida Laserstein wurde am 16. Januar 1943 im KZ Ravensbrück ermordet. Die Schwester Käte überlebte traumatisiert in einem Versteck in Berlin.

Nach beruflich und privat schwierigen Jahren zog Lotte Laserstein 1954, in der Hoffnung auf bessere berufliche Chancen, in die südschwedische Stadt Kalmar, wo sie 1977 mit dem Kulturpreis der Stadt Kalmar ausgezeichnet wurde. Nach ausgedehnten Reisen nach Frankreich, Italien und Spanien, in die Schweiz und die USA wurden 1987 und 1990 Werke der Künstlerin zusammen mit denen ihres Lehrers Erich Wolfsfeld und ihres Schülers Gottfried Meyer in den Londoner Galerien Agnew´s und The Belgrave Gallery präsentiert. Die beiden Ausstellungen leiteten Lotte Lasersteins internationale Wiederentdeckung als Künstlerin ein. 1993 starb Lotte Laserstein im Alter von 94 Jahren in Kalmar.

Während die Malerin in der englischsprachigen Welt längst als eine der großen Realistinnen des 20. Jahrhunderts gewürdigt wird, war sie in Deutschland lange Zeit vergessen. In Berlin war 2004 eine Retrospektive Lotte Lasersteins in der Ausstellung "Meine einzige Wirklichkeit" im Museum Ephraim-Palais in Zusammenarbeit mit dem Verborgenen Museum zu sehen.2014 zeigte Das Verborgene Museum unter dem Motto "Landschaft und Gesicht" eine dialogisch konzipierte Bildschau und machte in einer umfassenden Werksammlung die Arbeiten von 25 vergessenen Malerinnen und Fotografinnen des letzten Jahrhunderts sichtbar. Zwei erstmals in Berlin ausgestellte Gemälde von Lotte Laserstein und Ilse Heller-Lazard standen im Fokus der Ausstellung.

AVIVA-Tipp: Lotte Laserstein, visionär und hochsensibel. Tiefe Ernsthaftigkeit und intensiv-furchtlose Darstellungen von Menschen im Berlin der Weimarer Republik oder schwarz-weiß-gestreifter Kühe im schwedischen Exil - Lotte Lasersteins Gemälde spiegeln eine Welt, in der - besonders für die Frauen – endlich alles möglich schien und doch der Schatten der drohenden Vernichtung von Freiheit und Leben in jeder ihrer Arbeiten sichtbar wird. Ihre von den Nationalsozialisten zerstörten Pläne und Karriere, die Ermordung ihrer Mutter Meta Ida Laserstein, geborene Birnbaum, am 16. Januar 1943 im KZ Ravensbrück - das sollte auch bei dieser Ausstellung nicht vergessen werden.

"Von Angesicht zu Angesicht"
05. April bis 12. August 2019

Veranstaltungsort: Berlinische Galerie
Landesmuseum für Moderne
Kunst, Fotografie und Architektur
Alte Jakobstraße 124-128
10969 Berlin
Öffnungszeiten: Mittwoch–Montag 10:00–18:00 Uhr, Dienstags geschlossen
Mehr Informationen: www.berlinischegalerie.de

Tageskarte: 10, ermäßigt 7 Euro
Die Berlinische Galerie bietet eine interaktive Führung für Familien mit Kindern ab sieben Jahren an. Jeden Sonntag, 7. April bis 11. August 2019 (außer 21.4, 28. 7.) jeweils 14 bis 15.30 Uhr. Preis im Eintritt enthalten.
Außerdem: Kreativer Workshop für Familien: "Kunstsonntag" jeden 1. Sonntag im Monat, 11 bis 14 Uhr.
Kinder 6, Erwachsene 9 Euro, zzgl. Eintritt und 3 Euro Material pro Person.
Anmeldung unter: info@jugend-im-museum.de

Mehr Informationen zu Lotte Lasersteins Biografie unter: www.dasverborgenemuseum.de

Eine chronologische Ãœbersicht zu Lotte Lasersteins Leben und Schaffen ist online unter: artinwords.de/lotte-laserstein-biografie

Weitere Informationen zur Familie Laserstein finden Sie auch auf der Seite der "Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin" www.stolpersteine-berlin.de

Literatur:

Anna-Carola Krausse
Lotte Laserstein. Meine einzige Wirklichkeit

Anlässlich Lotte Lasersteins 120. Geburtstages erschien die Neuauflage der inzwischen als Standardwerk geltenden Monographie über Lotte Lasersteins Leben und Werk.
Deutscher Kunstverlag, 2018
248 Seiten
ISBN 978-3-422-07454-5
29, 90 Euro
Mehr zum Buch: www.deutscherkunstverlag.de

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Quellen: AVIVA-Berlin, Berlinische Galerie, Verborgenes Museum, Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin


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Beitrag vom 22.03.2019

AVIVA-Redaktion