VARDA PAR AGNÈS von Agnès Varda. Kinostart: 06. Februar 2020 - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Kultur



AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 04.02.2020


VARDA PAR AGNÈS von Agnès Varda. Kinostart: 06. Februar 2020
Sharon Adler

Die feministische französische Avantgarde-Filmemacherin, Fotografin, Installationskünstlerin und Filmtheoretikerin hinterlässt mit ihrem filmischen Selbstportrait ein großartiges letztes Werk, in dem ihr gesamtes Œuvre gewürdigt wird.




Ein Leben voller Begegnungen und Kreativität

"Varda par Agnès" feierte auf der Berlinale 2019 seine Weltpremiere im Wettbewerb außer Konkurrenz. Für ihren filmischen Rückblick auf ihr Leben und ihr Werk wurde die damals 90-jährige Agnès Varda mit dem Ehrenpreis, der Berlinale Kamera ausgezeichnet.
Diese Würdigung geht seit 1986 an Persönlichkeiten oder Institutionen mit denen sich das Festival besonders verbunden fühlt. Insgesamt viermal war die bedeutende französische Filmemacherin, Fotografin, Installationskünstlerin und Filmtheoretikerin mit ihren Filmen im Wettbewerb zu Gast.

Die "Großmutter der Nouvelle Vague" spürte hier möglicherweise schon ihren nahenden Abschied, als sie sagte: "Ich muss mich darauf vorbereiten, Adieu zu sagen."
Agnès Varda starb einen Monat später an Krebs, am 29. März 2019 in Paris, einen Tag vor ihrem 91. Geburtstag.

Ein filmisches Vermächtnis: "VARDA PAR AGNÈS"

Die Nouvelle-Vague-Legende erzählt in VARDA PAR AGNÈS über ihr jahrzehntelanges Schaffen in den unterschiedlichsten künstlerischen Disziplinen, sie spricht über ihre Arbeitsweise und auch darüber, dass in der Kunst nicht immer alles planbar ist. Dabei macht sie assoziative Zeitsprünge und berichtet so anekdotenreich, klug und charmant, dass der Film auch für Zuschauer_innen spannend bleibt, die mit ihren Werken nicht vertraut sind. Wie schon in ihrem vorletzten Film "Augenblicke: Gesichter einer Reise" wird auch in VARDA PAR AGNÈS in den vielzähligen Begegnungen mit anderen Menschen deutlich, was Agnès Varda war, eine große empathische Beobachterin.

Das Setting

Agnès Varda nimmt auf einer Theaterbühne Platz und gibt von hier aus persönliche Einblicke in ihr Schaffen und illustriert, eher assoziativ als chronologisch, künstlerische Visionen und Ideen mit Ausschnitten aus ihrem Werk.

Ihre lebendigen, anekdotenreichen und klugen Lektionen unterteilt sie in zwei Abschnitte: In ihren Erinnerungen an die "analoge Zeit" von 1954 bis 2000 steht die Regisseurin im Vordergrund. Eine junge Frau, die auszog, das Kino neu zu erfinden, und auch im Fiktionalen immer offen für den Zufall, für dokumentarische Momente ist, die mit jedem neuen Film auch ihren Erzählstil neu erfindet. Im zweiten Teil befasst sich Agnès Varda mit den Jahren von 2000 bis 2018 und zeigt, wie sie die digitale Technik nutzt, um in ihrer ganz eigenen Art auf die Welt zu blicken.

Vor und hinter der Kamera erweist sich Agnès Varda als visuelle Geschichtenerzählerin fern von allen Konventionen und festgelegten Dramaturgien. Gemeinsam mit einigen Weggefährt_innen nimmt sie die Zuschauer_innen mit auf eine Reise durch phantastische Bilderwelten.
Agnès Vardas letztes Werk ist filmisches Selbstportrait und ein warmherziges und weises Lehrstück darüber, was im Leben und beim Filmemachen wirklich wichtig ist. Die Interviews, Gespräche und Set-Aufnahmen zeigen eine leidenschaftliche Filmemacherin und große Künstlerin. Bis zu ihrem Lebensende blieb Agnès Varda neugierig, kämpferisch und mutig, in der Kunst wie im Leben. Für sie gab es hier ohnehin keine Trennung.

AVIVA-Tipp: "VARDA PAR AGNÈS" von Agnès Varda ist das Vermächtnis einer großartigen Künstlerin und eines wunderbaren Menschen. Jede einzelne Einstellung, jedes Bild und jedes Wort in ihrem letzten Werk zeigt die große Liebe zur Kunst und zu den Menschen. Merci, Agnès Varda.

VARDA PAR AGNÈS von Agnès Varda
Frankreich 2018
Stab
Regie, Buch: Agnès Varda
1. Teil in Co-Regie mit Didier Rouget
Kamera: François Décréau, Claire Duguet, Julia Fabry
Montage: Agnès Varda, Nicolas Longinotti
Ton: David Chaulier, Alan Savary
Regieassistenz: Julia Fabry
Production Manager: Cecilia Rose
Produzentin: Rosalie Varda
Ausführende Produzentin: Rosalie Varda
Co-Produzenten: Dany Boon, Joey Faré
Co-Produktion Arte France, Issy les Moulineaux HBB26, Paris Scarlett Productions, Paris
Französisch mit deutschen Untertiteln
Dokumentarische Form
115 Minuten, Farbe
Verleih: Film Kino Text
Weltpremiere Berlinale 2019
Kinostart: 06. Februar 2020
Mehr zum Film und der Trailer unter: www.filmkinotext.de/varda-par-agnes

Zu Agnès Varda

Die vielfach ausgezeichnete Fotografin, Künstlerin und Filmregisseurin gilt als eine der Schlüsselfiguren des modernen Films. Ihre Arbeiten legen den Fokus auf einen dokumentarischen Realismus, feministische Themen und soziale Kommentare.
Agnès Varda wurde am 30. Mai 1928 in Ixelles, Belgien, als Arlette Varda geboren und wuchs mit vier Geschwistern auf. Während des Krieges war ihre Familie gezwungen nach Südfrankreich zu ziehen. Sie verbrachte die Jugend in Sète, bevor sie in Paris an der École du Louvre studierte und Abendkurse in Fotografie an der École de Vaugirard besuchte. In dieser Zeit begann sie als Fotografin für die französische Theatergröße Jean Vilar am Théâtre National Populaire in Paris zu arbeiten. 1954 hatte sie ihre erste Einzelausstellung. Im selben Jahr wagte sie den Schritt zum Medium Film – ohne Erfahrung oder Ausbildung. Um ihren ersten Spielfilm LA POINTE COURTE zu drehen und zu produzieren, gründete sie 1954, im Alter von 26 Jahren, die Produktionsgesellschaft Tamaris-Films (später Ciné-Tamaris). Der Film brachte ihr den Titel "Großmutter der Nouvelle Vague" ein. Ab diesem Moment öffnete sich ihr die Tür zur Filmwelt. Sie führte Regie bei Kurz- und Spielfilmen, fiktionaler und dokumentarischer Art. Dabei legte sie stets größten Wert auf ihre künstlerische Unabhängigkeit. Für ihr filmisches Schaffen wurde sie mit einer Vielzahl an Preisen ausgezeichnet. 1965 gewann ihr Film GLÜCK AUS DEM BLICKWINKEL DES MANNES den Silbernen Bären auf der Berlinale. Einen großen Publikumserfolg erzielte sie 1985 mit ihrem Film VOGELFREI, für den sie den Goldenen Löwen in Venedig Film erhielt. Für ihr filmisches Selbstporträt DIE STRÄNDE VON AGNÈS wurde sie mit einem César für den Besten Dokumentarfilm ausgezeichnet. 2014 erhielt sie den Ehrenleopard des Filmfestivals von Locarno. 2017 wurde Varda der Ehrenoscar® für ihr Lebenswerk verliehen.
Auszeichnungen für "AUGENBLICKE: GESICHTER EINER REISE": Oscars 2018: Nominierung Bester Dokumentarfilm Independent Spirit Awards 2018: Auszeichnung Bester Dokumentarfilm César 2018: Nominierung Bester Dokumentarfilm und Beste Filmmusik
Agnès Varda lebte in Paris, wo sie die Produktionsgesellschaft Tamaris-Films (später Ciné-Tamaris) gegründet hatte. Mit ihrem 1990 verstorbenen Ehemann, dem französischen Filmemacher Jacques Demy, zog sie ihre beiden Kinder (Kostümbildnerin und Filmproduzentin Rosalie Varda und Schauspieler, Filmregisseur und Drehbuchautor Mathieu Demy) groß.

FILMOGRAFIE (AUSWAHL)
2017 AUGENBLICKE: GESICHTER EINER REISE
2011 AGNES WAR DA (TV-MINISERIE)
2008 DIE STRÄNDE VON AGNÈS
2002 ZWEI JAHRE DANACH
1993 DIE DEMOISELLES SIND 25 JAHRE ALT GEWORDEN
1988 DIE ZEIT MIT JULIEN
1985 VOGELFREI
1981 MENSCHENGESICHTER
1981 MAUERBILDER
1969 LIONS LOVE
1966 DIE GESCHÖPFE
1965 GLÃœCK AUS DEM BLICKWINKEL DES MANNES
1962 CLEO – MITTWOCH ZWISCHEN 5 UND 7
1954 LA POINTE COURTE

Weitere Infos zu Agnès Varda und Ciné-Tamaris: www.cine-tamaris.com und www.imdb.com

Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:

AUGENBLICKE: GESICHTER EINER REISE. Ab 7. Dezember 2019 auf DVD und digital
"Eine neue Art von Bildern zu schaffen" war der große Plan, der die Künstler*innen auf ihrem filmischen Abenteuer mit dem mobilen Fotoautomaten begleitet hat. "Kunst für alle" lautete der Anspruch und Auftrag des ambitionierten Paars: Nouvelle-Vague-Legende, Installationskünstlerin und Filmtheoretikerin Agnès Varda (89) und Streetart-Künstler und Fotograf JR (35) begaben sich in ihrem Oscar®-nominierten Roadmovie auf eine künstlerisch-dokumentarische Reise, um Frankreichs Gesichter und Geschichten in überlebensgroßen Bildern festzuhalten und warfen dabei einen gleichsam poetischen wie charmanten Blick auf das Leben.

Interview mit Agnès Varda
Zur Eröffnung der Retrospektive ihres Gesamtwerkes im Kino Arsenal kam die außergewöhnliche französische Cineastin Agnès Varda nach Berlin und teilte mit uns einige Momente, ihre Vorlieben des Lebens und Filmemachens. (2009)

Varda-Retrospektive im Arsenal eröffnete mit "Die Strände von Agnès"
Das Arsenal würdigte die Pionierin der Nouvelle Vague mit einer umfangreichen Werkschau im September 2009.


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Beitrag vom 04.02.2020

Sharon Adler