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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 28.01.2009


Tacita Dean - In My Manor
Almut Andreae

Die erste Berliner Einzelausstellung der britischen Künstlerin Tacita Dean ist noch bis zum 15. Februar 2009 in der Villa Oppenheim, Galerie für Gegenwartskunst zu sehen.




Was bleibt

Den Aufgeregtheiten und Superlativen des aktuellen Kunstbetriebes setzt die erste Berliner Einzelausstellung der britischen Künstlerin Tacita Dean eine Konzentration und Ruhe entgegen, die noch lange nachwirkt. Der gediegene Charme der Charlottenburger Villa Oppenheim für Gegenwartskunst, nur einen Steinwurf von den Sammlungen Berggruen und Scharf-Gerstenberg entfernt, gibt den überaus stimmigen Rahmen für die Präsentation der international renommierten britischen Künstlerin.

Noch drei Wochen lang zeigt die 43-Jährige überwiegend neuere Arbeiten unterschiedlicher Genres, darunter mehrere 16-mm-Filme, überarbeitete Fotografien und eine Audioarbeit. Seit sie im Jahr 2000 als DAAD-Stipendiatin nach Berlin kam, hält Tacita Dean der Stadt die Treue. Charlottenburg ist der Kiez, in dem sie längst heimisch wurde. Der Titel der Ausstellung "In My Manor" - frei übersetzt mit "In meiner Nachbarschaft, in meinem Kiez" spielt mit dieser Assoziation. Gleichzeitig schwingen in ihm noch weitere Bedeutungen ("In meiner Villa" oder "Auf meine Art und Weise") latent mit. Die Kunst von Tacita Dean ist nicht darauf angelegt, eindeutige Lesarten und Bedeutungen vorzugeben.

Ausgehend von Bildfragmenten, Erinnerungsstücken, alten Fotografien generiert sie eine neue Realität stiller und bewegter Bilder. Sehr häufig paart sie die auf diese Weise entstehenden Bilder mit einer Tonspur oder einem speziell entwickelten Lichtton ("optical sound"), der die Bilder verstärkt. In der Berliner Ausstellung entfalten audiovisuelle Arbeiten neben anderen, die sich ganz und gar verschwiegen geben, eine ganz eigene Präsenz. Inhaltlich setzt sich häufig die intensive Auseinandersetzung der Künstlerin mit ihrer Wahlheimat Berlin und Deutschland durch. So auch in der Audioarbeit "Berlin Project" aus dem Jahr 2002, in der Villa Oppenheim von einer mit mehreren Kopfhörern ausgestatteten Sitzgruppe aus zu genießen. Hier entfaltet sich über 45 Minuten eine Klangcollage aus Geräuschen, Stimmen und Musik, die zu einem stimmungsvollen Berlin-Porträt verschmelzen. Drehorgel mischt sich mit S-Bahn-Gerumpel, vorübereilende PassantInnen, Sprachfetzen und brodelnder Verkehr übertönen gedämpftes Glockenspiel.

Berliner Flair ganz anderer Güte prägt auch "Die Regimentstochter", wenn auch unter gänzlich anderen Vorzeichen. 36 Berliner Opernprogramme aus dem "Dritten Reich" hat die Künstlerin in dieser seriellen Arbeit hinter Glas gebracht. Das Besondere dabei: dort, wo auf dem Titelblatt einst das Hakenkreuz "prangte", befindet sich nur mehr ein Loch. In der Leerstelle des eliminierten Schreckenssymbols scheint das Unheil einer ganzen Ära eingebrannt.

Die Allmacht der inneren Bilder zu entfesseln, ist ein Signum von Tacita Dean. Dabei macht es in der Wirkung keinen Unterschied, für welches Medium sie sich gerade entscheidet oder wie so oft in ihrer Kunst Film, Standbild, Fotografie und Malerei miteinander verschränkt. In der sorgsam durchdachten ästhetischen Inszenierung und unaufdringlichen Poesie entwickeln Deans 16-mm-Filme, ihre überarbeiteten Fotos und gefundenen Bilder eine Kraft, die die ungeteilte Aufmerksamkeit der BetrachterInnen einfordern und absorbieren.

Angefangen mit den monumentalen Fotografien frühzeitlicher Dolmen und Hünengräber, von der Künstlerin aus dem ursprünglichen Kontext herausgelöst und mit schwarzem Tafellack übermalt, bis hin zum 16-mm-Film wartet die Ausstellung "In My Manor" mit einigen Überraschungen auf. Eindrucksvoll die filmische Dokumentation über den Verfall des "Block Beuys" im Hessischen Landesmuseum Darmstadt ("Darmstädter Werkblock"), der zum hintersinnigen Kommentar über die Konservierbarkeit von Kunst gerät. Und dabei zwangsläufig mit den zahlreichen Anspielungen auf die Vergänglichkeit eines der Lieblingsthemen von Tacita Dean ins Bewusstsein hebt.

Von größter Sensibilität zeugt auch das fast zärtliche Porträt des verstorbenen Dichters und Übersetzers Michael Hamburger, das nur wenige Monate vor seinem Tod im Jahr 2007 in seinem alten Haus mit dem alten Obstbaumgarten in Suffolk entstand. Auch das Ende 2008 entstandene stumme Film-Loop "Prisoners Pair" erzählt mit verführerisch schönen Nahaufnahmen eingelegter goldgelber Birnen hinter schimmerndem Glas vom Verrinnen der Zeit, von Schönheit und Verfall und nicht zuletzt von der einprägsamen Art Tacita Deans, sich durch die subtile Sinnlichkeit ihrer Kunst über Elementares mitzuteilen.


Tacita Dean - "In My Manor"
Noch bis zum 15.02.2009
Villa Oppenheim, Galerie für Gegenwartskunst
Schlossstraße 55
Öffnungszeiten: Di-So 11 bis 17 Uhr, Eintritt frei.
www.villaoppenheim.de

Weitere Infos zur Künstlerin finden Sie unter: www.tacitadean.net


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Beitrag vom 28.01.2009

AVIVA-Redaktion