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AVIVA-BERLIN.de im März 2024 - Beitrag vom 29.06.2006


Kino über Kino
Karin Effing

"Schiffe aus Wassermelonen" des türkischen Regisseurs Ahmet Uluçay zeigt die Sehnsüchte zweier Jungen, die sich um die bewegten Bilder und die Liebe bewegen. Liebevoll beobachtet und inszeniert




Wie seine beiden jugendlichen Protagonisten, Recep und Mehmet, baute sich auch der Regisseur seine eigenen Filmprojektoren, um gesammelte Filmreste anschauen und vorführen zu können. Der Autodidakt Ahmet Uluçay trat mit zahlreichen, auf Festivals gezeigten und mit Preisen ausgezeichneten Kurzfilmen, in Erscheinung. Schiffe aus Wassermelonen ist sein erster abendfüllender Spielfilm.

Ort des Geschehens ist das anatolische Dorf Tepecek. Zeit der Handlung: die 60er Jahre. Und die Jahreszeit ist der endlos scheinende Sommer, durch den sich die Bevölkerung träge und gelassen bewegt. Recep, sozusagen der Assistent des Melonenverkäufers - der hinter einem Berg der erfischenden Früchte sitzt und die Geschehnisse der dörflichen Gemeinschaft beobachtet - ist der eine der beiden cineastischen Freunde. Der andere im Bunde: Mehmet, ein Friseurlehrling, der mit wenig Freude seine Ausbildung bei einem genauso freudlosen Meister absolviert.

Zukunftsperspektive scheint ein Fremdwort für diese beiden unbehausten Gestalten zu sein. Sie haben jedoch einen großen Traum, den sie gemeinsam und diszipliniert verfolgen. Das Kino hat es ihnen angetan. Sie möchten die Bilder in Bewegung versetzen, was ihnen erst nach unsäglichen Mühen gelingt. Helfer dabei ist der "Dorftrottel", wenn sie versuchen mit schnellen Handbewegungen die Mechanik des Malteserkreuzes, dessen Funktionalität sie noch nicht durchschaut haben, zu ersetzen.

Ahmet Uluçay inszeniert dies alles mit einem zärtlichen Blick. Ruhig und verträumt bewegt sich der Film. Beobachtet werden zauberhafte Momente, nur angedeutet, wenn sich der Brustkorb des verstorbenen Großvaters zu heben und senken scheint. Auch die menschliche Wahrnehmung, durch das Erlebnis Kino verändert, tastet er ab. Manchmal verliert Uluçay dabei die Dimensionen und überzieht ein bisschen, was dem Charme des Films jedoch keinen Abbruch tut.

Schiffe aus Wassermelonen wurde mit dem TV-Spielfilm Preis auf der Cologne Conference 2005, der Auszeichnung Best Film auf dem Istambul International Film Festival 2004 und dem Special Jury Prize auf dem San Sebastian International Film Festival 2004 geehrt.

Zum Regisseur:
Ahmet Uluçay
wurde 1954 in Tepecik, einem Dorf in der Nähe von Tavsanli in der Türkei geboren. Seine Kenntnisse eignete er sich als Autodidakt an. Er drehte in den vergangenen zehn Jahren zahlreiche preisgekrönte Kurzfilme. Schiffe aus Wassermelone ist sein Spielfilm-Debüt.

AVIVA-Tipp: Schiffe aus Wassermelone von Ahmet Uluçay ist ein Film über Freundschaft, die erste Liebe, das Kino und die Sehnsucht nach Ausdruck und Perspektive. Umgesetzt mit einem geradezu sanften Humor, dem Spiel mit den Elementen und Genres des Kinos und einer vitalen Musik.


Schiffe aus Melonen
Türkei 2004, 97 min.
Regie und Buch: Ahmet Uluçay
DarstellerInnen: Fizuli Caferof, Mustafa Çoban, Gülayse Erkoç, Hasbiye Günay, Kadir Kaymaz, Ismail Hakki Taslak
Kamera: Ilker Berke
Musik: Alper Tunga Demirel, Ender Akay
Verleih: Movienet Film
Kinostart: 29.06.06



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Beitrag vom 29.06.2006

AVIVA-Redaktion