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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 24.09.2003


Sir Sean Connery und die Liga der zweitklassigen Schauspieler
Kirsten Böttcher

Sämtliche fiktiven Draufgänger und Wundergestalten vereinen sich zur gemeinschaftlichen Mission für die Menschheit: Kann das gut gehen? BLADE-Regisseur Norrington startet einen filmischen Versuch...




London, im Jahre 1899: Es ist Sommer und die Vogelperspektive verspricht eine Stadt im tiefsten novembergrau, voller drohende Gewitterwolken am Himmel, untrennbar mit den Rauchwolken der industrialisierten Welt verschmolzen. Man spürt sofort: das Empire braucht Hilfe...

Romanlegenden sterben tausend Tode für die Rettung Europas
Eine Gruppe unbekannter Fortschrittsfanatiker, angeführt vom maskierten "Phantom", die bereits über Maschinengewehre und Panzer verfügt, stachelt Deutschland und England gegeneinander auf, so dass Krieg in Europa droht. Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen sowie eine (Quoten-) Frau erhalten daraufhin scheinbar vom Empire den Auftrag, die Präsidenten der Länder auf einer in Venedig geplanten Konferenz zu beschützen und die böse Macht aufzuhalten.

Als Anführer dieser Special Force wird der alternde Jäger Alan Quatermain (niedlich in seiner speckigen Lederweste: Sean Connery) aus seiner Afrika-Idylle gerissen, um die anderen Mitglieder zu rekrutieren. Darunter fallen beispielsweise der unsichtbare Rodney Skinner, Mr. Hyde (- und somit auch irgendwie Dr. Jekyll), der Dandy Dorian Gray, Miss Mina Harker, die mit Draculas Eckzahneinschlägen geziert wurde, der Klischee-Ami Agent Sawyer sowie der harthölzerne Kapitän Nemo.

Auch Supermänner haben ihr Päckchen zu tragen
Da diese Superelite der halbmenschlichen Rasse nur drei Tage Zeit hat, Venedig und die Konferenz vor den Anschlägen zu beschützen, lässt Nemo sein fixes U-Boot Nautilus auftauchen, das - ungelogen - die Ausmaße eines flachgelegten Wolkenkratzers einnimmt und trotzdem in Venedig haarscharf unter den Brücken hindurchgleitet. Auch der Karnevalfeiernden Bevölkerung scheint dieser "Säbel des Meeres", der da mal kurz zwischen den Gondelchen einparkt, keines verwunderten Blickes würdig.

Die prinzipiell spannende Idee der Comicvorlage von Alan Moore, berühmte Romanhelden in ein gemeinsames Abenteuer zu verstricken, zwingt jedoch BLADE-Regisseur Norrington dazu, jedem Mitglied der Liga eine Szene einzuräumen, indem es seine ungewöhnliche Gabe präsentiert. Daran hängen andererseits Persönlichkeitskonflikte oder Traumata, die es in diesem Film gilt, in möglichst nichtssagenden Dialogen minimal zu touchieren: Quatermain beispielsweise glaubt, am Tod seines Sohnes Schuld zu sein und verarbeitet seinen Konflikt am jungen Sawyer mittels Schiessübungen, Dorian Gray hat Angst vor seinem Bild, Dr. Jekyll hadert dauernd mit seinem buckligen Alter Ego.

Dorian Grays Kalenderspruch: Imperien zerfallen immer!
Letzten Endes geht es nicht wirklich um die Rettung der Konferenz, sondern eher um pervertierte Szenarien eines fortschrittshörigen, kapitalistischen Systems - sozusagen: Was wäre, wenn wir unsere Romanhelden(-wundergaben) kaufen könnten? - und um den nie verblassenden Traum der Weltherrschaft, bzw. Unsterblichkeit.

Der Film leidet schrecklich unter seinen Dialogen und den vielen Bruchstellen in der Logik. Die zahlreichen Hau-drauf- und Actionszenen, plus einiger Überraschungen im Plot helfen andererseits, die platten Witze kurzfristig zu verdrängen. Eine potentielle Zusatzbeschäftigung könnte die Suche nach Affinitäten zu anderen Filmen bieten, beispielsweise erinnerte Mr. Hyde in seiner Hemd zerfetzenden Transformation an den wütend gewordenen Hulk.




Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen
(The League of Extraordinary Gentlemen)

20thCentury Fox: USA 2003, 105 min.
Stephen Norrington
Mit Sean Connery, Naseeruddin Shah, Peta Wilson, Tony Curran, Shane West, Stuart Townsend, Jason Flemyng, Richard Roxburgh u.a.
Buch: James Dale Robinson nach der Comicvorlage von Allan Moore und Kevin O´Neill
FSK: ab 12 Jahren
www.die-liga-der-aussergewoehnlichen-gentlemen.de


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Beitrag vom 24.09.2003

AVIVA-Redaktion