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AVIVA-BERLIN.de im März 2024 - Beitrag vom 12.04.2017


Pat Appleton - A Higher Desire
Silvy Pommerenke

Pat Appleton lässt sich Zeit. Ganze sechs Jahre ist es schon wieder her, dass sie mit ihrem zweiten Solo-Album "Mittendrin" glänzte. Nun hat die Berlinerin ein fantastisches Jazz-Album herausgebracht und entfaltet darauf ihre Alt-Stimme aufs Beeindruckendste!




In einem Interview vor einigen Jahren sagte Pat Appleton, dass sie sich den Jazz für die Zeit im Alter von Siebzig plus aufsparen würde. Glücklicherweise hat sie sich nicht daran gehalten und schon weit vorher ein Jazz-Album aufgenommen. Wenngleich sie natürlich auch während ihrer Zeit mit De-Phazz, The Nighthawks und auf ihren beiden vorherigen Solo-Alben mit ihrer Lounge- und Soul-Musik nicht sonderlich weit entfernt vom Jazz war. Nun hat sie sich wieder der englischen Sprache angenommen (das Album "Mittendrin" war komplett auf Deutsch eingesungen und hatte bei den Hörerinnen und in der Fachpresse für Begeisterung gesorgt) und das Ergebnis überzeugt einmal mehr.

Dabei ist das neue Projekt fast zufällig entstanden, denn Pat hat vier Musiker (Michael Kersting, Olaf Casimir, Sebastian Weiss, Martin Auer) kennengelernt, die alle im Kreuz-Kölln-Kiez wohnen. So trafen sie sich regelmäßig über eineinhalb Jahre zum Proben, und dabei ist nun "A Higher Desire" herausgekommen. Natürlich weit von traditionellen Jazzstandards entfernt – dafür ist Appleton einfach zu unangepasst und zu eigenwillig in ihrer künstlerischen Arbeit – aber dennoch sehr eingängig und ideenreich in der Umsetzung. Sie fuhr nach der Probenzeit mit ihren Musiker-Kollegen und zehn Songs im Gepäck nach Polen und – O-Ton Appleton - "wir haben das Album dann in drei Tagen reingekloppt". Die Melodien des Albums sind eher einfach gehalten, dafür wurden die Texte komplizierter gestaltet, "damit die auch zum Denken anregen". Von daher ist die neue CD erwachsener geworden als die Vorgängeralben. Als "Herzenssache" bezeichnet Pat Appleton ihre dritte Solo-Arbeit, weil sie ihre Stimme einmal zur vollen Geltung bringen wollte, so natürlich wie möglich, ohne elektronische Untermalung oder gar Verfremdung. Deswegen sind auf "A Higher Desire" auch explizit analoge Instrumente zu hören wie Schlagzeug, Kontrabass, Klavier oder Trompete.

"Die Initialzündung für ein neues Album ist immer die Krise" sagt Appleton und führt als Gründe dafür Politik, Terror, Beziehungen, Alltagslärm oder Internet-Abhängigkeit an. Wenn Krisen allerdings so produktiv und kreativ bearbeitet werden, dann darf Miss Appleton gerne weiterhin Krisen haben (was ihr natürlich nicht wirklich zu wünschen ist).

Und natürlich steht hinter jedem Song auf dem neuen Album auch eine Geschichte. Typisch für Appleton, die ihre humorvolle und ironische Art auch auf ihre Musik überträgt, so hat der Titelsong "A Higher Desire" die unerfüllte Liebe zwischen dem Trauerschwan Petra und einem Tretboot zum Inhalt (Sie erinnern sich: zwischen 2006 und 2008 ging diese dramatische Liebesgeschichte aus dem Münsteraner Aasee um die Welt). Aber natürlich lässt sich der Inhalt auch auf andere fehlgeleitete – und scheinbar fremdbestimmte – Amouren oder andere Besessenheiten in welcher Form auch immer übertragen. "Peach Blossom" – ein nachdenkliches Lied, dessen Intro sich auf Piano und gestrichenen Bass konzentriert, bis dann sukzessive weitere Instrumente hinzugefügt werden, wodurch sich nach und nach ein kraftvoller Song entwickelt, der gegen Ende wieder langsam ruhiger wird. Beim Titel "Abstract" gibt Appleton – wie in vielen ihrer Songs – kluge Ratschläge: "think first then act". Als Jazz-Ballade entpuppt sich "Other People´s Lives""The Blame Game" ist mit Abstand wohl das dynamischste Lied auf dem neuen Album. Durchaus tanzbar mit einem eingängigen Refrain und der Aufforderung, das eigene Leben zu ändern. Und auf dem Song "Paradise" klingt Appleton stellenweise so eindrucksvoll wie Shirley Bassey.

Und damit ist das breite Spektrum von Pat Appleton noch nicht komplett, denn sie ist auch eine hervorragende Gospel-Sängerin. Das beweist sie in einem Video-Clip, den sie vor ein paar Jahren für das RBB Heimat Journal auf dem St. Matthäus Kirchhof gedreht hat (nachzuhören auf ihrer Facebook-Seite).

AVIVA-Tipp: Pat Appleton hat ein großartiges und ausgereiftes Jazz-Album herausgebracht, das ihre stimmliche Stärke mit ausdrucksvollen Texten vereint. Begleitet wird sie von modernen Jazz-Musikern, die die Sache zu einem runden Ergebnis bringen. Dafür hat sich das jahrelange Warten auf ein neues Album definitiv gelohnt!

Pat Appleton
A Higher Desire

Label: Edel:content (Edel)
VÖ: April 2017

Pat Appleton im Netz: www.pat-appleton.com und auf Facebook

Pat Appleton auf der Bühne:

17.06.2017 Fritzlar, Kulturscheune Fritzlar
04.08.2017 Bremen, Haus am Walde

Weiterhören auf AVIVA-Berlin:

Pat Appleton - Mittendrin Rock, Jazz, Pop, Soul und Frauenpower hoch zehn. Die ehemalige De-Phazz Frontfrau legt mit ihrem zweiten Soloalbum einen hochkarätigen Mix aus Poesie und Musik mit teilweise selbstkomponierten deutschen Texten vor. (2011)

Pat Appleton – What`s next
Die einstige Leadsängerin von De-Phazz tauscht auf ihrem Debutalbum ihr Cocktailkleid gegen Marlenehosen und Turnschuhe. Dies allerdings nur auf dem Titelcover, denn die Musik ist immer noch eine Melange aus Pop, Soul und Lounge, wobei ein wenig mehr akustische Instrumente hinzugefügt wurden und Miss Appleton ihre Songwritereigenschaften deutlich unter Beweis stellt. (2007)

Pat Appleton im Interview
Die ehemalige Frontfrau von De-Phazz begeht neuerdings Solopfade. Das wurde auch längst mal Zeit! AVIVA-Berlin traf die super sympathische Sängerin in ihrer gemütlichen Altbauwohnung. Neben den Themen Musik, Umweltverschmutzung und Renovierungstipps wurden Kochrezepte ausgetauscht und die Redakteurin mit leckerem Streuselkuchen gefüttert. Die entspannte Atmosphäre trug zu einem sehr ungewöhnlichen Interview bei. (2007)


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Beitrag vom 12.04.2017

Silvy Pommerenke