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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 19.10.2010


Graziella Schazad - Feel Who I Am
Yasmine Georges

Das erste Album von Newcomerin Graziella Schazad gleicht einem Baum, den man hinaufklettern kann. Mit vielen Verzweigungen, die wohlklingende Schätze bergen und farbenfrohen Ästen...




..., die zum Mitswingen einladen. Ein Baum, der musikalische Obstsorten aller Art beheimatet und mit der ein oder anderen exotischen Frucht überrascht.


Ein Baum ziert auch die Rückseite ihres Debütalbums, dessen Artwork die Künstlerin selbst entworfen hat. Ein unsymmetrisches Gebilde, welches mit bunten Blättern das musikalische Erlebnis von "Feel Who I Am" ankündigt. Graziella Schazad legt sich nicht gern fest. Zumindest nicht musikalisch. Ihre CD kann man nicht in eine Sparte pressen. Dafür ist das Debüt zu vielfältig, zu undefinierbar. Es vereint Folk und Pop, hinzu kommen Balladen und ein wenig Country - Graziella Schazad mischt zusammen was nur irgend geht und kreiert so ihren unverwechselbaren Stil.

Auch ihr Lebenslauf ist alles andere als geradlinig. Der Vater ist Afghane, die Mutter kommt aus Polen, ihr Vorname aus Italien und sie selbst aus Berlin. Graziella wächst in schwierigen Familienverhältnissen auf. Sie hat keinen Zufluchtsort, da die Angehörigen nicht in Deutschland leben. Also zieht sie ruhelos umher. Graziella übersteht all das, aber einige Narben bleiben. Die Unsicherheit und das Gefühl von Heimatlosigkeit hat sie nicht vergessen. Diese Erlebnisse verarbeitet sie in ihren Songs.

Wenn sie beruhigend singt: "I keep telling myself, don´t be so scared, we´ll manage to survive, we´ll grow old together, and live a long and happy life", dann ist es, als würde sie sich selbst trösten wollen und das Kind in ihr in den Arm nehmen. "Vielleicht ein Song von 40 handelt nicht von meinem Innenleben, es ist einfach das Thema, das raus will.", sagt sie dazu und nimmt die HörerInnen mit auf eine Reise der etwas anderen Art.

Mit Reisen kennt sich die 27-Jährige gut genug aus. Seit sie mit 17 die Schule schmiss, ist sie unterwegs. Das Berliner Bach-Gymnasium förderte das junge Talent der Sängerin zwar, doch Graziella fühlte sich eingeengt, zu klein war der kreative Spielraum: Sie verlässt das auf instrumentale Fertigkeiten konzentrierte Musikgymnasium und geht ihrer eigenen Wege. Die Eltern lehnen sich auf, doch Graziella hat sich längst für die Musik entschieden. Bereits im Alter von drei Jahren wünscht sie sich ein Klavier. Doch die Eltern können ihr diesen Traum nicht erfüllen. Als Graziellas Mutter auf den Aushang "Gitarre lernen ab drei" stößt, schickt sie die Tochter kurzerhand zum Unterricht. Wie der Zufall so spielt, ist die Frau des Gitarrenlehrers eine Geigenlehrerin, und so kommt mit vier Jahren die Violine hinzu. Mit Neun bekommt Graziella endlich ihr Klavier, und es folgen noch weitere Instrumente.

Doch um ihren Traum zu verwirklichen muss Graziella noch einige Hürden nehmen. Nach einer kurzen Phase der Resignation entschließt sie sich dazu, in Hamburg den Neuanfang zu wagen. Sie jobbt unter anderem als Kellnerin und Stewardess. Nach 26 Flügen ist genug Geld beisammen um sich nur auf die Musik zu konzentrieren. Allein im Jahr 2008 spielt Graziella über 70 Konzerte, die sie alle selbst organisiert.

Als das Label Warner Music Entertainment bei ihr wegen eines Demobandes anfragt, packt sie ihre Instrumente und macht sich auf den Weg. Wenig später hat Graziella den Plattenvertrag in der Tasche, ihre Single "Look at me" wird 2009 ein Sommerhit. Und nach über einem Jahr intensiver Arbeit liegt nun auch das Debütalbum vor.

Ihr Cover des Nummer-Eins-Hits "Take on me" von a-ha ist eines der wenigen ruhigen Lieder auf der CD. Die meisten sind fröhlich gehalten, was im Gegensatz zu den ernsthaften Inhalten steht. "´Cause now I have no choice, but suffering your pain", singt Graziella auf "Pain" zu einer sonnigen Melodie. Wenn man nicht genau hinhört, klingt das ganze Album bis auf ein paar Tracks unbekümmert. Die Virtuosität Graziellas scheint rein instrumentaler Natur zu sein. Doch das täuscht, spätestens beim zweiten Hören wird klar, dass die Sängerin mit "Feel Who I Am" zurecht den Anspruch erhebt, ihr Seelenleben vertont zu haben.

Den Großteil ihrer Songs hat sie selbst geschrieben, bei Titeln wie "Inner Peace", hat sie sich Unterstützung geholt. Darunter Co-Autor Chris Braide, der für James Morrison schreibt. Dennoch hat man bei keinem der dreizehn Songs das Gefühl, er handele nicht von der Künstlerin selbst. "If you keep analyzing me with your mind, you won´t see more than someone who is blind [...] Looking just at me is looking right through me, close your eyes and feel who I am", bittet sie auf dem Opener "Feel Who I Am". Sie öffnet sich mit jeder Zeile ein wenig mehr, und verlangt von den HörerInnen, um die Ecke zu denken. Die Botschaft bleibt trotz ihrer Authentizität universell. Graziella Schazad singt über sich selbst und erzählt doch bekannte Geschichten. Der Zauber ihres Debüts besteht darin Altbekanntes ganz neu zu interpretieren und damit anzurühren. Die Sängerin hat einen Baum gepflanzt, der wohl noch lange Früchte tragen wird.

AVIVA-Tipp: Die erste Platte von Graziella Schazad ist ein kleines Wunder. Selten weicht eine Newcomerin so bewusst von den Vorlagen des gewählten Genres ab, wie die Wahlhamburgerin es tut. Sie lädt ihre HörerInnen in unterschiedlichste Klangwelten ein und präsentiert sich wunderbar wandelbar.

Graziella Schazad
Feel Who I Am

Label: Warner Music Entertainment, VÖ: 15.10.2010

Weitere Informationen zur Künstlerin finden Sie unter:
www.graziellaschazad.com

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"Alela Diane - To Be Still"

"Heather Greene - Sweet Otherwise"

(Quellen: Warner Music Entertainment)


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Beitrag vom 19.10.2010

AVIVA-Redaktion