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AVIVA-BERLIN.de im März 2024 - Beitrag vom 09.06.2008


Franziska zu Reventlow – Die anmutige Rebellin. Von Gunna Wendt
Andrea Petzenhammer

Zum 90. Todestag der Gräfin Franziska zu Reventlow am 26. Juni 2008 erscheint beim Aufbau-Verlag ihre Biographie mit zeitgenössischen Texten. Eine Hommage an die Unabhängigkeit der Frauen




Als die Schriftstellerin und Ausstellungsmacherin Gunna Wendt Anfang der 80er Jahre von einer Freundin die gesammelten Romane von Franziska zu Reventlow erhielt, zogen sie die Prallelen zu ihrem eigenen Leben sofort in ihren Bann. Auf diese Anregung hin veröffentlichte sie im Frühjahr 2008 eine umfangreiche Biographie, die sich auf die ausführlichen Tagebücher und die umfangreiche Korrespondenz der Gräfin zu Reventlow stützen.

"Fanny" wurde 1871 als fünftes von sechs Kindern in eine protestantische Adelsfamilie geboren und litt schon früh unter ihren konservativen Eltern. Ihr eigenwilliges und künstlerisches Gemüt trieb sie nach einigen ungewollten Irrwegen durch protestantische Mädchenanstalten und Pfarrershäusern aus der Obhut der Familie, sie flüchtete 1893 nach München, um sich zur Malerin ausbilden zu lassen.
Obwohl ihre Familie drohte, sie wegen "Tobsucht" auf dem Klageweg zu entmündigen und sie aus jeder familiären Sicherheit ausschloss, weigerte sich Franziska zu Reventlow standhaft, die Rolle der "Tochter aus gutem Hause" zu spielen.

"Ich schreibe nur, damit ich ein Auskommen habe."

Häufig stand die lebenslustige Gräfin kurz vor dem finanziellen Ruin, insbesondere da Frauen keine weiteren Berufe als "Lehrerin" zugestanden wurden. Zweimal versuchte sie, ihre wirtschaftlichen Probleme durch Heirat zu lösen. Doch Franziska zu Reventlow konnte mit den gängigen Moralvorstellungen nichts anfangen: "...ich habe soviel Liebe zu geben, warum will nun jeder sie für sich allein haben." Sie versuchte sich als Schriftstellerin, Malerin, Glaskünstlerin und als Prostituierte. Letztere Tätigkeit hatte einen besonderen Reiz für Fanny und gleichzeitig konnte sie damit ihr notorisch zu knappes Einkommen aufbessern. Das Schreiben an ihren Büchern "Ellen Olestjerne" (1903), "Herrn Dames Aufzeichnungen" (1913) oder "Der Geldkomplex" (1916) empfand sie, wie jede andere Arbeit, immer als notwendiges wirtschaftliches Übel. Dennoch äußerte sie bereits mit 27 Jahren emanzipatorische Gedanken, die ein gesellschaftliches Umdenken im Umgang mit weiblicher Berufstätigkeit und Sexualität forderten.

Alleinerziehende Mutter, Schriftstellerin, Künstlerin, Prostituierte

Ihre einzige "lebenslange Liebe" war ihr Sohn Rolf, den sie mit 25 Jahren zur Welt brachte. Trotz ihrer zahlreichen Liebschaften, aus denen auch einige Schwangerschaften entstanden, blieb er ihr einziges Kind. Den Vater hat sie nie erwähnt und ihrem Kind war sie eine aufmerksame und fürsorgliche Mutter. Franziska zu Reventlow kämpfte ihr Leben lang mit schwerer Krankheit, Klinkaufenthalten und Fehlgeburten, und stand doch bis zu ihrem Lebensende auf eigenen Beinen. Bereits der Zeitgenosse und Verehrer Rainer Maria Rilke bemerkt, das Leben der Franziska zu Reventlow sei "eins von denen, die erzählt werden müssen."

AVIVA-Tipp: Die ausführlichen Tagebücher und die umfangreiche Korrespondenz geben intime Einblicke in ein Leben vor und während dem 1. Weltkrieg. Autorin Gunna Wendt zeichnet ein starkes Bild einer unbestechlichen Frau, die nicht bereit war, sich in eine Gesellschaft einzufügen, die sie als ungerecht empfand. Erfolgreich etablierte Franziska zu Reventlow sich in der Münchner Künstlerszene und konzentrierte sich vor allem darauf, sie selbst zu sein. Auch heute bleibt die Geschichte der "Skandalgräfin" und "Femme fatale" gesellschaftlich relevant. Obwohl die Werte der bürgerliche Gesellschaft von 1900 heute eher belächelt werden, können auch moderne Frauen, die ihre Sexualität offen ausleben oder sich prostituieren, nicht mit allzu viel Verständnis rechnen.

Zur Autorin: Gunna Wendt (geb. 1953) lebt als Schriftstellerin und Ausstellungsmacherin in München. Neben ihren Arbeiten für Theater und Rundfunk schreibt sie Kurzgeschichten und Essays. Wendt hat bereits mehrere KünstlerInnenbiographien von prominenten Frauen aus dem 20. Jahrhunderts veröffentlicht, unter anderem über Maria Callas, Paula Modersohn-Becker und Clara Rilke-Westhoff. Weitere Informationen und Kontakt zur Autorin finden Sie auf ihrer Website
gunnawendt.homepage.t-online.de.

Gunna Wendt
Franziska zu Reventlow – Die anmutige Rebellin

Aufbau-Verlag, erschienen 2008
Gebundene Ausgabe, 317 Seiten, mit 26 S/W-Abbildungen
Ausführlicher Anhang inkl. Chronik und Literaturverzeichnis
ISBN 978-3-351-02660-8
24,95 Euro


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Beitrag vom 09.06.2008

AVIVA-Redaktion