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Beitrag vom 07.08.2014
Tuula Karjalainen -Tove Jansson. Die Biografie
Doris Hermanns
Die Mumins machten sie weltbekannt, aber die nun zum 100. Geburtstag ihrer Erfinderin Tove Jansson erschienene erste Biografie auf Deutsch zeigt auf, wie vielfältig und umfangreich ihr Werk ist.
Ihr Lebensmotto war "Arbeit und Liebe" – und ihre Arbeit stand für sie immer an erster Stelle: "Sie schuf, malte, zeichnete und schrieb in einem Umfang, der dem Lebenswerk gleich mehrerer Künstler zur Ehre gereicht hätte." Zudem waren ihre Kreativität und ihre Kunst sehr vielfältig, ihre Schaffenskraft enorm: "Bilder, Märchen, Erzählbände, Romane, Theaterstücke, Gedichte, Lieder, Bühnenbilder, Monumentalgemälde, Illustrationen und Werbebilder gehörten ebenso dazu wie politische Zeichnungen und Karikaturen."
Die finnlandschwedische Künstlerin Tove Jansson wurde 1914 in einer KünstlerInnenfamilie geboren, der Vater war Bildhauer, die Mutter Illustratorin, sie war es, die für das Familieneinkommen sorgte. Kunst, immer wieder Neues zu schaffen war der Mittelpunkt im Leben der ganzen Familie. Tove Jansson wuchs sowohl mit den Geschichten ihrer Familie mütterlicherseits als auch mit Bildern auf, beides sollte sie und ihr Werk grundlegend für ihr Leben prägen.
Prägend war aber auch, wie sie ihre Mutter und andere Frauen von KünstlerInnen erlebte: Sie führten als Künstlerinnen ein Leben im Schatten ihrer Männer. Und genau das wollte sie nicht, auch wenn Leben und Arbeit für sie immer eng verknüpft waren. So kannte sie es aus ihrer Familie und so lebte sie es auch. Die Motive, die sie malte und in ihren Erzählungen beschrieb, stammten aus ihrem eigenen Umfeld, ihren FreundInnen, ihren Inseln, auf denen sie alle Sommer verbrachte, ihren Reisen und ihren persönlichen Erfahrungen.
Bereits als Vierzehnjährige wurden ihre ersten Zeichnungen veröffentlicht. Aufträge für andere Zeitungen folgten schnell, ebenso wie ihre ersten Comics. Die Schule hatte sie bereits früh verlassen und studierte in Stockholm, Helsinki und Paris, immer auf der Suche nach ihrem eigenen Weg. Schnell wurde sie als vielversprechendes Talent wahrgenommen.
Lange arbeitete sie für die liberale Zeitschrift Garm, für die auch ihre Mutter Illustrationen angefertigt hatte. Dort veröffentlichte sie während des Zweiten Weltkriegs, während in Finnland öffentliche Kriegsverherrlichung an der Tagesordnung war, politische Zeichnungen, die von ihrem abgrundtiefen Kriegshass, ihrem Antifaschismus und Pazifismus gekennzeichnet waren. Damit bewies sie großen Mut, während andere sich mit ihren Ansichten aus Angst vor einer möglichen Besatzung durch das faschistische Deutschland bzw. der Sowjetunion zurückhielten, aber dadurch war die Zeitschrift auch immer wieder von der Zensur bedroht. Auch nach dem Krieg blieben ihre Illustrationen politisch und behandelten die verschiedensten Alltagsprobleme in Finnland.
Während des Zweiten Weltkrieges erschuf sie die Mumins. Hatte sie sich mit dem Mumintal erst nur einen Weg aus der Trostlosigkeit des Kriegsalltags, eine kurzzeitige Zuflucht in eine paradiesische Gegenwelt für sich selber schaffen wollen, so wurden ihre Comics ab 1947 in Finnland veröffentlicht. Nachdem sie ab 1954 in den Londoner Evening News publiziert wurden, wurden sie weltbekannt. Diese wurden zeitweilig in 40 Ländern gleichzeitig veröffentlicht und erreichten damit ein Lesepublikum von etwa 20 Millionen. Inzwischen ist im Laufe der Jahre eine ganze Mumin-Industrie entstanden, die nicht nur die Comics und Bücher umfasst, sondern z.B. auch Theaterstücke, Verfilmungen und den Themenpark der Mumin-Welt an der Westküste Finnlands.
Nach Ablauf ihres Vertrages mit der Evening News übernahm ihr Bruder, mit dem sie bis dahin bereits eng zusammen gearbeitet hatte, die Comics, während Tove Jansson sich wieder mehr der Malerei und Buchillustrationen zuwandte.
In ihrer zweiten Lebenshälfte schrieb Tove Jansson Novellen und Romane für Erwachsene, wunderbare Kleinode, poetisch und brillant erzählt. Ab 1946 lebte sie ihre Liebesbeziehungen mit Frauen bereits offen, obwohl Homosexualität in Finnland noch bis 1971 als Verbrechen galt und bis 1981 als Krankheit. Durch diese Offenheit wurde sie zu einem Vorbild für Homosexuelle. Mit Tuulikki Pietilä, ebenfalls eine bildende Künstlerin, lebte sie ab 1955 zusammen. Mit ihr konnte sie endlich ihre Vorstellung einer Liebesbeziehung, von zwei selbständigen, sich ergänzenden und gemeinsam arbeitenden Menschen leben. Während sie im Sommer gemeinsam auf einer Insel im finnischen Schärengarten lebten, hielten sie sich im Winter in Helsinki auf, wo sie getrennte Ateliers hatten.
Auch wenn einige Interpretationen der Biografin fraglich sind, so ob Tove Jansson wirklich in ihrer Kunst von der Meinung ihres Vaters abhängig war und ob die Mutter wirklich die große Liebe im Leben ihrer Tochter war, was bei einer über dreißigjährigen Liebesbeziehung mit einer anderen Frau mehr als merkwürdig anmutet, so ist ihr dennoch eine umfassende Biografie gelungen, die durch die unzähligen Abbildungen bereichert wird, die einen guten Eindruck in das Werk der Künstlerin geben, seien es ihre Bilder, die Comics oder auch die Karikaturen.
AVIVA-Tipp: Wie auch das Werk von Tove Jansson ist diese umfangreiche Biografie eine gelungene Verbindung von Bild und Wort. Sie macht auf ihre Arbeiten neugierig, sei es nun ihre bildende Kunst, ihre Comics oder ihre Erzählungen für Erwachsene, von denen zahlreiche noch nicht ins Deutsche übersetzt worden sind. Bleibt zu hoffen, dass dies bald nachgeholt wird.
Zur Autorin: Tuula Karjalainen, 1942 geboren, ist Kunsthistorikerin und Fachbuchautorin und war u.a. Leiterin des Kunstmuseums Helsinki und des Kiasma-Museums für zeitgenössische Kunst. Sie promovierte über die Anfänge der abstrakten Malerei in Finnland und war als Forscherin, Universitätsprofessorin und Kuratorin zahlreicher Ausstellungen tätig. (Verlagsinformationen)
Tuula Karjalainen
Tove Jansson – Die Biografie
Verlag Urachhaus, erschienen 2014
Gebunden. 352 Seiten mit 150 Abbildungen.
Aus dem Finnischen von Anke Michler-Janhunen und Regine Pirschel
ISBN 978-3-8251-7900-7
Euro 36,00
www.urachhaus.de
Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:
Tove Jansson - ein Portrait der Erfinderin der Mumins und Gründerin von Oy Moomin Characters Ltd
Website zu Tove Jansson:
www.tovejansson.com
Ausstellungen sowie Veranstaltungen, Filmvorführungen, Konzerte, Lesungen und Biographisches finden sich unter: www.tove100.com
Das Unternehmen Oy Moomin Characters Ltd, das Tove Jansson mit ihrem Bruder Lasse Ende der 1950er Jahre gründete ist im Netz unter: www.moomin.com
Weiterlesen:
Westin, Boel: Tove Jansson: Life, Art, Words. The Authorized Biography. Translation: Silvester Mazzarella. Sort of Books 2014
www.reprodukt.com
www.fembio.org