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Beitrag vom 18.05.2009
Simone Veil - Und dennoch leben. Die Autobiographie der großen Europäerin
Sharon Adler
Die französische Politikerin, Frauenrechtlerin und Auschwitz-Überlebende gewährt Einblicke in ihr berührendes privates und bewundernswertes politisches Leben. Versöhnung, Hoffnung, Integrität und...
... Mut zeichnen bis heute diese Ausnahmepolitikerin aus, die stets gegen alle Widerstände unbeirrbar ihren Weg gegangen ist.
Ebenso wie die Feministin und Schriftstellerin Simone de Beauvoir ist auch Simone Veil Symbol- und Galionsfigur der Frauenbewegung, sie war die mahnende Stimme wider das Vergessen, als die Kollaboration der Franzosen mit den Nazis und damit das Schicksal der französischen Juden totgeschwiegen wurde.
Simone Veil, das war aber auch die Privatperson, Mutter von drei Kindern, die gegen den Widerstand ihres Mannes Antoine und ihrer Vorgesetzten ihre Karriere vorantrieb.
Eine Karriere, die ihren Anfang nahm, als sie sich in der Pariser Anwaltskammer einschrieb. Seit 1946 durften Frauen auch an den Prüfungen zur Richterin oder Staatsanwältin teilnehmen. Ihren ursprünglichen Plan, Rechtsanwältin zu werden, ließ sie fallen und schlug stattdessen eine Karriere in der Staatsanwaltschaft ein.
Heute ist Simone Veil, geborene Jacob, eine der bekanntesten Politikerinnen Europas.
Sie war an der Umsetzung wichtiger Reformen beteiligt, so etwa an der Legalisierung der Abtreibung. Ihr Kampf für die "Loi Veil" ist legendär. Daneben war sie als überzeugte Vertreterin der europäischen Idee bekannt. Aber auch ihre persönliche Geschichte steht stellvertretend für die unzähligen Juden und Jüdinnen unter der deutschen Besatzung. Ihr Bruder, ihr Vater und ihre Mutter wurden in Konzentrationslagern ermordet.
Simone Veil, geb. Jacob, wurde am 13. Juli 1927 in Nizza geboren und wuchs in einem sowohl strengen als auch liberalen und behüteten jüdischen Elternhaus mit ihren drei Geschwistern auf. Auch dieser unbeschwerten Zeit widmet die Politikerin mehrere Kapitel in ihrer Autobiographie. Zurückblickend erinnert sie sich aber auch an jedes Detail der Erniedrigung und Deportation, schmerzlich ist ihr bewusst, dass sie den Verlust ihrer in der Shoah ermordeten Familie niemals verwinden wird.
Obwohl es ihrer Familie zunächst gelang, mit Hilfe von falschen Pässen weiterhin in Nizza zu leben, flog ihre Tarnung 1944 auf und Simone wurde mit einer ihrer Schwestern und der Mutter deportiert, während die dritte Schwester zunächst als Mitglied der Résistance in den Untergrund ging und erst später nach Ravensbrück deportiert wurde – und überlebte.
Aus den menschenverachtenden Umständen vor, während und auch noch nach der Deportation und dem Massenmord in den Lagern resultierte das lebenslange Streben von Simone Veil nach Autonomie und Gerechtigkeit.
Seit mehr als vierzig Jahren ist sie Vorsitzende der von Madame Pompidou gegründeten Stiftung für Behinderte und SeniorInnen.
Als französische Gesundheitsministerin in den Jahren 1974 bis 1979 machte sie sich gegen alle Sabotageversuche seitens der Kirche und Politik stark für den Kampf gegen Aids in Afrika.
Als selbsternannte "Gefängnisaktivistin" sorgte sie für Verbesserungen im Strafvollzug, und nicht zuletzt berichtet Simone Veil, von 1979 bis 1982 die erste Präsidentin des Europäischen Parlaments, in ihrer Autobiographie authentisch von Gesprächen und Begegnungen mit PolitikerInnen, darunter Hillary Clinton, Margaret Thatcher, Helmut Schmidt, Bill Clinton, Menachem Begin, Anwar al-Sadat, George Bush oder Nelson Mandela.
Unter Édouard Balladur wurde sie von 1993 bis 1995 erneut Ministerin für die Ressorts Gesundheit, Soziales und Stadtwesen und von 1998 bis 2007 war Simone Veil Mitglied des französischen Verfassungsrates.
"Une vie", "Ein Leben", so der schlicht-bedeutsame Titel der in 2007 erschienenen Originalausgabe von Simone Veil, erschienen bei Éditions Stock, Paris. Ihrem Werk vorangestellt hat die Autorin diese Widmung:
Für Yvonne,
meine in Bergen-Belsen umgekommene Mutter.
Für Papa und Jean,
die in Litauen ermordet wurden.
Für Milou und Nicolas,
die zu früh von uns gegangen sind.
Und für meine Familie,
für das Glück, das sie mir schenkt.
Simone Veil schließt ihre Autobiographie ab mit dem Gedanken an ihre heute große Familie, die sich jedes Wochenende zum Mittagessen trifft – an ihrem Geburtstag waren es siebenundzwanzig Familienmitglieder.
Zur Autorin: Simone Veil, geb. 1927 in Nizza, überlebte Auschwitz, die Todesmärsche und Bergen-Belsen, während ihr Bruder, ihr Vater und ihre Mutter getötet wurden. Sie war Ministerin für Gesundheit, Familie und Soziales und die erste Präsidentin des Europäischen Parlaments. Für ihr Engagement für die europäische Einigung wurde sie mit dem Karlspreis ausgezeichnet. (Quelle: Verlagsinformation)
AVIVA-Tipp: Ungeschminkt, nüchtern und dennoch nicht emotionslos erzählt die große Europäerin in ihrer Autobiographie von dem unbeschreiblichen Leid, von ihren politischen Erfolgen, aber auch Niederlagen. Für Simone Veil gibt es wohl nur ein Attribut: Bewundernswert.
Simone Veil
Und dennoch leben
Die Autobiographie der großen Europäerin
Originaltitel: Une Vie
Aus dem Französischen von: Nathalie Mälzer-Semlinger
Gebunden, 316 Seiten, 30 Abbildungen
Aufbau-Verlag, erschienen Frühjahr 2009
978-3-351-02677-6
22,95 Euro
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