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AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 16.04.2010


Katja Mutschelknaus - Frauen mit Geschmack
Claire Horst

Vom Vergnügen, eine gute Köchin zu sein - der Untertitel verrät, worum es in diesem liebevoll gestalteten Buch geht. Gewidmet ist es "allen guten Bratenköchinnen", was die eine oder andere ...




... Leserin sicher an die eigene Großmutter denken lässt.

Es ist jedoch kein Kochbuch, was die Journalistin und Restaurantkritikerin Katja Mutschelknaus vorgelegt hat, sondern eine Kulturgeschichte des Kochens aus weiblicher Sicht. Die Tätigkeit der Köchin wertet die Autorin bewusst auf: Hausfrauen sind in ihrer Darstellung keineswegs Hausmütterchen, die zu einem bezahlten Job nicht in der Lage sind, sondern hochqualifizierte Kochkünstlerinnen.

Zu dieser Ehrenrettung der Köchin betrachtet Mutschelknaus die Tätigkeit und Darstellung kochender Frauen in der europäischen Geschichte. Historisch betrachtet, ist das hochwertige Kochen eine Angelegenheit der höheren Schichten: "Die häusliche Küche der Frauen blieb für den größten Teil der Bevölkerung noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts in der Tradition der Armeleuteküche verwurzelt. ... Nur die Aristokratie und das städtische Patriziat verfügten anfangs über die rechtlichen und pekuniären Mittel, die es ihnen erlaubten, sich all die verlockenden Dinge in die Küche zu holen, mittels deren sich gewöhnliche Alltagsrezepturen in die Sphäre der Kochkunst erheben ließen..."

Bis ins 19. Jahrhundert hinein war die höhere Küche zudem den Männern vorbehalten. Und heute noch ist es keine Ausnahme, schreibt die Autorin, dass der "Herr des Hauses" für Gäste kocht und mit Lob überschüttet wird, während seine Partnerin - wie jeden Tag - danach versteckt in der Küche den Abwasch erledigt. Den Frauen, für die das Kochen alltägliche Arbeit ist, setzt Mutschelknaus ein Denkmal.

Illustriert mit zeitgenössischen Darstellungen des Essens und Kochens, ergänzt durch historische Rezepte, die Lust machen, sich gleich an den Herd zu begeben, erzählt Mutschelknaus ihre Geschichte weiblicher Kochkunst. Eine Hauptfigur dieser Geschichte ist etwa die "Perle", das Hausmädchen. Ihre wichtigste Aufgabe im 18. und 19. Jahrhundert war es, die Herrschaften zu verköstigen. Die Autorin versetzt ihre LeserInnen in die damalige Zeit, imaginiert den Geschmack "vom ofenwarmen Backschinken mit Honigkruste" und schildert auch die technikhistorische Entwicklung, so etwa die des Herdes.

Ein weiterer Fokus liegt auf Porträts kochender Frauen wie Philippine Welser, die im 16. Jahrhundert lebte und kochte. Die "Rose von Tirol" und Frau eines Erzherzogs hinterließ angeblich das älteste von einer Frau geschriebene Kochbuch und war als Heilkundlerin tätig. Auch Frauen, die sonst kaum Erwähnung in der Geschichtsschreibung finden, werden hier zu Protagonistinnen. Wer kennt schon Paula, die Köchin der Familie Freud, und Jeanne, die für Gertrude Stein und deren Lebensgefährtin Alice B. Toklas kochte?

Mutschelknaus bietet einen anschaulichen Streifzug durch das Europa der Neuzeit: von der englischen Aristokratie über die französische Kochschule zur Bedeutung der italienischen "Mamma als patriotisches Projekt" und der böhmischen Mehlspeisentradition - anhand der Kochkunst lassen sich ganze Gesellschaften besser durchschauen.

Mutschelknaus weckt großen Respekt für die kochenden Frauen früherer Zeiten. Ohne Fertigmischungen, ohne Kühlschrank, Mixer und Elektroherd gelang es ihnen, Gästen ein nicht selten neungängiges Menü aufzutischen. Ein bis zwei Wochen Vorbereitungszeit wurden dafür berechnet, jede Saucengrundlage musste selbst hergestellt werden. Und dennoch wurden Frauen als minderwertige Köchinnen eingestuft: "Eine Köchin kann gewiss die Tafel nie so attraktiv gestalten wie ein männlicher Berufsgenosse. Der Beruf erfordert ermüdende Arbeit, die nur ein Mann zu leisten imstande ist", das war im 19. Jahrhundert eine Begründung dafür, dass Frauen nicht in die französische Vereinigung der Berufsköche aufgenommen wurden.

Jedes Kapitel ist angereichert mit passenden Rezepten. Ob "Riz à l`impératrice" aus der klassischen höfischen Küche oder "Wachteln im Sarkophag" nach einer Novelle von Tanja Blixen, Geschichte lässt sich hier erschmecken.

AVIVA-Tipp: Trotz der fundierten Hintergrundinformationen liest sich das Buch flüssig und fesselnd, vor allem aufgrund der humorvollen Schilderungen. Dass zur Zubereitung einer Mockturtle-Suppe kiloweise Fleisch gehackt werden musste, kommentiert die Autorin etwa damit, "dass es von außerordentlichem Vorteil war, wenn die jungen Küchenmädchen in ihrem Elternhaus auf dem Lande früh Fühlung mit der Endlichkeit des Lebens genommen hatten. Das ließ sie weniger Ehrfurcht vor dem Fleischlichen zeigen." Ein unkonventioneller Einblick in die Frauengeschichte - dazu noch sehr ansprechend bebildert.

Zur Autorin: Katja Mutschelknaus ist Gourmetjournalistin, Restaurantkritikerin und Autorin und lebt in München. Ihr Spezialgebiet ist die Kulturgeschichte des Essens und Trinkens. Sie studierte Volkskunde, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Germanistik und Kulturpsychologie in München und Los Angeles und konzipierte Ausstellungen zur Geschichte der Kulinarik für verschiedene Museen und Institutionen (u.a. "Berglandwirtschaft im Alpenraum" und "Kaffeeklatsch"). Sie schreibt für Magazine und Buchverlage. 2007 erschien ihre Kulturgeschichte "Kaffeeklatsch – Die Stunde der Frauen" im Elisabeth Sandmann Verlag. (Verlagsinformationen)

Katja Mutschelknaus
Frauen mit Geschmack

Vom Vergnügen, eine gute Köchin zu sein
Elisabeth Sandmann Verlag, erschienen 2010
Gebunden, mit Schutzumschlag
160 Seiten, 200 Abbildungen
24,95 Euro
ISBN: 978-3-938045-46-6

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Beitrag vom 16.04.2010

Claire Horst