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Beitrag vom 04.09.2010
Antje Wagner – Schattengesicht
Marie Heidingsfelder
Wechselnde Städte, verlassene Häuser, schlechtbezahlte Schwarzarbeit, Angst vor der Polizei und der Tod als ständiger Begleiter - Im Leben von Mila und Polly ist keine Spur Bonny-und-Clyde-Romantik...
... der jungen Autorin, die 2009 mit "Unland" national bekannt wurde, ist ein im doppelten Sinn unheimlich gutes Buch gelungen.
Wie viele Krimis beginnt "Schattengesicht" mit einem Mord - doch davon abgesehen sucht man in Antje Wagners neuem Buch vergebens nach klassischen Mustern. Weder muss man die Täterinnen aus einem Kreis von Verdächtigen finden, noch liegt das Motiv im Dunkeln. Nicht mal ein Ermittlungsteam wird erwähnt, vielmehr bleibt es den LeserInnen überlassen, den Mord an einer Hotelangestellten zu verstehen. Wie kommt es, dass die junge Lehrerin Mila seit Jahren mit ihrer besten Freundin auf der Flucht ist? Warum muss Polly in der Öffentlichkeit noch vorsichtiger als sie selbst sein? Und was ist es, das die beiden jungen Frauen auf fast obsessive Art und Weise aneinander bindet? Alles beginnt in der lähmenden Hitze eines geteilten Sommers in der Kindheit, doch je mehr Licht in die Geschichte von Mila und Polly kommt, desto größer wird der Verdacht, dass etwas nicht stimmt. Dass etwas fehlt oder dass man vor Bäumen den Wald nicht erkennt...
Die Spurensuche führt zurück in die Vergangenheit. Im Sommer nach Milas Abitur könnte das Gefühl der Freiheit für sie und Polly nicht größer sein: Endlich raus aus dem kleinen Dorf, endlich gemeinsame Zeit ohne das ständige Versteckspiel vor Milas Familie und dazu der perfekte Sommerjob in einem einsamen Haus in Schweden. Doch als der Besitzer unangemeldet zurück kommt, hält Polly ihn für einen Einbrecher und schlägt in ihrer Panik zu fest zu...
Die beiden Frauen fliehen und für eine gewisse Zeit scheint sich ihr Leben zu ordnen: Sie ziehen nach Berlin, wo Mila ein Lehramtsstudium aufnimmt und landen nach ihrem Examen in Baden-Württemberg. Doch ein weiteres Mal verliert Polly die Kontrolle und zwingt die Freundinnen auf eine ständige Flucht quer durch Deutschland und in einen Alltag, der zwischen halbverfallenen Häuser und ausbeuterischen Jobs kaum glückliche Momente kennt. Die letzte Hoffnung scheint eine Rückkehr in das Haus in Schweden, von dessen Existenz und Geheimnis nur die beiden wissen...
AVIVA-Tipp: "Schattengesicht" ist eine beklemmende und unheimliche gut konstruierte Spurensuche. Je größer die Hitze, desto mahnender das innerliche Frösteln und je klarer der Himmel unter der wärmenden Sonne, desto mehr tappt man als LeserIn im Dunkeln, ohne sich dem erzählerischen Sog entziehen zu können. Zweihundert Seiten Stirnrunzeln und Gänsehaut - Spannung bis zum großartigen letzten Satz.
Zur Autorin: Antje Wagner wurde am 3. Februar 1974 in Lutherstadt Wittenberg (Sachsen-Anhalt) geboren und wuchs in einem kleinen Elbdorf im Fläming auf. Sie studierte deutsche und amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaften in Potsdam und Manchester. Ihre Magisterarbeit schrieb sie über unterirdische Verbindungen im Denken und Schreiben Schillers, Gertrude Steins und Ernst Jandls und deren "aktivierende” Wirkung auf die LeserInnen. Später arbeitete sie als Kellnerin und als Sprecherin, u.a. fürs Bildungsfernsehen. 1999 erschien ihr erster Roman im Querverlag. Seitdem hat sie acht Bücher veröffentlicht sowie zahlreiche Beiträge in Anthologien und Literaturzeitschriften veröffentlicht. Sie schreibt Romane und Erzählungen und übersetzt auch aus dem Englischen. Für ihre Arbeiten erhielt sie mehrere Auszeichnungen u.a. den ver.di-Literaturpreis (2010), den Feuergriffel für Kinder- und Jugendliteratur (2009) und den Erfurter Stadtschreiber-Literaturpreis (2006). Sie lebt und arbeitet in Potsdam. (Quelle: Querverlag)
Weitere Infos zur Autorin finden Sie unter: www.querverlag.de
Antje Wagner
Schattengesicht
Querverlag, erschienen September 2010
Broschiert, 192 Seiten
ISBN: 978-3896561800
12,90 Euro
www.querverlag.de
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