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Beitrag vom 20.03.2006
Spieltrieb. Von Juli Zeh
Sabine Grunwald
Ein Schülerroman, in dem die Rollen vertauscht sind. Die Quälgeister sind nicht die LehrerInnen sondern die Zöglinge. Die beiden Hauptfiguren stehen jenseits aller Moral.
Ada konnte seit ihrem vierten Lebensjahr lesen und schreiben und wurde daher vorzeitig eingeschult. Die vierzehnjährige ist nach ihrer eigenen Aussage blond, kräftig gebaut und nicht schön.
Dafür hat sie einen messerscharfen Verstand und besucht im Sommer 2002 die zehnte Klasse des Ernst-Bloch-Gymnasiums in Bonn. Die alte Schule hatte sie wegen eines schweren tätlichen Angriffs verlassen müssen und erhielt hier auf dem teuren Privatgymnasium ihre zweite Chance.
Seit Ada im Alter von zwölf Jahren auf den Gedanken verfallen war, dass Sinnsuche nichts als ein Abfallprodukt der menschlichen Denkfähigkeit sei, galt sie als hochbegabt und schwer erziehbar.
Mit den SchülerInnen hat sie keinen Kontakt und den LehrerInnen gegenüber keinen Respekt. Es ist eben alles beim Alten geblieben. Nur Höfi, der Geschichtslehrer, dessen Sympathie gegenüber seinen Schutzbefohlenen sich aufsteigend proportional zu deren Intelligenzquotienten verhielt, ist für sie ein ernst zu nehmendes Gegenüber.
Smutek unterrichtet Deutsch und Sport und spricht mit einem leichten Akzent, der schwer einzuordnen ist. Wie sich herausstellt, stammt er aus Krakau, hatte in Berlin seine Frau, ebenfalls eine Polin, kennen gelernt und war mit ihr auf deren Wunsch nach Bonn gezogen. Im Laufe der Handlung wird er das Opfer einer perfiden Erpressung werden. Ein Spiel, in dem Ada und der Neue an der Schule, alle Grenzen der Moral, des Mitgefühls und der Vorhersehbarkeit überschreiten werden.
Doch noch ist es nicht soweit. Ada lernt, nachdem sie auf dem Klo überfallen wurde, Olaf kennen, der ebenfalls ein Außenseiter ist und im Keller der Schule mit seiner Heavy-Metal-Band Musik macht. Die beiden verbindet so etwas wie eine Freundschaft, die jedoch abrupt endet, als ihn Ada an seinem Geburtstag verführt.
Zu Beginn des neuen Schuljahrs kommt Alev auf Ernst-Bloch.
Ada merkte erst, dass sie ihn anstarrte, als sein Blick sie traf, frei und unbefangen und mitten ins Gesicht. Es war sofort klar, dass sie es war, die als Erste die Augen abwenden musste, wenn sie nicht wollte, dass sie am Nachmittag immer noch dort säßen, einander im geleerten Klassenzimmer fixierend wie Panther und Puma in getrennten Käfigen.
Alev hat das Wesen des geborenen Anführers, die Mädchen verlieben sich reihenweise in ihn und auch die tonangebenden Cliquen haben keine Chance gegen sein Charisma. Zwischen Ada und ihm entwickelt sich eine obsessive Beziehung und Hassliebe. Alev, ein Anhänger der Spieltheorie, entwirft einen genialen und grausamen Plan. Ada verführt ihren Sportlehrer Smutek. Alev macht Fotos des Aktes und platziert diese auf der Web-Site der Schule. Der ohnmächtige Lehrer ist ganz in der Hand der beiden Jugendlichen bis es zum finalen Countdown kommt....
AVIVA-Tipp: Trotz der überreichen Metaphorik und der zahlreichen literarischen Anspielungen ein großartiger Roman, den SchülerInnen und LehrerInnen lesen sollten. Ein sprachgewaltiges Sittengemälde unserer Zeit, in der die Werte obsolet geworden sind.
Zur Autorin:
Juli Zeh, 1974 in Bonn geboren, studierte Jura in Passau und Leipzig. Studium am Deutschen Literaturinstitut Leipzig, Studium des Europa- und Völkerrechts. Aufenthalte in New York City und Krakau. Juli Zeh lebt in Leipzig.
Weitere Romane: "Adler und Engel, Die Stille ist ein Geräusch
Julie Zeh
Spieltrieb
Btb Verlag, erschienen März 2006
Kartoniert 565 Seiten
ISBN 3-442-73369-3
10,00 Euro90008115&artiId=3556134"