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AVIVA-BERLIN.de im Oktober 2024 - Beitrag vom 28.05.2006


Simone de Beauvoir, Else Buschheuer, Marlene Dietrich und viele mehr
Danielle Daum

Nicht unbedingt um saubere, aber immer um tiefe Schnitte geht es in Abschiedsbriefen von Frauen. Sibylle Berg hat sie gesammelt unter dem Motto "Und ich dachte, es sei Liebe" veröffentlicht.




Wenn Beziehungen in die Brüche gehen, regt das die Beteiligten oft zu literarischen Höchstleistungen an. Den Beweis dafür liefert Sibylle Berg mit ihrem neuesten Buch. Hierzu hat die Autorin Abschiedsbriefe von Frauen aus den vergangenen 500 Jahren zusammengestellt, darunter Else Buschheuer, Milena Moser, Cindy Chupack, Sylvia Plath, Helen Verin, Simone de Beauvoir, Agnes von Kurokowsky, Mathilde ter Heijne, Sandrine Fabbri, Simone Meier, Marlene Dietrich, Frida Kahlo, Katja Hoffmann, Ruth Schweikert, Corinne Hofmann, Rebecca West, Sarah Bernhardt, George Sand, Isodora Duncan, Paula Modersohn-Becker, Agnes Boulton, Alma Mahler-Werfel, Charlotte Bronte, Harriette Wilson, Clara Bewick Colby, Dorothy Thompson, Anne Boleyn, Königin Elisabeth I., Dorothy L. Sayers, Lou Andreas-Salomé, Anais Nin, Zelda S. Fitzegerald, Virginia Woolf, Maria von Herbert, Héloise und vielen weiteren, unbekannten Frauen.

Bei ihrer Auswahl handelt es um eine wilde Mischung quer durch alle Epochen, Stilrichtungen und Emotionslagen wobei Frau Berg gar nicht erst versucht, ihr Konzept mit theoretischen Begründungen einzuengen. Das wirkt zu nächst einmal recht willkürlich und chaotisch, auf den zweiten Blick jedoch überzeugend und sympathisch, weil das fehlende System der Sammlung ziemlich gut zum Chaos der Gefühlschwankung passt, der die meisten Briefe kennzeichnet. Hilfreich für das Verständnis ist auch, daß den Abschiedsbriefen jeweils eine kurze Vorstellung der Person und den Umständen, unter denen dieser entstand, vorangestellt ist.

Aus dem Vorwort: "Als ich gefragt wurde, dieses Buch zu machen, interessierte mich an der Idee vor allem: Geht es den anderen Frauen anders als mir? Denkt man doch immer, daß man selber schuld ist am Elend, zu wenig war, zu laut, zu schnell. Daß man alles falsch gemacht hat in all den traurigen Geschichten, die unsere Seele pflastern, die sie so schwer machen und uns immer mißtrauischer. Es ist ja nicht wahr, daß alles vergessen ist, wenn der Richtige kommt. Leider. Die vielen kleinen Risse und Verletzungen bewirken, daß unsere Liebe später nie mehr so rein, naiv und strahlend sein kann. Ehrlich: Ja. Tief: Durchaus. Aber so verrückt und unendlich wie am Anfang unseres Liebeslebens: Nie mehr."

Genau betrachtet, ist der (Liebes-) Abschiedsbrief ein Widerspruch in sich. Wer wirklich entschlossen ist zur Trennung, braucht kaum mehr als drei Worte: Es ist aus! Ein Brief aber hat seiner Natur nach einen mitteilenden Charakter, der das Ziel hat, den Kontakt halten. Wer also einen Abschiedsbrief schreibt, verabschiedet sich genauso lange nicht, wie der Brief eben dauert, sprich: je mehr Brief, desto weniger Abschied. In dieser einfachen Gleichung liegt das Paradox des Abschiedsbriefs. Sein eigentlicher Sinn widerspricht seinem Inhalt.

AVIVA-Tipp:
Beruhigender Weise zeigt Sibylle Bergs Auswahl an Liebesabschiedsbriefen, daß intelligente, prominente, schöne und begehrte Frauen à la Sarah Bernhardt und Simone de Beauvoir keineswegs besser mit einer Trennung zurechtkommen. Bestenfalls ein zurückhaltenderer und um Souveränität bemühterer Tonfall unterscheidet ihre Briefe von denen ganz normaler Frauen. Ob zeitgenössische oder historische, ob berühmte oder unbekannte Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts - ihre Briefe bringen auf den Punkt, was sich nun mal nicht von der Hand weisen läßt: Liebe ist erstens oft endlich und zweitens grundsätzlich nie genug.

Zur Autorin: Sibylle Berg, geboren "vor nicht allzu langer Zeit in Weimar", gilt seit ihrem Debüt-Roman "Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot" als Übermutter der jungen deutschen Literatur. Bislang hat sie fünf Bücher veröffentlicht: "Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot", 1997, "Sex II", 1998, "Amerika", 1999, "Gold", 2000, KiWi 676, 2002, und "Das Unerfreuliche zuerst - Herrengeschichten", KiWi 637, 2001. Ihre Theaterstücke "Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot", "Helges Leben", "Hund, Mann, Frau", "Herr Mautz" und "Schau da geht die Sonne unter" sind u. a. in Bochum, Hamburg, Stuttgart, Wien und Zürich aufgeführt worden. In neun Sprachen übersetzt, werden sie an zahlreichen europäischen Bühnen gespielt. Außerdem schreibt die überzeugte Kettenraucherin auch Texte für verschiedene Magazine in Deutschland und der Schweiz, darunter "Das Magazin" (Zürich), "Allegra" (Hamburg) und das "Zeit-Magazin". Sibylle Berg lebt in Zürich.


Sibylle Berg
Und ich dachte, es sei Liebe

Deutsche Verlags-Anstalt, München, Februar 2006
ISBN 3-421-05920-9
223 Seiten, gebunden
17,90 Euro90008115&artiId=5176881"



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Beitrag vom 28.05.2006

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