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Beitrag vom 21.03.2014
Lili Grün - Mädchenhimmel
Christina Mohr
Nach den Romanen "Alles ist Jazz" und "Zum Theater!" veröffentlicht der AvivA-Verlag mit "Mädchenhimmel" eine Sammlung von Lili Grüns Gedichten und Geschichten. Die Lektüre ihrer Romane und...
... anderer Werke ist nicht von der schrecklichen Tatsache zu trennen, dass die in Wien geborene jüdische Schriftstellerin 1942 in einem weißrussischen Vernichtungslager ermordet wurde.
Lili Grün war zu diesem Zeitpunkt 38 Jahre alt, arm und krank – nach der nationalsozialistischen Okkupation Österreichs wurden ihre Arbeiten nicht mehr publiziert, sie selbst durfte nicht ins Ausland emigrieren.
Dass Lili Grüns Werk siebzig Jahre nach dem grausamen Tod der Autorin eine kleine Renaissance erfährt, ist der Publizistin Anke Heimberg und dem Berliner Verlag AvivA zu verdanken: seit 2009 erscheinen bei AvivA Grüns Bücher in neuen Auflagen, versehen mit editorischen Erläuterungen.
Nach zwei Romanen ist nun auch "Mädchenhimmel" erhältlich, eine Auswahl von Gedichten und Geschichten, die in den 1930er Jahren in Zeitschriften abgedruckt wurden und jetzt erstmals in Buchform vorliegen. Der Titel bezieht sich auf einen Song von Lili Grün (Lieder schrieb und komponierte sie auch), der beispielhaft für ihren selbstironischen Stil steht: Grüns moderne Heldinnen suchen den "Mädchenhimmel", der doch irgendwo zwischen Büro und Bar, Champagnerprickeln und leeren Vorratsschränken, Großstadtverheißungen und Katzenjammer, zwischen Emanzipation und der Sehnsucht nach dem Traummann zu finden sein muss! Witzig, lakonisch, mal zum Kichern und oft genug zum Heulen realistisch sind Lili Grüns Texte, die als Vorläufer heutiger Frauenliteratur gelten könnten, wären sie nicht so klug und böse.
Ihre Romane wurden mit der neuen Sachlichkeit Irmgard Keuns, Erich Kästners und Kurt Tucholskys verglichen, auf Grüns Kurztexte trifft der Vergleich noch besser zu. Kurz, knapp, klar und verdichtet sind die Gedichte wie zum Beispiel "Monolog":
Mein kleiner Junge, kokettier´ nicht mit mir,
Ich hab´ andere Sorgen.
Den ganzen Tag lauf´ ich herum,
Um Geld für die Miete zu borgen...
In den Kurzgeschichten gelingt Grün die Balance zwischen Klage und "jetzt-erst-recht"-Haltung, treffsicher skizziert sie Szenen aus dem grauen Lohnerwerbsalltag; frau durchlebt ihren Kummer, wenn sich die große Liebe (mal wieder) als Hallodri entpuppt und feixt über Bürokolleginnen und "feine Damen".
AVIVA-Tipp: Wer Lili Grüns Romane mochte, wird "Mädchenhimmel" lieben – melancholisch und trotzdem heiter porträtiert die Schriftstellerin moderne junge Frauen der 1930er Jahre.
Zur Autorin: Lili (Elisabeth) Grün wurde am 3. Februar 1904 als Elisabeth Grün in Wien geboren. Sie wuchs als jüngstes von vier Kindern des aus Ungarn stammenden Bartbindenmachers Hermann (Ármin) Grün und seiner Wiener Frau Regine (Regina) im heutigen 15. Gemeindebezirk Rudolfsheim-Fünfhaus auf. Nach dem Tod ihrer Eltern ging sie Ende der 1920er Jahre nach Berlin, wo sie 1931 zusammen mit KünstlerInnen-FreundInnen ein literarisch-politisches Kabarett eröffnete. Sie schrieb Gedichte und Geschichten für das Berliner Zeitgeist-Magazin "Tempo" und das renommierte Prager Tagblatt. Zurück in Wien verarbeitete sie ihre Berlin-Erlebnisse in ihrem Roman "Alles ist Jazz", der erstmals 1933 unter dem Titel "Herz über Bord" im Paul Zsolnay Verlag erschienen ist. Die Wiener Presse bejubelte Lili Grüns Debüt. Nach einem längeren Aufenthalt in Prag und Paris erschien 1935 der Theater-Roman "Loni in der Kleinstadt". Mit der nationalsozialistischen Okkupation Österreichs im März 1938 hatte Lili Grün als jüdische Schriftstellerin schlagartig keine Möglichkeit mehr zu publizieren. Verarmt und lungenkrank blieb ihr die Emigration ins rettende Ausland verwehrt. 1942 wurde sie aus Wien deportiert und im weißrussischen Maly Trostinec ermordet.
Seit 2007 erinnert in der Heinestraße 4 im 2. Wiener Gemeindebezirk ein "Stein der Erinnerung" an das Schicksal von Lili Grün. Im Mai 2009 wurde ein neugestalteter Platz im Bereich Klanggasse/Castellezgasse, ebenfalls im 2. Wiener Gemeindebezirk, nach ihr benannt.
(Quelle: Verlagsinformation, Fembio)
Zur Herausgeberin: Anke Heimberg, 1967 in Pforzheim geboren, Studium der Germanistik, Soziologie und Medienwissenschaften in Marburg und Wien. Sie lebt und arbeitet als freie Literaturwissenschaftlerin und Publizistin in Berlin. Im AvivA Verlag hat sie bereits die Romane "Das weiße Abendkleid" (2006) und "Die Welt ist blau" (2008) der Exilschriftstellerin Victoria Wolff herausgegeben. (Quelle: Verlagsinformation)
Lili Grün
Mädchenhimmel
AvivA Verlag, erschienen Frühjahr 2014
Gebunden, 192 Seiten
Mit einem Nachwort von Anke Heimberg
ISBN: 978-3-932338-58-8
18 Euro
www.aviva-verlag.de
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