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Beitrag vom 27.04.2014
Simone Morgenthaler - Im Garten meiner Mutter. Chronik eines Abschieds
Bärbel Gerdes
Aus heiterem Himmel stirbt die Mutter, was die Tochter fassungslos zurück lässt. Im inneren Dialog mit ihr verarbeitet die Journalistin, Moderatorin und Autorin ihre Trauer und Wut und spürt ihrer...
... Liebe nach.
Ist Trauer mitteilbar? Kann die Trauer einer fremden Person bei der Verarbeitung der eigenen helfen?
Die Journalistin, Moderatorin und Autorin Simone Morgenthaler erlebt den plötzlichen, wenn auch friedlichen Tod ihrer Mutter als Schock. Im September ist sie in ihrem Bett eingeschlafen, "... du hast einfach vergessen, wieder aufzuwachen." Nur wenige Tage vorher hatte sie ihrer Mutter bei der Ernte geholfen. Nun kehrt sie in das Haus und in den geliebten Garten zurück, um die Arbeit zu Ende zu bringen und die Arbeit der Trauer zu beginnen und fortzuführen.
Dazu tritt sie ein in inneres Zwiegespräch mit der Mutter, erinnert sich an sie, träumt von ihr. Sie macht die Gartenarbeit und begegnet dabei selbst dem, was ihre Mutter ihr oft beschrieb. "Als ich den Garten umgegraben habe, hüpfte plötzlich ein Rotkehlchen um mich herum. Das hat mir einen Stich versetzt, denn du hast mir oft von dem Rotkehlchen erzählt, das immer in deiner Nähe blieb.". Sie atmet den Duft ihrer Mutter ein, indem sie in ihre Strickjacke schlüpft, öffnet den Handarbeitskorb.
Morgenthaler ist erleichtert, als ihr die elsässischen Wörter wieder einfallen. Mit dem Tod wähnte sie diese für immer verloren, was das Zerschneiden eines weiteren Bandes zu dem geliebten Menschen bedeutet hätte.
Gemeinsame Radtouren, die Spiegeleier nach der Schule im Winter … Simone Morgenthaler verwebt in ihrem Text diese Erinnerungsfetzen mit der Trauer und auch ohnmächtigen Wut dieses Verlustes und nimmt überrascht wahr, wie sich ihr eigenes Denken verändert. "Solange du am Leben warst, wollte ich mich immer von dir, von deiner Denk- und Handlungsweise abgrenzen. Und nun, wo du tot bist, stelle ich fest, dass es mich besänftigt, wenn ich in dir aufgehe und mich so bewege wie du."
Sie spürt, wie sie allmählich wieder atmen kann, wie auch die Trauer sich verändert, wie sie an manchen Tagen zunimmt, an anderen ab, und dass sie sich diesen Gezeiten überlassen muss.
Das Bild und die Geschichte der Mutter entsteht durch die Erzählung der Tochter. Es sind die kleinen Begebenheiten, die sie lebendig werden lassen: die Liebe zu den Kartoffeln und das Aussuchen der Setzlinge, die geliebten Radtouren und der bunte Markt in Zabern, die Abneigung gegen Schnee und Winter.
Morgenthaler, die ihr Buch als "Briefwechsel mit mir selbst" bezeichnet, hat ihrem Text Gedichte ihrer Schwester hinzugefügt, die diese während ihrer Trauerphase geschrieben hat. Es sind schmucklose und einfache Gedichte in Erinnerung der Mutter und der Kindheit.
Der poetisch-melancholische Ton des schmalen Bandes und das Dialogische erinnern stark an Tagebuchaufzeichnungen, die an ein ´Du´ gerichtet sind.
Das höchstpersönliche Gedenken an die gemeinsame Vergangenheit lassen die Rezensentin ratlos zurück, es bleibt die Frage danach, an wen sich ihr Buch richtet.
Ist Trauer mitteilbar und kann sie uns bei der Verarbeitung der eigenen helfen? Oder bleibt nicht eher das unangenehme Gefühl zurück, bei einem sehr persönlichen Prozess zugegen zu sein, an dem wir eigentlich nicht teilhaben möchten? Das muss jede Leserin für sich beantworten, denn auch dies reicht in höchst individuelle Räume hinein.
Wir sehen eine Frau, die auf ihre Art trauert und dieser Trauer auf ihre eigene, melancholische Weise Ausdruck verleiht. Dies war für ihren Verarbeitungsprozess sicherlich wichtig. Gewiss sind auch ihrer Schwester diese Aufzeichnungen wertvoll.
AVIVA-Fazit: Simone Morgenthaler hat ein sehr persönliches Erinnerungswerk geschrieben, mit dem sie den Tod ihrer Mutter verarbeitet.
Zur Autorin: Simone Morgenthaler, 1952 im Elsass geboren, ist Journalistin, Moderatorin und Autorin. Sie hat zahlreiche persönliche Erzählbände geschrieben sowie Bücher über die elsässische Gastronomie und Küche. 2012 wurde sie mit dem französischen Orden für Künste und Literatur (Ordre des Arts et des Lettres) ausgezeichnet.
Zur Übersetzerin: Irène Kuhn, geboren im Elsass, ist Autorin und Übersetzerin und lehrt an der Universität Straßburg. Sie lebt in München und in der Provence.
Simone Morgenthaler
Im Garten meiner Mutter. Chronik eines Abschieds. Mit Gedichten von Denise Morgenthaler
Originaltitel: Au jardin de ma mère
Aus dem Französischen übersetzt von Irène Kuhn
edition ebersbach, erschienen August 2013
128 Seiten, gebunden, mit Schutzumschlag
ISBN 978-3-86915-077-2
16.00 Euro
www.edition-ebersbach.de
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