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Beitrag vom 29.12.2008
Dubravka Ugresic - Baba Jaga legt ein Ei
Kristina Tencic
Sie hat unterschiedliche Namen und doch ist sie uns allen von Kindesbeinen an bekannt: die Hexe, im Slawischen die "Baba Jaga". Dubravka Ugresic nähert sich dieser Figur auf eine ganz neue Art.
"Zunächst sehen Sie sie nicht"
Damit leitet Dubravka Ugresic ihren neuen Roman "Baba Jaga legt ein Ei" ein, der im Grunde genommen aus drei Teilromanen besteht. Anfangs erzählt sie aus der Ich-Perspektive ihrer Mutter, einer dieser alten Frauen, die in unserer Gesellschaft oft unbemerkt bleiben. Es sind die stillen, gebeugt gehenden Alten, an denen wir auf der Straße unbeachtet vorübergehen, die ihren Lebensabend abgeschieden verbringen, wenn sie Glück haben, umgeben von ein paar verbliebenen Bezugspersonen.
Diese alten Frauen, drei an der Zahl, sind dann auch die Protagonistinnen der zweiten Geschichte, die gemäß langer literarischer Tradition in einem Kurort spielt. Alter und Tod werden hier vor dem Hintergrund der Baderituale und der Hotelatmosphäre schaumig leicht und stets mit einer großen Portion an schwarzem Humor in die Handlung eingebettet. Dort, wo andere AutorInnen bei den geschlossenen Augen eines/r Toten aufhören, holt Dubravka Ugresic erst richtig Luft und beschreibt, wie die tote Pupa von ihren Freundinnen Beba und Kukla eine skurrile letzte Ruhestätte bekommt.
Nach dieser Erzählung, bei der man zugegebenermaßen häufig aufgrund der Kuriosität stutzig wird, geht die kroatische Autorin geschickt in einen wissenschaftlichen Epilog über, indem sie eine Slawistin als vermeintliche Lektorin die Geschichte interpretieren lässt. Die Ausführungen über die Figur der Baba Jaga sind höchst interessant und das gesamte Buch strahlt schlussendlich in dem neu gewonnen Licht der Erkenntnis.
Hierbei wird die Absicht Ugresics klar, den uralten Mythos der Baba Jaga modern verpackt in Erinnerung zu rufen. Sie erläutert jedoch nicht nur die slawische Figur der alten Hexe mit dem absonderlichen Aussehen und ihrer Macht über das Schicksal anderer Menschen. Durch die Gesamtheit der internationalen Märchen, in der eine Hexe, der Baba Jaga gleich, auftaucht, kommt Dubravka Ugresic zu einem Schlusswort, das sich gewaschen hat und eine sehr leidenschaftlich feministische Botschaft enthält.
"Denn wir brauchen uns nur vorzustellen, dass die Frauen (und das ist doch nur die zu vernachlässigende Hälfte der Weltbevölkerung, nicht wahr?), dass die Baba Jagas (warum sollten wir sie nicht so nennen?) die Schwerter unter ihrem Kopf in die Hand nehmen und aufbrechen, um die Rechnungen zu begleichen!"
Denn eines hat der gesamte Hexenmythos und auch die leidvolle Geschichte der Verbrennung abertausender Frauen gemein: den Mann mit der Schreibfeder oder dem Streichholz in der Hand.
AVIVA-Tipp: Der kunstvoll geschriebene Roman "Baba Jaga legt ein Ei" verschönt und verschont nichts und niemanden. So, wie die Hexe in der Mythologie oft als Weberin und Spinnerin (im zweifachen Sinne) dargestellt wird, so spinnt auch Dubravka Ugresic gekonnt, fesselnd und bunt den Erzählfaden bis zum letzten Satz.
Zur Autorin: Dubravka Ugresic wurde 1949 im heutigen Kroatien geboren. Sie wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter mit dem Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur 1999. Auf Deutsch erschienen von ihr "Das Museum der bedingungslosen Kapitulation" (1998), "Der goldene Finger" (2000), "Lesen verboten" (2002), "Die Kultur der Lüge" (2005) und. Dubravka Ugresic lebt als Literaturwissenschaftlerin und Schriftstellerin in Amsterdam.(Quelle: Berlin Verlag)
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Dubravka Ugresic
Baba Jaga legt ein Ei
Aus dem Kroatischen von Mirjana und Klaus Wittmann
Berlin Verlag, erschienen November 2008
Gebunden, 365 Seiten
ISBN: 978-3827007483
16 Euro