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AVIVA-BERLIN.de im Oktober 2024 - Beitrag vom 08.03.2004


Der Schnullerschock
Iris Wegner

Ein ergreifender Erfahrungsbericht der Romanheldin Sarah über ihr erstes Jahr als Mutter. Ein Roman der schwedischen Journalistin Pia Hintze.




Eigentlich sollten primär Väter, Verwandte, Bekannte und PolitikerInnen den Roman von Pia Hintze lesen. Mütter kennen die Geschichte vom Baby Blues, so der Originaltitel des Buches, bereits. Obwohl es für Frauen, die diese Phase bereits durchgemacht haben, oder gerade erleben, eine wundervolle Geschichte zum sich Wiederfinden ist.

Für LeserInnen, die nicht Mutter sind, liefert das Buch eine Gesellschaftskritik in schlichter Erzählform.
Auf die Frage nach ihrer Motivation, dieses Buch zu schreiben entgegnete die Autorin: "Irgendwann nach diesem verflixten ersten Jahr als längst alles wieder gut war, überraschte mein Mann mich mit einer so blöden Bemerkung über mein damals so zerrüttetes Nervenkostüm, dass ich dachte: Er hat einfach nichts kapiert. Darüber müsste man wohl ein Buch schreiben..."

Der deutsche Titel und das Cover des Buches sind ein wenig reißerisch und lassen eher auf einen, mit lustigen Anekdoten gefüllten Unterhaltungsroman schließen.
Davon ist Pia Hintzes Werk weit entfernt. Viel eher dreht es sich um eine berechtigte Frage: wie konnte es in unserer industrialisierten Gesellschaft dazu kommen, dass eine frischgebackenen Mutter und ihr Baby zur unangenehmen Nebenerscheinung einer sonst doch wunderbar funktionierenden Welt wird?

Plötzlich isoliert vom schnellen Treiben da draußen stellt die Romanheldin Sarah traurig fest, dass sie weitestgehend allein ist, obwohl sie doch vorher mitten im Leben stand, beruflich erfolgreich war und viele Bekannte hatte. Da hagelt es gute Ratschläge, möglichst telefonisch, damit man nicht auf die Zigarette verzichten muss,
aber mit praktischer Hilfe wird gegeizt.
Selbst Karl, der Mann der Romanheldin Sarah, obwohl eingangs als unglaublich einfühlsam, intelligent und verständnisvoll beschrieben, entwickelt schon während ihrer Schwangerschaft einen extremen beruflichen Aktivismus. Da ist es ja nur verständlich, wenn er in einem anderen Zimmer schlafen muss, damit seine Nächte ungestört bleiben.

An dieser Stelle darf darüber nachgedacht werden, ob es nicht im Grundgesetz verankert sein sollte, dass jeder Mensch das Recht auf mindestens drei ausgeschlafene Nächte pro Woche hat...

Eine Geschichte, wie sie überall passieren kann und täglich stattfindet.
Pia Hintzes Roman hat mich mehr als einmal zum Heulen gebracht und war trotzdem in wenigen Tagen ausgelesen. Denn er ist spannend.



Pia Hintze
Der Schnullerschock
Mein erstes Jahr als Mutter

Dtv Verlag, Februar 2003
ISBN 3-423-24337-6
15 Euro
Leider ist der Titel zur Zeit nicht lieferbar.



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Beitrag vom 08.03.2004

AVIVA-Redaktion