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Beitrag vom 20.01.2008
The Puppini Sisters im Interview
Tatjana Zilg
Italienisches Temperament, irische Schönheit, britisches Unterstatement – das verkörpern die drei Puppini Sisters mit einnehmender Leichtigkeit und Eleganz. AVIVA-Berlin erzählten sie von der ...
... Erfindung ihrer ganz persönlichen Variante der Jazz- und Bigband-Musik vergangener Zeiten, ihrem allerersten Auftritt im Londoner Szeneclub "Duckie" und ihren Zukunftsträumen.
Ihr zweites Album "The Rise And Fall Of Ruby Woo" erscheint pünktlich nach der Jahreswende. Erneut bestechen sie mit einer Mischung aus zeitlosen Klassikern der jüngeren Music History und verkleiden die unvergänglichen Melodien in ein glamouröses Jazz-Swing-Gewand. Diesmal bereichern sie ihr Album zudem um einige selbstkomponierte Songs, die sich nahtlos in den Kanon der lebhaften Coverversionen einfügen.
AVIVA-Berlin traf die drei bezaubernden Ladies in einem Charlottenburger Hotel und konnte sich von dem Esprit der Puppini Sisters aus nächster Nähe überzeugen.
AVIVA-Berlin: Was fasziniert Euch am Sound der 30er und 40er Jahre?
Marcella: Es ist etwas schwer diese Frage zu beantworten. Ich selbst habe die Musik der 30er und 40er schon gehört, als ich ein Kind war. Damals schaute ich sehr gerne die Schwarz-Weiß-Filme aus den 40er Jahren und mochte spontan die Musik, die mit ihnen verbunden ist. Da ist dieses nostalgische Element, das einen ganz besonderen Reiz ausmacht.
Wir haben aber auch alle drei Jazz am College studiert. Uns sprach die besondere Energie, die Kunstfertigkeit, die spezifische musikalische Note an, die die Melodien dieser Epoche auszeichnet.
Am Anfang waren wir ganz besonders von den Andrew Sisters begeistert. Zuerst imitierten wir einfach nur ihren Stil. Bei Youtube gibt es eine Aufnahme von uns zu sehen, wie wir bei meiner Hochzeit auftraten. Wir klangen da ganz anders als heute. Mittlerweile haben wir unseren eigenen Stil entwickelt.
Kate: Je länger wir als Band zusammenarbeiteten, desto deutlicher kristallisierte sich unser eigener Stil heraus.
AVIVA-Berlin: Was war die Initialzündung, Euch als Trio zusammenzuschließen?
Kate: Als wir am "Trinity College of Music" studierten, entstand der Wunsch, etwas unkonventionelles zu machen. In der Zusammenarbeit mit den Puppini Sisters habe ich viel mehr gelernt als während des Studiums.
AVIVA-Berlin: Wo habt Ihr Euch zum ersten Mal getroffen?
Marcella: Wir haben uns direkt am Music College kennen gelernt. Ich machte dort meinen zweiten Abschluss. Zuvor hatte ich Modedesign studiert. In der Jazzgesang-Klasse habe ich dann Kate getroffen. Steph habe ich kurz bevor ich das Studium abschloss kennen gelernt. Sie hatte da gerade erst begonnen. Ein Jahr später wollte ich ein Projekt ins Leben rufen und dachte sofort an die Beiden.
Steph: Ich war total begeistert, als Marcella mich fragte, ob ich bei den Puppini Sisters mitmachen möchte. Ihre Ideen fand ich sehr spannend und es war für mich die Gelegenheit, in das Music-Business einzusteigen.
AVIVA-Berlin: Wie hat sich Euer Sound auf dem zweiten Album weiterentwickelt?
Marcella: Wir begannen, mit Elementen aus ganz verschiedenen Stilrichtungen zu spielen. Vieles ist auch am Pop angelehnt. Für ein ungeübtes Ohr klingt vermutlich noch sehr der Sound der 40er heraus, aber es können noch viele andere Elemente entdeckt werden.
Die 50er waren zum Beispiel sehr vom Big Band–Sound geprägt. Wir haben eine Art Big Band–Sound initiiert, indem wir auf dem zweiten Album mehr Instrumente integriert haben. Unsere drei Stimmen werden von einem Gitarristen, einem Kontrabassisten und einem Drummer begleitet. Außerdem spielt Steph Violine, Kate Melodica und Piano, ich selbst Akkordeon.
AVIVA-Berlin: Nach welchen Kriterien wählt Ihr die Originale für Eure Coverversionen aus? Sind das alles Songs, die für euch eine persönliche Bedeutung haben?
Marcella: Am Anfang entschieden wir nach dem Gefühl und wählten Songs, die ein besonderes Interesse bei uns weckten. Zudem wollten wir Teil einer speziellen Londoner Szene sein. Es gibt da einen Club, er nennt sich "Duckie". Dort wird schwules alternatives Cabaret gezeigt und das Publikum ist eine bunte, queere Mischung. Die ClubbetreiberInnen sind an einer Durchmischung mit zeitgenössischer Kunst interessiert und lassen sich von ihr inspirieren, so dass das Programm sehr innovativ und vielseitig ist. Aber sie sind dabei auch sehr wählerisch. Wir wollten damals unbedingt dort auftreten, denn wir wussten, dass wir dort von den Leuten gesehen werden, die Gefallen an unserem Sound finden und ihn weiterverbreiten würden. Mein Ehemann rief dort an, um einen Auftritt auszuhandeln. Sie wollten erst nicht und fragten, was das Besondere an uns sei, inwieweit wir uns von all den anderen Female Bands unterscheiden würden. Mein Ehemann behauptete, wir hätten diese erstaunliche 40er Jahre Version von dem Kate Bush Song "Wuthering Heights".
Das war eine Lüge, wir hatten noch gar kein Cover von dem Song geprobt. Aber so bekamen wir den Auftritt, der unsere Karriere stark voranbrachte. Wir hatten zuvor den Song extra für das Konzert im "Duckie" eingeübt. Wir schauten das Video von Kate Bush an und studierten die verrückten Augenbewegungen und all die Feinheiten, die so typisch für sie sind ein. Und das Publikum war dann tatsächlich so begeistert von unserer Version, dass sie seitdem als Finisher am Ende jeder Clubnacht gespielt wird.
Uns wurde dabei klar, wie viel Spaß es macht, Covers zu kreieren, die den Esprit der Originale auf ganz ungewohnte Art einfangen.
Kate: Wir entwickelten einfach weiter, was uns auf der Bühne großen Spaß gemacht hat und uns sehr nahe ist. Auf dem zweiten Album ist das noch deutlicher, wir sind offener geworden für die verschiedensten Impulse und gehen spielerischer an die Originale heran.
Marcella: Es ist uns zu langweilig, uns auf eine bestimmte Musikrichtung festzulegen. Wir haben so viele Ideen und lassen uns von allen Epochen inspirieren.
AVIVA-Berlin: Welchen Covers widmet Ihr euch auf dem neuen Album?
Marcella: "Crazy In Love" von Beyonce, "Walk Like An Egyptian" von den Bangles, "Could It Be Magic" von Donna Summer und vielem mehr, natürlich auch wieder älteren Sachen.
AVIVA-Berlin: War es schwierig nach einem reinen Coveralbum ein Album aufzunehmen, das einen großen Anteil an selbstgeschriebenen Songs enthält? Was hat Euch zu den eigenen Songs inspiriert?
Marcella: Das war am Anfang schon ein wenig kniffelig. An einem Song hatte ich bereits länger gearbeitet und es war nun die Schwierigkeit, Steph und Kate zu vermitteln, welche Stimmung der Song ausdrücken soll. Um den Song richtig herüber zubringen, brauchten wir viel Zeit, um zu einem gemeinsamen Verständnis zu finden. Songs zu schreiben ist ein sehr umfangreiches Projekt. Es ist uns wichtig, dass die eigenen Songs zu dem Gesamtkonzept passen, dabei sollen sie aber individuell und ausdifferenziert genug sein, um für sich allein bestehen zu können. Zuerst dachten wir, es sei eine Einschränkung, aber dann merkten wir, dass wir ganz viele Möglichkeiten haben, um Songs zu erfinden, die mit dem anderen Material korrespondieren.
Kate: Beim Hören wird man gar nicht so schnell unterscheiden können, welche Songs von uns geschrieben sind und welche Coverversionen sind. Viele Leute fragten uns schon, wo wir denn diese Songs entdeckt hätten, und waren ganz überrascht, wenn wir ihnen sagten, dass es Eigenkompositionen sind.
AVIVA-Berlin: Wer oder was ist Ruby Woo, nach dem Ihr Euer Album benannt habt?
Marcella: Das ist der Name des Lippenstiftes, den wir alle tragen. Zugleich ist es ein Synonym für eine Frau, die es wagt anders zu sein, außerhalb der Norm. Die Marke wird oft von der alternativen Kabarett-Szene in London bevorzugt. Auch Robert Smith von The Cure hat ihn benutzt. Genauso mögen ihn Frauen, die den Elan haben, sich mit dieser auffälligen Farbe zu zeigen.
AVIVA-Berlin: Ist London für Euch die erste Wahl, um dort als Musikerinnen zu leben und zu arbeiten oder würde es Euch reizen, eine Zeitlang in einer anderen Stadt oder einem anderen Land zu leben?
Marcella: Ich habe schon öfter daran gedacht, in einer anderen Stadt zu leben. Im Sommer reisten wir durch Amerika. Nach New York oder nach Los Angeles umzuziehen, das würde mich schon reizen. Aber auch Paris oder Berlin finde ich spannend. Nun, es gibt im Leben so viele Möglichkeiten und da ich Italienerin bin, würde ich gern vieles ausprobieren. Aber in London habe ich meine Freunde und meine Arbeit, so dass es im Moment der beste Platz zum Leben ist. Vielleicht kommt ja irgendwann ein Hollywood-Regisseur auf uns zu, um einen Feature Film über die Puppini Sisters zu drehen, und lädt uns nach Amerika ein.
AVIVA-Berlin: Ist da etwas in Aussicht?
Kate: Nein, das ist nur ein Traum. Wir hatten aber eine Anfrage von einen italienischen Regisseur. Von Italien bekommen wir im Moment ohnehin viel positive Resonanz. Auf Hollywood müssen wir da wohl noch ein wenig warten. Wir waren in Amerika aber schon auf Tournee und das Publikum war begeistert von unserer Show. Erst waren wir etwas nervös, wie wir aufgenommen werden würden. Einige unserer Covers sind amerikanische Songs, und wir hatten ein wenig befürchtet, sie würden unsere Art mit dem Material umzugehen, nicht so gut finden. Das war aber absolut nicht so.
AVIVA Berlin: Hättet Ihr gerne in den 30er oder 40er Jahren gelebt?
Wie seht Ihr die soziale Stellung der Frau zu dieser Zeit?
Marcella: Oh, wir werden oft gefragt, ob wir die Zeit zurückdrehen wollen. Aber das ist ganz und gar nicht so, wir wollen auf keinen Fall die Einstellung dieser Jahrzehnte unterstützen, die Frauen dazu drängte, sich nur der Familie zu widmen, Hausfrau zu sein und nicht im Beruf Fuß zu fassen. Das würde ja auch keinen Sinn machen, denn wir verkörpern ja das exakte Gegenteil: Wir selbst sind sehr erfolgreich und verdienen mit unserem Beruf gutes Geld. Wir schauen mehr auf die positiven Seiten der 40er und 50er. Es ist da auch viel passiert, was die Türen für Frauen geöffnet hat.
Kate: Ja, die Hausfrauen-Attitüde dieser Zeit ist nicht relevant für uns, wir sehen den Esprit der 40er und 50er in anderen Aspekten.
Marcella: Uns fasziniert beispielsweise die Art, wie glamourös die Musikszene sich zu dieser Zeit zeigte. Oft waren die InterpretInnen besser und stilvoller angezogen als heute. Dazu wollen wir auch unser Publikum animieren: Wert zu legen auf schöne Kleidung und Lust daran zu gewinnen, sich stilvoll zu schminken.
Steph: Dass Familie zu dieser Zeit wichtiger war als heute, hatte ja auch etwas Positives. Es wurde mehr Wert darauf gelegt, zusammen zu halten. Für die Kinder gab es so im optimalen Fall mehr Stabilität und Sicherheit. Einfaches Beispiel ist, dass man zu den Mahlzeiten am Tisch zusammensaß, das wird heute oft nicht mehr gemacht. Die Kinder sitzen vor dem Fernseher während die Erwachsenen anderen Interessen nachgehen. Das ist schade, dadurch wird viel weniger kommuniziert.
AVIVA-Berlin: Ihr habt ein sehr elegantes Styling für Eure Auftritte. Wählt Ihr die Kleider und das Make-Up selbst aus oder habt Ihr dafür BeraterInnen / DesignerInnen?
Marcella: Ich habe früher für Vivienne Westwood gearbeitet und sie hat uns schon öfter einige Sachen empfohlen. Wir haben zu Beginn einfach Ausschau nach Leuten gehalten, die uns unterstützen konnten. Heute ist es so, dass wir unseren Stil mehr und mehr selbst entwerfen.
Steph: Nun, wir wissen besser als jede andere, was uns am besten steht und wie wir uns auf der Bühne präsentieren wollen. Wir beraten uns gegenseitig und haben da schnell eine Übereinstimmung, welche Outfits und welchen Stil wir für den Abend bevorzugen möchten.
Marcella: Wir haben aber auch einen sehr guten Schneider, der unsere Ideen perfekt umsetzt.
AVIVA-Berlin: Im Januar 2008 erscheint Euer zweites Album in Deutschland. Kommt Ihr auch auf Tournee?
Marcella: Ja, ab März 2008.
AVIVA-Berlin: Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg weiterhin!
Lesen Sie auch unsere Review zu der CD "The Rise And Fall Of Ruby Woo".