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AVIVA-BERLIN.de im März 2024 - Beitrag vom 16.06.2008


Interview mit Dr. Brigitte Nijs, Head Research and Development der Procter and Gamble Services GmbH
Yvonne de Andrés

AVIVA-Berlin sprach mit Dr. Brigitte Nijs auf der World Women Work 2008 über die Herausforderungen in der globalen Arbeitswelt, Frauenförderung bei Procter and Gamble und Netzwerke.




Dr. Brigitte Nijs hat Chemie an der Catholic University Leuven (Belgien) studiert. Dissertation in Chemie. Sie ist als Section Head Research and Development bei der Procter and Gamble Service GmbH in Schwalbach tätig. Darüber hinaus engagiert sie sich beim EWMD (European Women Management Development).

AVIVA-Berlin: Sie diskutierten über "Karriere mobil – Chancen und Herausforderungen in der vernetzten Arbeitswelt". Welche Erwartungen hatten Sie an dieses Plenum beziehungsweise welche Ergebnisse wünschen Sie sich für diese Diskussion?
Dr. Brigitte Nijs: Ich hoffe, dass diese Diskussion allen Zuhörerinnen und Zuhörern weitere Anregung gegeben hat, sowohl für die Männer als auch für die Frauen. Der zu erwartende Talentmangel in Europa eröffnet qualifizierten Frauen die Möglichkeit einen größeren Wirkungsradius in der Wirtschaft zu erreichen.
Ich sehe drei Säulen oder Handlungsfelder, die notwendig sind um dies zu erreichen. Die erste Säule sind die gesellschaftlichen Institutionen, die Dienstleistungen und Unterstützung anbieten, damit das Familienleben und die Arbeitswelt verbunden werden können. Diese Angebote sind z.B. Kinder-, Familiebetreuung und einiges mehr. Die zweite Säule befindet sich auf der Ebene der Unternehmen und betrifft die Förderung der Chancengleichheit der Geschlechter, dass Frauen für die gleiche Tätigkeit auch die gleiche Bezahlung und die gleiche Verantwortlichkeit wie Männer erhalten. Die Unternehmen sollten bei sich das Prinzip von Vielfältigkeit, Wertschätzung und der Förderung der MitarbeiterInnen, je nach ihrem Beitrag, ihren Kompetenzen und Talenten, einführen. Entsprechende Life-Programme, die den jeweiligen Lebenssituationen der MitarbeiterInnen angepasst werden können als auch unterstützende Netzwerke, Angebote von Sponsorship, Mentoring oder Zugang zu relevanten Rollenvorbildern, sollten eingeführt werden.
Die dritte Säule befindet sich auf der Ebene des Individuums und betrifft die eigene Karriereplanung. Es geht nicht um die Kopie des maskulinen Models. Jede Frau muss die eigene Verantwortung für ihre Lebensentwicklung selber tragen. Was will ich? Wo will ich hin? Frauen müssen sich auch damit identifizieren, was es bedeutet Erfolg zu haben.

AVIVA-Berlin: Wie bewerten Sie die Veränderungen und Herausforderungen in einer Multi-Polaren-Welt? Meinen Sie, dass Unternehmen mit einer US-Firmenkultur wie Procter and Gamble besser für die Herausforderungen aufgestellt sind als deutsche Firmen mit einer homogeneren Kultur?
Dr. Brigitte Nijs: Bei Procter and Gamble ist die Vielfalt integraler Bestandteil des Unternehmens. Es wird verstanden als eine Basis, die es möglich macht, erfolgreich Geschäfte zu tätigen. Die Vielfalt, die wir in den Märkten erleben, muss sich auch im Unternehmen abbilden. Vielfalt ist ein Teil unserer Purposes, Values and Principals (Unternehmensleitziele). Dem Statement unseres CEO A.G.Lafley vom August 2006 kann ich mich nur anschließen: "We simply cannot create brands and products to improve the lives of the world´s consumers unless we deeply understand and value the diversity of their needs and aspirations. We believe the best way to do this is to have a workforce that reflects the markets and consumers we serve and to fully value and leverage all their experiences, insight and talents. That is why PandG´s Corporate Diversity strategy is: Everyone valued, Everyone included, Everyone performing at their peak." Seit den achtziger Jahren hat Procter and Gambe erkannt, dass Diversity eine wichtige Strategie ist und diese in der Organisation des Unternehmens eingebunden ist.

AVIVA-Berlin: Welches sind die Schwerpunkte des Diversity Management Programms bei Procter and Gamble? Gibt es spezielle Maßnahmen im Unternehmen um den Frauenanteil insbesondere auch im Management zu fördern und zu erhöhen? Wie sehen diese Maßnahmen konkret aus?
Dr. Brigitte Nijs: Bei uns ist Gender Diversity (Frauenförderung) ein Teil von einem multidimensionalen Vielfalt-Förderungsprogramm. Dies beinhaltet auch kulturelle Vielfalt, Nationalitäten-Vielfalt. Grundlage ist der gegenseitige Respekt gegenüber allen Individuen, um so den Personen die Möglichkeit zu geben ihre Talente und Kapazitäten zu entfalten. Wir machen damit möglich, dass alle MitarbeiterInnen ihre Talente einbringen und an den Erwartungen, den Standards und den Veränderungen mitwirken können. Bei Procter and Gamble befinden sich Frauen im Top-Management. Netzwerke, Mentoring und Rollenvorbilder sind wichtig, um diese Entwicklung weiter zu fördern. Unsere Geschäftsführung wird selber an der erfolgreichen Umsetzung des Diversity Management gemessen. Daher fördern und unterstützen sie die Maßnahmen im Unternehmen. Das Thema hat bei uns eine Schlüsselbedeutung.

AVIVA-Berlin: Accenture hat 4.100 EntscheidungsträgerInnen zum Thema "Herausforderungen der Globalisierung" befragt - davon über 300 in Deutschland. Das Ergebnis: Nur knapp ein Drittel (32 Prozent) der in Deutschland befragten weiblichen Führungskräfte fühlt sich gerüstet, bei den Männern sind es dagegen immerhin fast die Hälfte (49 Prozent). Was, denken Sie, sind die größten Hemmnisse für Frauen hinsichtlich der Anforderungen der globalen Arbeitswelt?
Dr. Brigitte Nijs: Ich möchte mich gerne auf die Studie von McKinsey "Gender diversity, a corporate performance driver berufen. Diese arbeitet drei Aspekte als besondere Hemmnisse heraus. Der erste Aspekt ist die Doppelbelastung von Frauen mit Beruf und Familie. (Mutterschaft, Kinderbetreuung, Familienorganisation.) Der zweite Aspekt ist das überwiegende maskuline Modell. Die Frauen bewerben sich nur auf neue Jobs, wenn sie 100% der Anforderungen erreichen. Diese Beschränkung gilt es aufzuheben. Als dritten Aspekt möchte ich die Schwierigkeit von Frauen erwähnen, sich mit Erfolg zu identifizieren und die eigenen Ambitionen bei Schwierigkeiten zu Gunsten der Familie aufzugeben.
Auf der anderen Seite wird es in Europa in Zukunft eine Nachfrage nach Talenten geben und Frauen werden eine größere Rolle spielen. Die Firmen, die Frauen mehr einbeziehen, die ihnen erlauben Entscheidungsträgerinnen zu werden, werden einen Vorteil haben. Gender Diversity ist ein Aktivposten für das Image des Unternehmens und hilft dem Unternehmen, den Beschäftigten, den AktionärInnen und den Konsumentlnnen näher zusammen zu kommen.

AVIVA-Berlin: Um internationale Mobilität zu gewährleisten und um im internationalen Wettbewerb mithalten zu können, expandieren Unternehmen zunehmend ins Ausland. Inwieweit müssen Unternehmen und UnternehmensführerInnen ihre MitarbeiterInnen mit entsprechenden Kompetenzen ausstatten? Wie sehen Mobilitätsmodelle bei Procter and Gamble aus?
Dr. Brigitte Nijs: Bei Procter and Gamble ist es das Ziel, die richtige Person auf den richtigen Job und auf dem richtigen Platz zu haben. Flexibilität gilt sowohl in Hinsicht auf die Bedürfnisse des Individuums als auch hinsichtlich der Notwendigkeiten des Unternehmens. Es gibt verschiedene Programme,
z. B. den Arbeits- und Karriereplaner. Hier unterstützt das Unternehmen im Rahmen der Möglichkeiten arbeitsplatzunabhängige – und Heim-Arbeitsarbeitsplätze und Teilzeitmodelle. Die Führungskräfte werden im Ausland bei deren Bedürfnissen vom Unternehmen unterstützt. Dies alles ist Bestandteil der Karriereplanung.
Die spezifische Unterstützung der Mobilität ist bei uns sehr persönlich und es wird versucht auch die Karriere des Partners oder Partnerin mit einem Netzwerk zu anderen Firmen zu fördern. Gleiches gilt hier auch für die Kinderbetreuung. Das Informations- und Kommunikationsnetzwerk im Unternehmen fördert Kontakte, Netzwerke und wird von Mentoring Maßnahmen begleitet. Internes Mobilitäts Management misst die Zufriedenheit der MitarbeiterInnen mit diesen Programmen und arbeitet heraus wo es Verbesserungsmöglichkeiten gibt.

AVIVA-Berlin: Die Ergebnisse aus anderen Ländern zeigen, dass sich insbesondere die Managerinnen in aufstrebenden Schwellenländern besser auf die Arbeitsanforderungen im Jahr 2011 vorbereitet fühlen als ihre Kolleginnen in Industrieländern. Wo muss in den wirtschaftlich stärkeren Industrienationen ein Umdenken stattfinden – warum sind die Europäerinnen so wenig flexibel?
Dr. Brigitte Nijs: Ich glaube, dass Frauen in den Schwellenländern schnell in der globalen Welt ihre Rolle mitspielen können. Sie drücken diesen "Biss" auch in ihrer Flexibilität aus und im Arbeitsklima. Sie haben keine so lange Geschichte wie die Europäer und dadurch haben sie einen stärkeren Biss. Die Europäerinnen befinden sich vielleicht in der Komfortzone und haben noch nicht erkannt, dass die Globalisierung auch bei ihnen angekommen ist. Um weiter in der Zukunft mitzuspielen, ist es wichtig, den Ausbau der Talente zu gewährleisten. Firmen benötigen gute Trainingsprogramme. Wenn dies in einer Kombination von Innovation und Neuen Technologien erfolgt, entwickeln MitarbeiterInnen ein besseres Selbstbewusstsein ihrer Kapazitäten für die zukünftigen Anforderungen. Ich denke nicht, dass die Europäerinnen hinten liegen. Entscheidend ist, ob die Unternehmen Trainings und Entwicklungsmöglichkeiten für ArbeitnehmerInnen anbietet. Die Frage lautet: Wie viel investiere ich in die Entwicklung meiner MitarbeiterInnen? Die Kultur unseres Unternehmens versteht Lernen als einen kontinuierlichen Prozess, zu dem die Entwicklung von MitarbeiterInnen, die Förderung von Führungskräften und der Aufbau von Expertisen dazu gehören.

AVIVA-Berlin: Sie sind Mitglied des EWMD (European Women Management Development). Welche Bedeutung haben Netzwerke für Sie? Welche Erfolge konnten Sie durch diesen internationalen Austausch bisher verbuchen?
Dr. Brigitte Nijs: Netzwerke sind immer eine sehr gute Plattform, wo ein qualifizierter Austausch von Erfahrungen und Entwicklungen im Managementbereich und was die Vielfalt im Managementbereich bedeutet, erfolgen kann. Der EWMD bietet durch seine monatlichen Jour-Fixe, zu denen eingeladene Sprecher(innen) kommen, eine gute Plattform dafür außerhalb der Angebote und Programme des eigenen Unternehmens. Mentoring ist für mich ein Weitergeben von Erfahrung, es ist Unterstützung innerhalb des Unternehmens. Aber ich agiere auch außerhalb meines Unternehmens, eg. an der Universität Frankfurt, wo ich eine Biologin begleite, die gerade ihre Doktorarbeit schreibt. Davor hatte ich auch eine Mentee aus einem anderen Unternehmen. Es geht darum, die Klarheit zu erhalten, dass sie "die Dirigentinnen" ihres eigenen Lebens sind und dass sie mit ihrem Wissen viel bewegen können, dass Barrieren erkannt werden und gelernt wird, damit umzugehen. Mentoring ist Unterstützung.

AVIVA-Berlin: Was tun Sie in Ihrem Unternehmen aktuell, um Frauen auf die veränderten Anforderungen vorzubereiten? Und was sind die großen Vorhaben für die Zukunft?
Dr. Brigitte Nijs: Vielfalt ist ein wichtiges Thema für Procter and Gamble und Basis für den Erfolg unserer Firma. PandG bietet daher verschiedene Plattformen für Frauen an, damit die Umsetzung auch umfassend erfolgt.
Zum einen gibt es das Team der Führungsfrauen im Unternehmen, die sicherstellen, dass Vielfalt auch in der Organisation und in den einzelnen Lernstationen umgesetzt wird.
WING (Women in Germany) ist ein Frauennetzwerk im Unternehmen in Deutschland, welches das Ziel hat, die Fähigkeiten und Talente der Frauen zu fördern.
Mentoring ist ein allgemeines Personalentwicklungsinstrument. Das ist kein abgeschlossener Prozess. Das Unternehmen achtet darauf, dass Rollenvorbilder von Frauen und Männern zur Formung der eigenen Karriere vorhanden sind.

AVIVA-Berlin: Vielen Dank für das Gespräch!

Weitere Infos zur Procter and Gamble Services GmbH
finden Sie unter:
www.pg.com


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Beitrag vom 16.06.2008

Yvonne de Andrés