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AVIVA-BERLIN.de 8/29/5784 - Beitrag vom 21.11.2008


Forschungsprojekt der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten
AVIVA-Redaktion

In Kooperation mit dem Otto-Suhr-Institut der FU Berlin will die Stiftung die Namen der BerlinerInnen ermitteln, die während der "T4"-Aktion in der Tötungsanstalt Brandenburg/Havel ermordet wurden.




Im Rahmen eines Forschungsprojektes, das im November 2008 seine Arbeit aufgenommen hat, werden die Namen der Berlinerinnen und Berliner ermittelt, die in der "Euthanasie"-Tötungsanstalt in Brandenburg/Havel im Rahmen der "T4-Aktion" von den Nationalsozialisten ermordet worden sind. Unter den rund 9.000 Kranken und Behinderten, die in Brandenburg ermordet wurden, befanden sich nach Schätzungen der Forschung mindestens 5.000 Berlinerinnen und Berliner. Das Projekt wird von der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin mit 72.000 Euro gefördert und hat eine Laufzeit von einem Jahr. Das am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität in Berlin angesiedelte Projekt wird in Kooperation mit der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten durchgeführt. ProjektbearbeiterInnen sind die HistorikerInnen Dr. Annette Hinz-Wessels und Dr. Dietmar Schulze, zwei ausgewiesene wissenschaftliche ExpertInnen auf dem Gebiet der "Euthanasie"-Forschung.

"Anders als für alle anderen ehemaligen ´T4-Anstalten´ in Deutschland und Österreich wurde die Identität der in Brandenburg/Havel ermordeten Patienten noch nicht systematisch erforscht", sagte die bei der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten für den Bereich der "Euthanasie"-Verbrechen zuständige wissenschaftliche Mitarbeiterin, Dr. Astrid Ley. "Diese Wissenslücke ist umso bedauerlicher, als die ´T4-Anstalt´ Brandenburg eine der ersten Mordstätten der ´Euthanasieaktion´ war. Außerdem war sie im Januar 1940 Schauplatz einer ´Probetötung´, bei der die Entscheidung für das Tötungsverfahren mit Gas getroffen wurde. Von Brandenburg führt damit ein direkter Weg zu den Gaskammern in den Vernichtungslagern des Holocaust", sagte Dr. Astrid Ley weiter. Eine weitere Besonderheit von Brandenburg ist schließlich die dort ab Juli 1940 vollzogene "T4"-Sonderaktion gegen jüdische Kranke, die den Auftakt zur systematischen Vernichtung jüdischer PsychiatriepatientInnen im Reichsgebiet bildete.

"Mit diesem Projekt wollen wir den Familien der Ermordeten zuverlässige Informationen über das Schicksal ihrer Angehörigen geben und zum Gedenken an die Opfer der nationalsozialistischen ´Euthanasie´-Morde beitragen", sagte Projektleiter und Stiftungsdirektor Prof. Dr. Günter Morsch. "Darüber hinaus wollen wir durch die Erfassung der Opfer den Umfang sowie die zeitliche und räumliche Ausdehnung der Mordaktion im Berliner Raum beschreiben und so eine empfindliche Lücke in der Euthanasie-Forschung schließen." Morsch wies darauf hin, dass aufgrund von Dokumentenverlusten voraussichtlich nicht alle Namen der Berliner Opfer ermittelt werden können. Ohnehin könnten im Rahmen des jetzt beginnenden Forschungsprojektes nur gut die Hälfte der 9.000 Ermordeten der Anonymität entrissen werden: "Für die Erforschung der übrigen ca. 4.000 Opfer dieser Mordanstalt, die vorwiegend aus dem norddeutschen Raum stammten, fehlen derzeit noch die Mittel."

Mehr als 300.000 Menschen fielen während des Zweiten Weltkriegs den nationalsozialistischen Verbrechen an psychisch Kranken und geistig Behinderten zum Opfer. Die euphemistisch als "Euthanasie" ("Gnadentod") bezeichnete Vernichtung "lebensunwerten Lebens" forderte in ihrer ersten, zentral gesteuerten Phase von Januar 1940 bis August 1941 das Leben von rund 70.000 PatientInnen in deutschen Heil- und Pflegeanstalten. Die Opfer dieser heute als "Aktion T4" bekannten Krankenmorde wurden in sechs hierfür umgebauten Tötungsanstalten mit Kohlenmonoxyd erstickt. Diese Einrichtungen bestanden in Brandenburg an der Havel, Grafeneck, Bernburg, Hartheim, Pirna und Hadamar.

Weitere Informationen zu den nationalsozialistischen Verbrechen in Brandenburg und zur Arbeit der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten finden Sie unter: www.stiftung-bg.de


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Beitrag vom 21.11.2008

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