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Jüdisches Leben
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Beitrag vom 01.05.2004
Juden. Bürger. Berliner. Die Ausstellung im Märkischen Museum
Sabine Grunwald
Das Stadtmuseum Berlin gibt Einblick in das Leben der jüdischen Familie Beer - Meyerbeer - Richter. 200 Jahre bereicherte sie das gesellschaftliche Leben Berlins
Die gezeigte Sammlung ist eine Schenkung der "Hans-und-Luise-Richter-Stiftung". Damit wird jenen 1955 und 1978 verstorbenen Nachfahren gedacht, die auf Grund ihrer jüdischen Herkunft von den Rassengesetzen der Nazizeit bedroht wurden. Sie konnten dennoch die wichtigsten Teile des Nachlasses verstecken und damit der Nachwelt erhalten.
Die Familie Beer-Meyerbeer-Richter spielte im geistigen und wirtschaftlichen Leben Berlins seit dem 17. Jahrhundert eine ganz entscheidende Rolle. Ihre Vorfahren gehörten zu jenen Juden, die 1670 aus Wien vertrieben wurden. Der Große Kurfürst siedelte sie in Brandenburg aus wirtschaftlichen Gründen an. Der Zugang war auf Juden und Jüdinnen beschränkt, die sehr vermögend waren.
Der historische Rückblick beginnt mit Liepmann Meyer Wulff, der als reichster Jude Berlins galt und Traditionalist innerhalb der jüdischen Gemeinde war. Seine Tochter Amalie erhielt eine gute musische und sprachliche Ausbildung. Sie führte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen erfolgreichen musikalischen Salon und war Mitglied in der Berliner Sängerakademie. Das Ehepaar Beer zog in eine zuvor nicht von Juden bewohnte Gegend am Tiergarten, und symbolisierte damit Emanzipation und Assimilation in die Berliner nicht-jüdische Gesellschaft.
"Heldin der Wohltätigkeit"
Amalie und Jacob Herz Beer setzten ihren Reichtum vielfach für kulturelle und caritative Zwecke ein. Amalie engagierte sich mit Geldsammlungen für die Pflege verwundeter Soldaten des Befreiungskrieges gegen Napoleon. Dafür erhielt sie als erste Jüdin überhaupt den Luisenorden, mit dem Frauen aller Schichten geehrt wurden. Allerdings konnte sich Friedrich Wilhelm der III. nicht zu einer vollständigen Gleichbehandlung durchringen und verlieh ihr eine Sonderform des Ordens. In ihrem Haus befand sich auch die erste Berliner Reformsynagoge, in der Gottesdienste abgehalten wurde, die sich am christlichen Vorbild orientierten.
Die Familie verleugnete ihr Judenturm nicht und war modernen Strömungen ihrer nicht-jüdischen Umgebung gegenüber aufgeschlossen.
Künstler in der Familie
Ihr ältester Sohn Jakob Meyer Beer, später Giacomo Meyerbeer feierte seine größten Erfolge in Paris als Opernkomponist. Wilhelm Beer brachte es zu bemerkenswerten Leistungen in der Astronomie, und Michael Beer wurde Theaterschriftsteller.
Die "Salondame" Cornelie Richter
Die Kinder Giacomo Meyerbeers fühlten sich dem Judentum nicht mehr verbunden. Cornelie Richter trat bereits im Alter von 16 Jahren zum evangelischen Glauben über. Sie hinterlässt einen umfangreichen Briefwechsel mit berühmten Persönlichkeiten ihrer Zeit und führte einen Salon, der in der künstlerischen Aufbruchstimmung Berlins eine bedeutende Rolle innehatte. So stellte hier der Belgier Henry Van der Velde, Avantgardist des Kunstgewerbes und der Architektur, erstmals seine neuen Gestaltungsideen vor.
Beruf und Repressionen
Ihr Mann, Gustav Richter, war einer der gefragtesten Portrait- und Orientmaler seiner Zeit. Die vier Söhne wuchsen in einer Welt auf, die sich Gründerzeit nannte. Der Älteste, Gustav, wurde Maler. Raoul unterrichtete an der Leipziger Universität Philosophie und widmete sich Nietzsches Werk. 1908 editierte er dessen "Ecce Homo". Sein Bild von Nietzsche befremdet, weil es von einer starken Faszination durch die Rassentheorie der Zeit geprägt war. Reinhold und Hans wurden Juristen. Ersterer schlug eine höchst erfolgreiche Karriere im Reichsjustizministerium ein, bis diese aufgrund seiner jüdischen Herkunft mütterlicherseits in der NS-Zeit unmöglich gemacht wurde. Hans Richter arbeitete als Anwalt und Notar in Wannsee, bis auch er seine Arbeitsmöglichkeiten verlor. Nach Kriegsende wurde er als Verfolgter der nationalsozialistischen Gesetzgebung anerkannt.
Die Ausstellung umfasst mehrere hundert Einzelobjekte, darunter ein umfangreiches Briefkonvolut, Tagebücher, kunstgewerbliche Gegenstände, Möbel, Gemälde, Portraitgraphik, Plastiken, Photographien, Dokumente und persönliche Gegenstände.
Im ersten Teil der Schau wird ein großer Teil des Nachlasses in einem eigens dafür konzipierten Setzkasten in der Haupthalle des Märkischen Museums ausgestellt. Die Objekte, geordnet nach den einzelnen Familienmitgliedern, betonen den biographischen Ansatz der Ausstellung. Im zweiten Teil der Sonderausstellung wurden die Ausstellungsstücke in die Bestände der Sammlungen der Stiftung Stadtmuseum Berlin integriert. Hier erfährt die Besucherin mehr über den Beitrag der Familie zur Stadtgeschichte.
Ein Begleitband zur Ausstellung setzt den familienhistorischen Ansatz der Ausstellung konsequent fort. Im ersten Teil werden die Familienmitglieder in biographischen Essays vorgestellt. Ihre Verbindung zur deutschen Kulturgeschichte hergestellt und die Thematik der Assimilation beleuchtet. Der zweite Teil enthält einen ausführlichen wissenschaftlichen Anhang, mit einem Verzeichnis des Nachlasses.
Ort:
Märkisches Museum
Am Köllnischen Park 5
10179 Berlin-Mitte
Di-So 10-18. 00 Uhr
Eintritt: 4/erm. 2 Euro, mittwochs frei
Dauer:
18. März - 29. August 2004
Weitere Informationen im Netz erhalten Sie unter:
www.stadtmuseum.de
Weil das Interesse so groß ist, hat sich das Stadtmuseum entschieden, die Ausstellung bis einschließlich 29. August 2004 zu verlängern. Sie wird damit während der L a n g e n N a c h t der Museen am 28.
August eine der Attraktionen im Märkischen Museum sein.
Juden Bürger Berliner
Das Gedächtnis der Familie Beer - Meyerbeer - Richter
Henschel Verlag
19,90 Euro/ i. Buchhandel 24,90 Euro
ISBN 3-89487-476-7
Einband: Geb. 272 S. Illustrationen: 90 tls. farb. Abb.200279442075"