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AVIVA-BERLIN.de 8/25/5784 - Beitrag vom 31.12.2003


Ein Porträt von Adriana Altaras
AVIVA Redaktion

Schauspielerin, Regisseurin, künstlerische Leitung der Jüdischen Kulturtage 2002. In der Arena-Berlin inszeniert sie die Vagina-Monologe, im Maxim Gorki Damen der Gesellschaft




Adriana Altaras wurde 1960 in Zagreb geboren und ist in der Schweiz und in Italien aufgewachsen. Seit 1967 ist sie in Deutschland. Sie gehörte zu den Mitbegründerinnen des "Theaters zum Westlichen Stadthirschen", hat in Kino- und Fernsehfilmen mitgespielt. Sie ist die Tochter des 2001 verstorbenen Vorsitzenden der Gießener jüdischen Gemeinde, Professor Jakob Altaras.

AVIVA-Berlin: Die Vagina Monologe 2003. Was reizt Sie an dem Stück?
Adriana Altaras: Das Stück hat immer wieder einen aktuellen Bezug.
Wenn der Krieg kommt, denkt man sich, was mit den ganzen Frauen im Krieg passiert? Es ist manchmal seltsam, diesen aktuellen Bezug wiederaufzunehmen und daran zu denken: jetzt rede ich wieder den ganzen Tag über Fotzen. Das ist ja schon ein bisschen anstrengend. Aber darunter liegt auch etwas Wichtiges, der lustvolle Umgang mit seinem Körper und die Vorstellung auch für Frauen, die das eben nicht so können.

AVIVA-Berlin: Gibt es ein Fragment in dem Stück, das Ihnen am besten gefällt, Sie am nachdenklichsten stimmt oder Sie am meisten berührt?
Adriana Altaras: Es gab einmal eine türkische Schauspielerin
, die den bosnischen Teil auf Türkisch gemacht hat. Die Bescheidenheit, mit der sie das getan hat und die Nähe zum Text, die ich empfand, hat mich nachhaltig beeindruckt. Jedes Mal, wenn die Textpassage kommt, muss ich daran denken, egal wer den Text spricht.
Über den Vagina-Workshop habe ich mich jetzt wieder unheimlich gefreut, weil der so albern ist. Ich habe mich an all die Workshops erinnert, die ich in meinem Leben mit allen möglichen Hoffnungen gemacht hab. Na ja.

AVIVA-Berlin: Am 15.3.2003 wird die Premiere von Damen der Gesellschaft sein - unter Ihrer künstlerischen Leitung...
Adriana Altaras: Ja, ich bin die eigentliche Frauenbeauftragte. Ich habe nur zwei Themen in meinem Leben: Juden und Frauen.

(Lachen)

AVIVA-Berlin: Ist doch schon abendfüllend, so eine Aufgabe...
Adriana Altaras: Es ist immer aktuell.
Letztens gab es einen Bericht über Frauen, die geschlagen werden, da hat´s mich wieder gerissen. Ich vergess´ es wieder und dann kommt so eine Reportage und ich bin Tage nicht mehr zu gebrauchen. Weil es wirklich absolut aktuell ist und ähnlich wie Aids, ist es mal wichtiger und dann geht es wieder weg. Im Grunde ist es aber immer wichtig.

© Peter Adamik

AVIVA-Berlin: Stichwort: Frau im Judentum?
Adriana Altaras: Frau im Judentum...
ICH bin die Frau im Judentum! Ich bin eine Frau im Judentum. Kurzes Statement: Es ist eine chauvinstische Religion.
Als ich die Kulturtage geleitet habe, waren da ja sehr viele Frauen, die Filme gemacht haben. Ich fand diese Filme klasse. Es gibt genügend Frauen im Judentum, die sich artikulieren, die etwas zu sagen haben und da kann ich nur sagen, weiter so! Es ist nicht speziell mein Thema, wofür ich auf die Barrikaden gehen möchte, heute Nachmittag.

AVIVA-Berlin: Zurück zu Damen der Gesellschaft. Ist das Stück an Sie herangetragen worden?
Adriana Altaras: Ja, weil ich die Frauenbeauftragte bin, im kulturellen Bereich.

Als ich es gelesen habe, fand ich es zuerst gar nicht so richtig spannend, weil es ziemlich altbacken ist. Es ist 40 Jahre alt.
Ich habe überlegt, wie man das modernisieren kann und habe versucht, das über die Besetzung zu machen. Das modernste daran ist, dass es die Berliner Variante zu dem Stück ist. Es geht nicht um die Gesellschaft der reichen Frauen, sondern um die Frauen der Berliner Gesellschaft. Das ist mir gelungen, weil die Bandbreite zwischen Inga Busch und Katja Riemann enorm ist. Es ist Wahnsinn, was sich da auf der Bühne abspielt.

AVIVA-Berlin: Als Sie den Auftrag bekamen, die jüdischen Kulturtage 2002 mit Berlin-Schwerpunkt zu organisieren, sagten Sie: "mir sind gar keine Produktionen, sondern nur Leute eingefallen". Woran liegt das?
Adriana Altaras: Es gab einfach keine Produktionen in Berlin zum jüdischen Thema.

AVIVA-Berlin: Und warum nicht?
Adriana Altaras: Kann ich gar nicht beantworten.
Da gibt´s wahrscheinlich Hunderte von Gründen. Ich glaube, dass die Berliner Künstler auch jüdische Themen haben, aber es gibt nicht so viele jüdische Künstler, dass sie gleich zusammen ein Theater haben würden. Sie beschäftigen sich u.a. mit sich, aber halt auch mit anderen Themen. In New York oder in Ungarn passiert da mehr. Ich wollte wissen, was die Künstler zu ihrem jüdischen Berlin jetzt sagen würden. Ich wollte daraus etwas Frisches machen. Ich wollte etwas Neues sehen und hören.

AVIVA-Berlin: Waren Sie zufrieden mit dem Ergebnis?
Adriana Altaras: Ja, sehr.
Ich fand es total aufregend. Ich habe es bewundert, was die alles gemacht haben. Vieles hat mich sehr überrascht, manches geärgert.

AVIVA-Berlin: Was hat Sie geärgert?
Adriana Altaras: Yoram Kaniuk
aus Israel. Der war so blöd! Ein so toller Schriftsteller und ein so arroganter Typ. Der hat mich geärgert.

AVIVA-Berlin: Er ist sehr verbittert, glaube ich.
Adriana Altaras: Ja. Das hat mich schon sehr angestrengt.
Aber das führt zu weit. Was mich sehr gefreut hat, ist, dass die Nichtjuden, die die Eröffnung gemacht haben, einen sehr interessanten Abend hingekriegt haben. Dass Nichtjuden ein jüdisches Thema behandeln, fand ich sehr interessant, und - wie sie es gemacht haben.

AVIVA-Berlin: Wie, denken Sie, können Berührungsängste zwischen Juden und Nichtjuden abgebaut werden? Ist es möglich über solche Kulturtage?
Adriana Altaras: Sonst hätte ich sie nicht gemacht.

AVIVA-Berlin: Was inspiriert Sie für Ihre Arbeit?
Adriana Altaras: Meine Freunde, enorm.
Mein Alltag, der ziemlich chaotisch ist...

© Peter Adamik
AVIVA-Berlin: Sie haben zwei Kinder...
Adriana Altaras: Ja, und einen Mann.

Meine Freundinnen, und die Telefonate mit ihnen. Mir bleibt nur wenig Zeit, sie zu sehen. Filme. Und Bücher. Und meine Reisen. So, in der Reihenfolge vielleicht.

AVIVA-Berlin: Wohin reisen Sie?
Adriana Altaras: Meistens reise ich innerhalb Europas.
In Old Europa. Ich bin nicht so ein Asien/Indien-Fetischist.

AVIVA-Berlin: Haben Sie nach den Damen der Gesellschaft schon andere Pläne?
Adriana Altaras: Ja, für die nächsten zwei Jahre bin ich ausgebucht
, und ich weiß nicht, ob ich jetzt nicht alles über den Haufen werfe und sage, so: Ich muss mich mal unter eine Palme legen...

AVIVA-Berlin: Wie gehen Sie mit burn-out um?
Adriana Altaras: Das ist ein Thema, das ich noch nicht gelöst habe.
Ich habe sehr viele Leute, die in hohen Positionen sind, vor allen Dingen Frauen, gefragt, wie sie das machen. Eine Freundin, Katharina Felix-Müller, Chefin beim NDR, habe ich während der Kulturtage gefragt: Was soll ich machen? Ich finde, dass es speziell für Frauen keine klare Lösung beim Thema burn-out gibt. Ich weiß überhaupt nicht, wie man das machen soll: Ziehe ich mich zurück? Treffe ich keinen mehr? Telefoniere ich nicht mehr? Möglich ist es schon, dass ich damit zur Familie gehe, selbst wenn die mich anstrengt, ist das ein Gegenpol.
Das ist das interessante, auch bei den Damen der Gesellschaft, dass da sehr viele Frauen sind, die Kinder haben. Das ist schon irre, wie die alle morgens zur Probe kommen. Wenn wir um 10 Uhr anfangen, weiß ich, dass von den 12 Frauen die mitmachen, acht um 7 Uhr aufgestanden sind und bis 10 Uhr gewirbelt haben, damit sie da stehen. Das ist sagenhaft. Und sie sind so professionell, schön und begabt, gut und kreativ.

AVIVA-Berlin: Frauen sind Organisationstalente, aber Frauen haben auch gelernt, sich mehr um andere zu kümmern als um sich selber. Würden Sie das so unterschreiben?
Adriana Altaras: Unterschiedlich.
Wie dem auch sei, sie wollen ja auch was erleben, wollen Spaß haben. Sie kommen manchmal mit solchen Augenringen zur Probe, die Kinder müssen versorgt werden.... Ich versuche, den Probenplan so zu gestalten, dass er für Mütter kompatibel ist. Ich kann da noch keine abschließende Antwort geben.

AVIVA-Berlin: Danke für das Gespräch!


Jüdisches Leben

Beitrag vom 31.12.2003

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