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AVIVA-BERLIN.de 2/14/5785 - Beitrag vom 21.06.2006


Kaschrut
Elisa Klapheck

Die jüdischen Speisegesetze - was koscher ist, und was nicht - das hat in den Augen vieler Völker schon manches Befremden ausgelöst. Ein Beitrag von Rabbinerin Elisa Klapheck




Dass beim Kochen Milchiges und Fleischiges nicht zusammenkommen darf, der Braten mit der Sahnesoße also verboten ist - dass Juden nur Fleisch von Widerkäuern mit gespaltenen Hufen zum Verzehr erlaubt ist - dass aber nur solches Fleisch koscher ist, wenn das Tier rituell geschächtet worden ist - also mittels eines Schnitts durch die Hauptader im Nacken, womit das bei der Jagd erlegte Wild wiederum zum Verzehr verboten ist.

Ich werde oft gefragt, welchen Grund solche Gesetze haben, die im Talmud minutiös diskutiert und festgeschrieben sind - und die gemeinsame Mahlzeiten von gesetzestreuen Juden und Nichtjuden kaum möglich machen. Vor allem das Schächten ist in letzter Zeit ins Feuer der Kritik geraten. Tierschützer sehen darin eine barbarische und grausame Methode. Gesetzestreue Juden kontern hingegen, dass gerade das Schächten dem Tierschutzgedanken entspringe - der Schnitt im Nacken verursache nur ein Minimum, wenn nicht sogar keinen Schmerz und wahre die Würde des Tieres. Aber auch die anderen Kriterien der Speisegesetze, insbesondere in bezug auf Fleisch, erscheinen vielen Nichtjuden merkwürdig begrenzt, wenn nicht gar kurios. So etwa, dass im Fall von Säugetieren nur das Fleisch von Widerkäuern mit gespaltenen Hufen zum Verzehr erlaubt ist.

Was steckt hinter solchen Kriterien?

Die jüdischen Speisegesetze sind unter anderem auch ein Echo auf den einstigen Opferkult im Tempel. Nach dessen Zerstörung haben die Rabbiner die kultische Praxis auf das häusliche Leben übertragen. Wenn die Familie zu Hause Fleisch isst, praktiziert sie damit immer noch etwas vom einstigen Ritual. Die einzelnen Bestimmungen für die verschiedenen Sorten von Opfern stehen in der Tora. Zu verschiedenen Anlässen werden Rinder, Lämmer oder Ziegen als Opfer dargebracht - und das Fleisch im Rahmen des Rituals gegessen.

Es mag erstaunen: Gerade in den Kriterien für die einstigen Tieropfer im Tempel definiert sich eine Ethik radikaler menschlicher Verantwortung.

Geopfert, das heißt gegessen werden, dürfen nur Tiere aus den eigenen Herden, für die man selber auch zuständig ist - Tiere also, zu denen man eine Beziehung der Verantwortung hat. Erbeutete Tiere kommen als Opfertiere nicht in Frage, ebenso wenig wie Tiere, die in freier Wildnis leben, selbst wenn sie Wiederkäuer sind und gespaltene Hufe haben - wie etwa Gazellen und Hirsche. Die Rabbiner erkennen in diesen strengen Beschränkungen verschiedene Bereiche - in manchen ist der Mensch zuständig, in anderen, wie der freien Wildnis geht ihn das Leben der Tiere nichts an.

Insofern definiert der einstige Opferkult Grenzen für den Menschen. Sie orientieren sich an seiner Fähigkeit zur Verantwortung - und finden ihren Widerhall auf den Esstischen heutiger, gesetzesbewusster Juden.

Mehr zu Rabbinerin Elisa Klapheck im Interview mit AVIVA-Berlin von 2004.

Lesen Sie auch mehr über Elisa Klaphecks Buch So bin ich Rabbinerin geworden.

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Beitrag vom 21.06.2006

AVIVA-Redaktion