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AVIVA-BERLIN.de 8/3/5784 - Beitrag vom 20.03.2008


Typisch - Klischees von Juden und Anderen
Sabine Grunwald

Das Jüdische Museum Berlin geht vom 20.3.-3.8.2008 der Frage nach, wie Stereotypen entstehen, wann sie nationalistisch, antisemitisch oder rassistisch werden und wie sie durchbrochen werden können




Vorurteile, Klischees und Stereotypen gehören sichtbar und unsichtbar zu unserem Alltag. Durch so genannte "Typisierungen" wird die Möglichkeit der Identifikation und der Integration in eine Gemeinschaft gegeben. Doch die Gratwanderung zwischen Typisierung hin zu rassistischem Stereotyp ist eng.
Die negative Kehrseite zielt auf Stigmatisierung und Ausschluss des Anderen: Antisemitismus, Rassismus und Hass auf Homosexuelle, Juden, ZigeunerInnen, Frauen gehören meist eng zusammen.

Die Ausstellung "typisch! Klischees von Juden und Anderen" funktioniert über das Sehen und die Wahrnehmung, sowie über die Zuordnung von Bildern und Dingen. Sie zeigt Objekte auf drei unterschiedlichen Ebenen, Beispiele aus der "etablierten" Hochkultur, Objekte aus dem Bereich der Volks- und Trivialkunst, sowie Arbeiten, die das Thema subversiv unterlaufen.

Durch die Gegenüberstellung dieser drei sehr unterschiedlichen Positionen erhalten die BetrachterInnen die Gelegenheit, die boshafte Diffamierung zu entdecken und sich der Stereotypisierung, die wir unbewusst vornehmen, bewusst zu werden. Der Wiener Architekt Martin Kohlbauer hat bei der Gestaltung der Ausstellung auch grafisch hervorgehoben, dass beim Schubladendenken differenzierte Zwischentöne fehlen, indem er ganz auf Schwarz-Weiß setzt

Im Eingangsbereich werden wir mit Bildern aus der Werbung konfrontiert, die vom Stereotyp des "Sarotti Mohrs" bis zur Benetton Werbung, mediale Beispiele aus unterschiedlichen Epochen zeigen. Filme und Bilder über Josephine Baker, die "sexualisierte, sinnliche Wilde", Sarah Bernard als schöne, exotische Jüdin und die Figur des "Shylock" die sich im Laufe der Zeit von einer burlesken Figur zum "rachsüchtigen, schurkenhaften" Juden entwickelte, um nur einige Beispiele zu nennen.

Ab dem 19. Jahrhundert wurden orientalische und maurische Motive mit dem Judentum in Verbindung gebracht. Elizabeth Taylor spielt in der Verfilmung des Mittelalterromans von Sir Walter Scotts Ivanhoe die Rolle der dunklen Schönheit Rebekka, die durch ihr Geheimwissen das Glück des edlen Ritters Löwenherz gefährdet. Im Jahre 2000 erinnerte die Firma Mattel mit einer Barbie-Puppe an den großen Erfolg von Elizabeth Taylor als Kleopatra. Dass Hautfarbe als entscheidendes Unterscheidungsmerkmal funktionieren kann beweisen die seit den 1960er Jahren produzierten Barbies, deren Kopf- und Körperformen sich auf einige wenige Modelle beschränken, egal ob sie europäische, afrikanische, hispanische oder asiatische Frauen darstellen. Entscheidend für ihre ethnische Zuordnung ist ihre Farbe und die stereotype Kleidung und Haartracht.

2006 erschien die Halloween-Barbie, in langem Jeansrock und Baskenmütze gekleidet, auf dem Markt. Die New Yorker Toraschreiberin Jen Taylor Friedman verlieh ihr auch noch einen Gebetsriemen und –schal. Die "Teffillin-Barbie" sorgte bei Erscheinen für Begeisterung aber auch heftige Kritik. Der Star-Couturier Jean Paul Gaultier, setzte 1993/94 die traditionellen jüdischen Elemente in seiner Show ein. Die Kleidung chassidischer Juden aus dem Osten, die Schläfchenlocken, der Kaftan und der Pelzhut avancierten zu Accessoires der Avantgarde in der Modewelt. Wobei besonders die Frauen in einem ethnisch-erotischen Licht erschienen.

Diese und noch viele andere, bizarre und auch erschütternde Exponate, führt uns die Fragwürdigkeit von vorschnellen Klassifizierungen vor Augen. Im Medienraum können Besucherinnen an einem Computerspiel der Universität Harvard ausprobieren, wie sehr das eigene Denken von Stereotypen geprägt ist.

Begleitend zur Ausstellung ist ein informativer Bildband im Nicolai Verlag erschienen, das in drei Essays auf die Entstehungsgeschichte verschiedener Stereotype, ihre Herkunft und den Versuch diese zu durchbrechen eingeht. Mit vielen Bildbeispielen und begleitenden Texten werden die unterschiedlichen Stationen der Ausstellung beleuchtet.

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AVIVA-Tipp: Die Ausstellung regt zum genauen Hinschauen und zum Nachdenken über Klischees an, denen wir tagtäglich ausgesetzt sind. Sie sensibilisiert für deren Brutalität und will das Bewusstsein dafür schärfen, dass Stereotype ein idealer Nährboden für Rassismus und Menschenfeindlichkeit sind.

Lesen Sie auch unsere Rezension zu "Deutschland Schwarz Weiß" von Noah Sow.

Typisch! Klischees von Juden und Anderen
Jüdisches Museum Berlin
Altbau 1.OG
Lindenstr. 9-14
10969 Berlin
Eintritt 4 Euro, erm. 2 Euro
Dauer der Ausstellung: 20. März bis 3. August 2008
Öffnungszeiten: täglich 10-20 Uhr/montags 10-22 Uhr
Weitere Informationen finden Sie unter: www.jmberlin.de/typisch


typisch!
Klischees von Juden und Anderen

Nicolai Verlag, erschienen März 2008
Jüdisches Museum Berlin (Hg.)
Jüdisches Museum Wien (Hg.)
Ca. 128 Seiten, ca. 160 farbige Abb., Gebunden mit Schutzumschlag
24.90 Euro
ISBN 13:978-3-89479-479-8


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Beitrag vom 20.03.2008

Sabine Grunwald