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Beitrag vom 21.06.2018
Women of the Wall: Von der gesellschaftsverändernden Kraft des Gebets
Anke Gimbal
Die Historikerin und Rabbinerin bei der Jüdischen Gemeinde Hameln, Dr. Ulrike Offenberg, sprach am 20. Juni 2018 in den Räumen der Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum, Berlin auf Einladung von Bet Debora über die Organisation "Women of the Wall". Die Gruppe setzt sich für das Recht orthodoxer Jüdinnen ein, gleichberechtigt neben Männern an der Jerusalemer Westmauer des Tempelbergs, der Kotel, zu beten.
Die Organisation "Women of the Wall" wurde vor ca. 30 Jahren ins Leben gerufen. Rabbinerin Dr. Ulrike Offenberg hatte die Frauen 2013 bei einem Aufenthalt in Jerusalem kennengelernt und ist seitdem selbst aktiv in der Gruppe, die sich für das Recht jüdischer Frauen einsetzt, gleichberechtigt neben Männern an der Jerusalemer Westmauer des Tempelbergs zu beten. Um diese Forderung gibt es teils massive Auseinandersetzungen, die Frauen werden von ultraorthodoxen Juden - männlichen und weiblichen - am Beten auch mit Gewalt gehindert und gestört. Auf Einladung von Bet Debora (www.bet-debora.net) gab Rabbinerin Offenberg einen Einblick in die Situation.
Die von Dr. Offenberg gezeigten Fotos - viele davon auch auf der Webseite oder Facebook-Seite der Organisation (www.womenofthewall.org und www.facebook.com/womenofthewall) abrufbar, zeigen friedlich betende und singende Frauen sowie fanatisch schreiende gewalttätige Männer. Auch nach der Entscheidung des Israelischen Supreme Court vom 4. Juni 2001, der den Frauen grundsätzlich ein Recht zugestand, an der Mauer zu beten gingen die Auseinandersetzungen weiter. Eine wirkliche Lösung ist nicht in Sicht. Zwar beschloss die Regierung 2016 einen Platz für liberale und reformjüdische Gruppen an der Mauer einzurichten. Dieser ist jedoch keine Alternative für die ebenfalls zu den Women of the Wall gehörenden orthodoxen Frauen.
Dr. Offenberg sprach außerdem über das grundsätzliche Problem in Israel, dass ultraorthodoxe Juden sich beharrlich darum bemühen, Frauen aus öffentlichen Bereichen zu verdrängen. Ein auch in Deutschland bekanntes Beispiel: Eine ultraorthodoxe israelische Zeitung entfernte auf einem Foto des Trauermarschs für die Anschläge in Paris 2015 alle Politikerinnen inklusive Bundeskanzlerin Angela Merkel. Auch auf Werbeplakaten, die an Ultraorthodoxe gerichtet sind, werden Frauen nicht dargestellt. Nach dem spannenden und außerordentlich gut präsentierten Vortrag entspann sich eine lebhafte Diskussion. Es wurden viele Fragen gestellt und auch Vergleiche zu anderen Religionen gezogen.
Bet Debora (hebr. "Haus der Debora")
ist eine 1998 in Berlin ins Leben gerufene jüdische Fraueninitiative, die sich für die Neugestaltung jüdischen Lebens auf der Grundlage der Chancengleichheit der Geschlechter einsetzt. 1999 lud Bet Debora zu einer ersten Tagung europäischer Rabbinerinnen, Kantorinnen, rabbinisch gelehrter und interessierter Jüdinnen und Juden ein. Es folgten weitere Tagungen in Berlin, Budapest, Sofia und Wien. Mit ihren Aktivitäten möchte Bet Debora ein jüdisch-feministisches Bewusstsein fördern, das Erbe jüdischer Frauen pflegen, die jüdische Frauenforschung unterstützen, für den interreligiösen und interkulturellen Dialog eintreten und ein europäisches Netzwerk jüdischer Frauen aufbauen.
Weitere Informationen zu Women of the Wall u.a. im Beitrag von Dr. Ulrike Offenberg im Bet Debora Journal "Frauenpolitik für ein modernes Judentum" (2016):
www.bet-debora.net
Text + Fotos: Anke Gimbal