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AVIVA-BERLIN.de im März 2024 - Beitrag vom 14.02.2008


Interview mit Judith Schoenen – Teil 2
Stefanie Denkert

Die Werbefachfrau und Autorin von "Das Image der Frau - Wege zu einem neuen Selbstbild" spricht über ihren Ratgeber und plädiert für ein zeitgemäßes Geschlechterrollenverständnis.




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AVIVA-Berlin: Sie beschäftigen sich in "Das Image der Frau" auch mit Frauenbildern in den Medien (Werbung, TV/Kino, Zeitschriften). Die Frauenbewegung hat das reale Geschlechterrollenverständnis verändert, wie hat sich das in den Medien bemerkbar gemacht? Die brave 50er-Jahre Hausfrau ist ja wohl passé...
Judith Schoenen: Frauen mit umgebundener Schürze, das Produkt in der Hand, kann man wahrlich nicht mehr zeigen. Heute putzen sie ohne Schürze und gehen mit den Männern weniger zimperlich um. Die Werbung versucht in Zeiten ungünstiger Wirtschaftslagen, den Beruf der Hausfrau wieder aufzuwerten: sie leiten heutzutage ein kleines Familienunternehmen! Dass es ein Posten ohne festes Gehalt ist, wird nicht erwähnt. In einem Bausparkassen-Spot wird eine junge Frau gefragt, mit welchem Mann sie lieber ein Date hätte, und sie entscheidet sich für den Mann mit dem Bausparvertrag. Das Fernsehen trägt gerne zur Rollenverfestigung der Geschlechter bei. Es werden zwar fortschrittlich wirkende Frauen in allen möglichen Berufen gezeigt, doch bei näherer Betrachtung erkennt man, dass sehr traditionell weiblich denkende Köpfe in hohen Ämtern und modischer Kleidung stecken. Das sind Frauen, die weiterhin das Essen zubereiten und sich Sorgen um die Liebe oder ihre Lieben machen. Selbst bei den öffentlich-rechtlichen Sendern sind Frauenthemen kein Thema. Frauen haben und werden keine Lobby haben, solange die Chefsessel, die über die Programmgestaltung bestimmen mit Männern besetzt sind. Und die sehen lieber nackte Frauen oder zumindest den knackigen Po einer Tennisspielerin.

AVIVA-Berlin: Trotz "Gender Mainstreaming" und anderen politischen Maßnahmen bleiben Frauen häufig benachteiligt, Sie empfehlen Frauen "Sammelklagen", z.B. gegen ein Unternehmen, um gleiche Bezahlung zu erhalten. Was sind weitere konkrete Maßnahmen für Gleichberechtigung?
Judith Schoenen: Die Frauenbewegung, der Kampf für gleiche Rechte, ist eine geistige Revolution, sie findet in den Köpfen statt, deshalb muss so viel Aufklärungsarbeit geleistet werden. Natürlich ist schon alles gesagt worden, doch es muss wieder und wieder gesagt werden. In der Werbung gibt es einen schönen Spruch: "Gott hat einen Bekanntheitsgrad von 100%, trotzdem lässt er die Glocken jeden Sonntag läuten". Nur wer sein Bewusstsein erweitert, wird sein Verhalten verändern. Frauen haben heute mehr Macht als sie glauben. In erster Linie als Wählerin. Ist es nicht höchst verwunderlich, dass mehr Frauen 2002 Edmund Stoiber als 2005 Angela Merkel gewählt haben. Die wohl wichtigste konkrete, politische Maßnahme jedoch ist die Quotenregelung und meines Erachtens nach das einzige Instrument, Männerbünde zu sprengen und Frauen in Chefsessel zu bringen. Norwegen hat zum Jahresbeginn 2006 eine Quotenregelung auch für die Privatwirtschaft eingeführt.

AVIVA-Berlin: Sie bemängeln zu Recht das fehlende Solidaritätsgefühl unter Frauen - oft sind Frauen sich gegenseitig sogar die größte Konkurrenz. Woran könnte das liegen?
Judith Schoenen: Das schwach entwickelte Solidaritätsgefühl der Frauen ist historisch bedingt. Frauen früher waren existentiell völlig abhängig vom Mann, kein Wunder, dass sie Rivalinnen um die Gunst des Mannes waren. Die Zeiten sind noch nicht ganz vorbei, denn noch immer haben Frauen geringe Chancen, sich aus eigener Kraft das Häuschen im Grünen, geschweige denn die Villa mit dicken Auto davor zu erarbeiten. Das Lager der Frauen heute ist gespalten in Feministinnen und Antifeministinnen. Hausfrauen, die in Rollenklischees stecken geblieben sind, reagieren aggressiv auf Karrierefrauen, was in einigen Talkshows anlässlich der Krippendebatte deutlich vorgeführt wurde. Sie beschimpfen erwerbstätige Frauen, ihre Kinder zu vernachlässigen. Langzeitstudien beweisen, dass Kinder berufstätiger Mütter geselliger und sprachlich weiter sind . Frauen müssen erkennen, dass sie sich nicht spalten lassen dürfen. Gemeinsam ist frau stärker - Ursula von der Leyen und Angela Merkel machen uns das vor.

AVIVA-Berlin: Stellen Sie sich vor, morgen wäre Ihr erster Tag als Bundeskanzlerin. Welches Gesetz würden Sie sofort erlassen oder abschaffen?
Judith Schoenen: Abschaffen würde ich als erstes das Ehegattensplitting, es ist nachteilig für die Frauen. Erlassen würde ich ein Gesetz zur Quotenregelung, wie Norwegen das hat. Es ist unklug, keine Quotenfrau sein zu wollen - Männer seilen sich seit eh und je gegenseitig nach oben, wie sollen wir diese Männer nennen, die Seilschaftsmänner oder die Männerbundmänner?
Als zweite Maßnahme würde ich der Schule eine weit wichtigere Rolle in Erziehungsfragen geben als heute. Darüber hinaus sollte dort Gleichberechtigung und soziale Gerechtigkeit gelehrt werden. Noch immer werden in den Familien zu viele Jungen zu Paschas erzogen und Mädchen nicht ausreichend unterstützt.

AVIVA-Berlin: Woran arbeiten Sie zur Zeit? Worauf können wir uns demnächst von Ihnen freuen?
Judith Schoenen: Typisch Mann, typisch Frau ist das Thema unserer Zeit. Gedanken von Büchern wie "Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken" werden millionenfach gelesen und in den Köpfen verankert, obwohl sie irreführend die Biologie, sprich die unabänderliche Natur der Geschlechter beschwören, um den überlegenen Status des Mannes nicht zu gefährden. Die Co-Autorin hat viele Sätze ihres Mannes toleriert, die eigentlich intolerabel sind. Nur ein Beispiel: Kein/e AutorIn würde es wagen über AfroamerikanerInnen zu schreiben, dass ihre "Gehirnstruktur mit Spitzenpositionen generell und Berufen in denen räumliches Vorstellungsvermögen gefragt ist unvereinbar" sei. Über die weibliche Gehirnstruktur dürfen solche Sätze immer noch verbreitet werden. Das ist Diskriminierung in höchster Form! Neueste Studien beweisen das Gegenteil: Unternehmen mit Frauen an der Spitze erwirtschaften mehr Gewinn (s. Spiegel-Online, 28.01.08). Es muss sehr viel mehr Objektivität in die Mann-Frau-Debatte kommen, das würde ich mit meinem nächsten Buch gerne schaffen.

AVIVA-Tipp: Da Judith Schoenen aus der Werbebranche kommt, ist es kein Wunder, dass sie weiß, wie Frauen sich besser verkaufen können. Während sie in ihrem Buch den Begriff ´Image´ benutzt, würden GenderforscherInnen von der Geschlechterrolle (als soziokulturelles Konstrukt) sprechen. Schoenens Ansatz ist jedoch weder falsch, noch schlecht gewählt, um sich mit Sexismus zu beschäftigen. Im Gegenteil, er ist sehr erhellend!

Zur Autorin: Judith Schoenen hat nach einem Sprachstudium mehrere Jahre in Genf und Paris als Korrespondentin und Übersetzerin gearbeitet. Zurück in Deutschland hatte sie das Glück in der seinerzeit international renommiertesten Agentur, Doyle, Dane, Bernbach als Kreativübersetzerin zu arbeiten. Sie machte Karriere in dieser Agentur: als Texterin, Kreativdirektorin und schlussendlich Mitglied der Geschäftsleitung. Sie ist geschieden, hat eine erwachsene Tochter, und lebt heute in Frankreich.

Judith Schoenen
"Das Image der Frau. Bessere Chancen im Leben durch ein besseres Image"

Barbara Budrich Verlag, 1. Aufl., erschienen am 21.11.2007
Broschiert, 160 Seiten
ISBN-10: 386649100X
ISBN-13: 978-3866491007
12,90 Euro


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Beitrag vom 14.02.2008

AVIVA-Redaktion