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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 18.04.2005


Legalisierter Raub
Sarah Ross

Vom 12.5. bis 18.9.2005 beschäftigt sich die neue Ausstellung im Deutschen Historischen Museum in Berlin mit dem Fiskus und der Ausplünderung der Juden in Hessen und Berlin zwischen 1933 und 1945.




Die Ausstellung des Hessischen Rundfunks und des Fritz Bauer Instituts beschäftigt sich mit der fiskalischen Ausplünderung jüdischer BürgerInnen während der Nazizeit. Die zentrale Rolle des Fiskus in der Geschichte des gesetzlich legalisierten Raubes und seiner Opfer wird anhand zahlreicher Dokumente, Fotografien und Exponaten den BesucherInnen nahe gebracht:

Bereits im Herbst 1998 wurde eine Ausstellung unter der Leitung von
Professor Dr. Wolfgang Dressen im Stadtmuseum Düsseldorf unter dem Titel "Betrifft: ´Aktion 3´. Deutsche verwerten jüdische Nachbarn" eröffnet. Damit rückte die fiskalische Ausplünderung der Juden unter der NS-Diktatur erstmals in das Blickfeld einer weiteren Öffentlichkeit. 1999 finanzierte das Land Hessen dann ein Forschungsprojekt, das vom Fritz Bauer Institut in enger Zusammenarbeit mit dem Hessischen Hauptstaatsarchiv durchgeführt wurde. In dessen Mittelpunkt standen die Devisenakten, Steuerakten, Vermögenskontrollakten und Handakten jüdischer RechtsanwältInnen. Diese belegen eindrücklich die fiskalische Ausplünderung der jüdischen Bevölkerung Hessens im "Dritten Reich", und zeigen, dass die so genannte Arisierung jüdischer Unternehmen nur die "Spitze des Eisbergs" gewesen ist. Das Forschungsprojekt bildete die Grundlage für die Ausstellung.

Artur Lauinger war bis 1937 als Journalist bei der "Frankfurter Zeitung" beschäftigt. Danach wurde auch er ein Opfer der Enteignungsmaßnahmen der Nationalsozialisten. Das Foto zeigt ihn als Soldaten während des 1. Weltkrieges. © HR/Wolfgang Lauinger

Der geplanten Massenermordung deutscher Juden ging eine ebenso gründlich geplante und massenhafte Vernichtung ihrer Existenzen voraus. Begünstigter dieses schamlosen Raubzuges war das "Deutsche Reich", dass sich mittels hoher Sondersteuern und Zwangsverkäufen von Häusern, Firmen und Kunstgegenständen in unerhörtem Maße an dem Besitz deutscher Juden "legal" bereicherte. Zur Politik des "legalisierten Raubes" gehörte auch die Entziehung des Eigentums von EmigrantInnen sowie die öffentliche Versteigerung der verbliebenen Habseligkeiten der Deportierten. Unterschiedliche Dienststellen in Finanzbehörden, Zollfahndung und Devisenstellen zogen gemeinsam mit der Gestapo und anderen Organisationen in gesetzlich legalisierten Aktionen Sparbücher, Devisenguthaben und Wertpapierdepots jüdischer Bürgerinnen und Bürger ein. Diese Ausplünderung war ein wichtiger Teil der Vernichtungsmaschinerie und zugleich Bestandteil der NS-Kriegswirtschaft.

Die Ausstellung befasst sich neben den Gesetzen und Verordnungen, entscheidenden Ereignissen ("Reichskristallnacht" etc.) und dem Aufbau der Reichsfinanzverwaltung auch mit den kooperierenden Interessengruppen in Politik und Wirtschaft und dem "deutschen Volksgenossen" als Profiteur. Aber auch der Frage nach der Wiedergutmachung und den Opfern der Ausplünderung wird in dieser Ausstellung nachgegangen.

Die seit 2002 präsentierte Wanderausstellung wird sich in den kommenden Monaten schwerpunktmäßig mit der Geschichte der fiskalischen Ausplünderung der Berliner Juden beschäftigen. So planen die Ausstellungsmacher für Berlin in Zusammenarbeit mit dem Historischen Forschungsinstitut Facts & Files neue Ausstellungstafeln und Vitrinen, die sich u.a. mit der Geschichte der renommierten Galerie van Diemen und der Versteigerung ihres Bestandes durch Paul Graupe beschäftigen werden.



"Legalisierter Raub. Der Fiskus und die Ausplünderung der Juden in Hessen und Berlin 1933-1945"

Deutsches Historisches Museums Berlin
12.Mai bis 18. September 2005
Öffnungszeiten: täglich 10 bis 18 Uhr
Eintritt: 2 Euro, Jugendliche bis 18 Jahre und montags Eintritt frei
Weitere Informationen zur Ausstellung und zum Begleitprogramm: www.legalisierter-raub.hr-online.de

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Ad Van Liempt: "Kopfgeld. Bezahlte Denunziation von Juden in den besetzten Niederlanden":


In seinem Buch ergänzt Ad van Liempt das Bild der Niederlande zur Zeit des Nationalsozialismus um einen verstörenden Aspekt: den bezahlten Verrat von Juden. Eine kleine Gruppe holländischer Verwaltungsangestellter, die so genannte Kolonne Heinneicke, machte im Auftrag der Deutschen Jagd auf die Juden. Als Angehörige der Hausratserfassungsstelle, die für die Iventarisierung jüdischen Besitzes zuständig war, durchsuchten sie Amsterdam und Umgebung nach
untergetauchten Juden. Ihr Motiv war genauso simpel wie erbarmungslos: ein Kopfgeld, das für jede ergriffene Person bezahlt wurde. Die Suche war so effektiv und erfolgreich, dass die Kolonne nach nur sechs Monaten bereits aufgelöst wurde. Alle Opfer wurden gefunden, ausgeliefert und in die Vernichtungslager deportiert.

Van Liempts Buch basiert auf der Auswertung zahlreicher Akten, Aussagen von Tätern, Opfern und ihren Helfern sowie auf Interviews mit wenigen Überlebenden.

AVIVA-Tipp: Der Autor geht in seinem Buch den Fragen nach, wer diese Leute waren, was sie antrieb und wie sie bei der Jagd nach Juden vorgingen. Dabei zeichnet er ein ebenso detailliertes wie beklemmendes Bild der niederländischen Kollaboration mit den Nazis nach, eines der dunkelsten und vergessensten Kapitel der Niederlande.

Zum Autor: Ad van Liempt ist Journalist, Buchautor und Chefredakteur der TV-Geschichtsreihe "Andere Tijden" (Andere Zeiten).

Ad van Liempt
Kopfgeld Bezahlte Denunziation von Juden in den besetzten Niederlanden

Siedler Verlag: März 2005
Einband: Leinenrücken, llustrationen: 20 Abb.
Seitenzahl: 334
ISBN 3-88680-801-7
24,00 Euro

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Lev Raphael: "Das deutsche Geld"

Nicht nur die Frage nach dem plötzlichen Tod seiner Mutter beschäftigt Paul und seine Geschwister, sondern auch das so genannte "Deutsche Geld", über eine Million Dollar, dessen Grundstock einst aus den Entschädigungszahlungen der Deutschen an die Überlebenden des Holocaust stammte: Paul, der stets vor seiner Mutter, einer Holocaust-Überlebenden weglaufen ist, wurde der größte Teil des Erbes zugedacht: Ein großzügiges Geschenk, oder späte Rache?

AVIVA-Tipp: Lev Raphael schildert in seinem Roman ein eindrucksvolles Portrait einer zerstörten Familie, in der besonders die Kinder auf ihre eigene Art und Weise, schmerzlich unter der Vergangenheit der Mutter leiden. Mit diesem Buch hält der Autor nicht nur die Erinnerung daran, dass wir unserer Vergangenheit nicht entgehen können, aufrecht, sondern berührt den Leser und die Leserin auch mit einer unerschütterlich aufrichtigen Darstellung von Liebe, Erlösung und Vergeltung.

Zum Autor: Lev Raphael hat bisher 13 Bücher veröffentlicht, darunter fünf Kriminalromane. Seinen Durchbruch erlangte er mit "Dancing on Tisha B´Av", worin er die Lebenswege von fünf Kindern von Holocaust-Überlebenden nachzeichnet. Ausgezeichnet wurde er mit dem Lambada Literary Award, seine Kurzgeschichten wurden in zahlreichen Anthologien veröffentlicht. Derzeit arbeitet er als Literaturkritiker für den amerikanischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk und als Kolumnist für die Detroit Free Press.

Lev Raphael
Das deutsche Geld

Roman
Parthas Verlag: März 2005
ISBN 3-86601-650-6
22,00 Euro
Seitenzahl: 224
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Beitrag vom 18.04.2005

Sarah Ross