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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 04.06.2006


Michaela Wiebusch im Interview
Tatjana Zilg

Das Theater im Palais zeigt an zwei Wochenenden ihre theatralische Musikreise "Marilyn und Ich". Mit AVIVA-Berlin sprach sie über die Inszenierung und die zwei Gesichter des Hollywood-Stars




Michaela Wiebusch ist gebürtige Rheinländerin und lebt seit 1999 in Berlin. Ihre Schauspielausbildung absolvierte sie an der staatlich anerkannten Berufsfachschule für Schauspiel, Bewegung und Tanz in Köln. Seitdem wirkte sie in zahlreichen Film - und TV - Produktionen mit (u.a. als Kommissarin Gabi Schmitz in " SKKölsch"). Sie hatte Gastengagements an mehreren Bühnen und spielte klassische und moderne Rollen von der Alkmene im "Amphitryon" von Kleist, über die Rosetta in Büchners "Leonce und Lena" bis hin zur Rosy aus den "Sugar Dollies" von Klaus Chatten.
Mit ihren theatralischen Musikreisen über Alexandra, Zarah Leander und demnächst auch Marilyn Monroe gastierte Michaela Wiebusch in den letzten Jahren bereits an renommierten Bühnen wie u.a. dem Thalia - Theater Hamburg, Stadttheater Heilbronn, Stadttheater Freiburg, Schweriner Filmfest, Landestheater Tübingen, Volkbühne Berlin (Grüner Salon), Theater im Palais, Fifty-fifty in Erlangen und dem Filmmuseum Potsdam.

AVIVA-Berlin: Wie ist die Idee zu "Marilyn und Ich" entstanden? Haben Sie und die Regisseurin Anahita Mahintorabi das Theaterstück gemeinsam entwickelt?
Michaela Wiebusch: Ich habe Theater gespielt und in der Zeit dazwischen ist immer die Frage da, wie geht es jetzt weiter. Eines Abends war die Idee dann ganz plötzlich da: Ich mache einen Abend über Marilyn Monroe.
Einige Freundinnen, auch Anahita, sagten zuvor schon zu mir, wenn sie mich im Theater sahen: "Weißt Du, an wen Du mich erinnerst? Du hast mich an Marilyn Monroe erinnert." Ich sprach mit Anahita über meine Idee und fragte sie, ob sie Lust zu einer Zusammenarbeit hat.
Zeitgleich erschien dieser Artikel im Tagesspiegel. Es ist ja öfter so: wenn man sich intensiv mit etwas beschäftigt, dann kommen auf einmal ganz viele Zeichen. Es gab da diese Tonbandaufnahmen von den Gesprächen mit dem Psychiater, die veröffentlicht wurden. Wir dachten sofort: "Ja, das ist es, wir machen ein Tonband als Ausgangspunkt." Da ich mit Anahita bereits ein Stück über Zarah Leander inszeniert habe, war das ein guter Startpunkt.

AVIVA-Berlin: Diese Tonbandaufnahmen wurden direkt in die Inszenierung eingebunden?
Michaela Wiebusch: Wir haben nichts aus den Tonbandaufnahmen, aus diesen Veröffentlichungen genommen, sondern ein ganz neues Stück geschrieben. Wir haben einen neuen Text für das Tonband geschrieben, das in "Marilyn und Ich" eingesetzt wird. Wir haben sehr viel recherchiert, viel gelesen, Filme gesehen, mit Leuten gesprochen. Im Juli letzten Jahres hatte ich die Idee und ab Oktober fing ich mit der Recherche an, während der ich immer wieder neue Sachen entdeckte. Es war eine schwierige Arbeit, herauszufinden, welche Quellen seriös sind. Es gibt so viele Menschen, die aus dem Tod von Marilyn ein Geschäft machen wollen: Jemand, der meinte, mit ihr verheiratet gewesen zu sein und ähnliches. Die seriöseste Biographie ist von Spoto, den ich auch in einer Dokumentation gesehen habe.
Dann haben wir uns gefragt, was können wir wie verbinden, welches Gefühl entsteht dabei. Aus den Assoziationen entwickelte sich dann das Stück. Es war kein vorgeplantes "Wie gehen wir jetzt vor", sondern ein natürliches Wachsen, es entstand aus dem Tun heraus.

AVIVA-Berlin: Wie würden Sie das Stück jemanden beschreiben, der es noch nicht gesehen hat?
Michaela Wiebusch: Es ist genauso geworden, wie ich es mir vorgestellt habe. Die musikalische Begleitung hat Klaus Janek übernommen. Wir kennen uns schon lange und es war eine klare, sehr gute Zusammenarbeit. Er begleitet das gesamte Stück mit einer Art Filmmusik und unterstützt mich bei den einzelnen Liedern.
Der Abend ist wie ein Entblättern. Es geht über verschiedene Stationen, am Anfang trage ich dieses enge Kleid und bin mit Perücke zu sehen. Und dann beginnt es ab dem Moment, wenn die Perücke abgenommen wird: Es wird immer purer, immer purer. Irgendwann sitz ich im Babydoll da und schaue in den Spiegel, ein wichtiger Höhepunkt. Da ist sie so pur und so entblättert, mehr würde nicht gehen. Die Musik begleitet das entsprechend. Diese Verzweiflung, diese Not wird da sehr spürbar.

AVIVA-Berlin: Worin sehen Sie die Ursachen für die Verzweiflung Marilyn Monroes und darin, dass sich ihre Karriere so entwickelt hat?
Michaela Wiebusch: Ich denke, sie hatte eine Borderline - Symptomatik, man wusste zu der Zeit noch nicht so viel darüber. Sich selber Schmerzen zufügen und Grenzen austesten. Sie konnte ihren Körper nicht spüren, hätte alles getan, um sich selber zu spüren. Sie hat sich nur durch den Spiegel wahrgenommen. Der Spiegel und die Körpersymptome, das sind zwei Ebenen, die sehr wichtig sind. Sie hat sich selbst gesucht. Die tragische Kindheit, diese Einsamkeit, die ewige Suche nach einem "Daddy", die lebenslange Sehnsucht nach Geliebt-Werden. Die Mutter, die sie nicht liebte, die sie nie gehört hat. Sie blieb da wie ein Kind. In dem Stück sehen wir Norma Jean und Marilyn Monroe, zwei sehr unterschiedliche Anteile einer Person. Marilyn sucht ihren Daddy und sie weiß, sie bekommt ihn nur, wenn sie weiterhin die süße Marilyn ist und Norma Jean sagt, ich bin aber anders und will auch so geliebt und gesehen werden. Ich bin traurig, ich bin nicht immer so strahlend, ich zweifele. Ich kann auch klug sein, obwohl die meisten Männer, das nicht wahrhaben wollen. Diese beiden Anteile fangen an, sich gegenseitig zu bekämpfen. Darin spiegelt sich viel Verloren-Sein und innere Einsamkeit.

AVIVA-Berlin: Was, glauben Sie, fasziniert das Publikum an Marilyn Monroe?
Michaela Wiebusch: Ich denke, Männer und Frauen verbinden sehr Unterschiedliches mit Marilyn Monroe. Für die Männer ist sie ein Sexsymbol während die Frauen ihre Not, ihre Fragilität, ihre Einsamkeit berührt. Mich persönlich hat an ihr besonders der Mut angesprochen, sie war eine sehr mutige Frau. Marilyn hat den Mut gehabt, ihre Verletzbarkeit zu zeigen, ohne sich durch Zynismus zu schützen. Ich glaube, dass diese Seite eher die Frauen fasziniert.

AVIVA-Berlin: Erfordert es denn heute noch so viel Mut für Frauen, sich zu zeigen? Es hat sich seit den 50er Jahren ja einiges geändert an den gesellschaftlichen Rollenbildern, u. a. durch den Feminismus?
Michaela Wiebusch: Ja, ich glaube, es erfordert Mut. Gerade heute müssen alle doch total tough sein. Es werden sehr viele Anforderungen gestellt. Du musst vieles gleichzeitig sein: Stark, charmant, emotional, klar, sexy. Das musste Marilyn auch und sie konnte diesen Druck nicht mehr ertragen. Sie hat immer mehr Angst bekommen.
Durch den Feminismus haben Frauen ein größeres Netzwerk bekommen, sie wissen, dass sie Hilfe und Verständnis bei andren Frauen finden können, aber die Differenzen zwischen Männern und Frauen sind weiterhin doch sehr groß.

AVIVA-Berlin: Was schätzen Sie besonders an der Zusammenarbeit mit Anahita Mahintorabi?
Michaela Wiebusch: Mit der Regisseurin habe ich zuvor ein Stück über Zarah Leander gemacht und eines über Alexandra. Wir arbeiten schon über Jahre öfter zusammen und das ist natürlich optimal. Man kennt sich sehr genau, weiß, was der andere kann. So war es auch mit dem Bassisten Klaus Janek. Er hatte die Idee, mich nur mit dem Kontrabass zu begleiten. Wir nahmen probeweise eine CD auf, und ich war total begeistert, wie gut es funktioniert, wenn auch die Musik entblättert ist - pur und reduziert.

AVIVA-Berlin: Wird das Stück auch in anderen Städten gezeigt werden?
Michaela Wiebusch: Ja, da sind wir gerade dabei. Vor der Premiere ist das immer etwas schwierig, weil es noch kein Material für das Marketing gibt, aber der Manager stellt zur Zeit eine Tournee zusammen.


"Marilyn und Ich" ist zu sehen am
14. und 15.07.2006
im Theater im Palais
Am Festungsgraben 1
10117 Berlin
www.theater-im-palais.de


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Beitrag vom 04.06.2006

AVIVA-Redaktion