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Beitrag vom 19.07.2010
Battle in Seattle
Miriam Hutter
In dem Regiedebüt des irischen Schauspielers Stuart Townsend werden die Ereignisse um den Weltwirtschaftsgipfel in Seattle 1999 aufgegriffen und zu einem hochemotionalen Actionfilm verarbeitet.
Tausende von Menschen aus aller Welt hatten sich im November/Dezember 1999 zu einer friedlichen Demonstration auf den Straßen Seattles eingefunden. Durch Straßenblockaden verhinderten sie, dass viele der 5.000 Delegierten aus 134 Ländern überhaupt an den Tagungsort gelangen konnten, an dem die bestehenden Handelsordnungen weiter liberalisiert werden sollten.
Die Größe der Demonstration und die äußerst gewalttätige Reaktion der darauf unvorbereiteten Polizei, die mit Tränengas und Knüppeln gegen die überwiegend friedliche Menge vorging, brachte die Vorkommnisse in Seattle in die Schlagzeilen. Dadurch wurden die Aktivitäten der Welthandelsorganisation (WHO, engl.: WTO), die Menschenrechtsverletzungen und Umweltbedrohungen zugunsten von wirtschaftlichen Interessen außen vor ließ, auch einer breiten Öffentlichkeit bekannt.
Dass dem Regisseur Townsend mit seinem Film daran gelegen ist, einen möglichst wirklichkeitsnahen Einblick in die Geschehnisse in Seattle zu geben, suggeriert das Banner, welches gleich zu Beginn des Films von einigen der AktivistInnen an einem Kran aufgehängt wird. Das Foto von 1999 ist bis heute noch ein Begriff: es zeigt zwei auseinanderstrebende Pfeile die mit "democracy" und "WTO" überschrieben sind.
Zugleich bedeutet diese Szene eine erste Annäherung zwischen den DemonstrantInnen Jay und Lou, von denen wir in den dargestellten fünf Tagen, noch mehr erfahren werden.
Geschickt werden die persönlichen Geschichten der ProtagonistInnen in die Abläufe der WHO-Demonstration von 1999 eingebettetDa ist Jay (Martin Henderson), der durch das gewaltsame Vorgehen der Polizei seinen Bruder verloren hat und nun für Gewaltfreiheit bei der Demonstration sorgen möchte. Da ist Lou (Michelle Rodriguez), die Kämpferin, die die Welt zu einem gerechteren Ort machen möchte. Da ist der lustige Django (André Benjamin), dessen Anliegen es ist, die Meeresschildkröten zu retten und da ist Sam (Jennifer Carpenter), die Zweifelnde, die nicht immer den Sinn der Demonstration sieht, da die WHO um so Vieles mächtiger ist.
Auf der anderen Seite steht der Bürgermeister Mayor Jim Tobin (Ray Liotta), der den DemonstrantInnen das Versprechen gegeben hat, von Seiten der Polizei keine Gewalt einzusetzen und dieses nun aufgrund des politischen Drucks aus Washington brechen muss. Die WHO-Delegierten lassen sich derweil in "Gute" und "Böse" unterteilen: erstere werden durch den bosnischen Dr. Radic (Rade Sherbedzija) von "Ärzte ohne Grenzen" und die Delegierten der sogenannten Dritten Welt repräsentiert. Die Bösen lassen sich auf der Seite der westlichen Welt orten.
Stellvertretend für diejenigen, die, ausgelöst durch die Gewalt der Polizei und die einseitige Berichterstattung die Seiten wechseln, steht die Journalistin Jean Asbury (Connie Nielsen), die sich schließlich mit den DemonstrantInnen solidarisiert.
Die zwiespältige Rolle der Polizei schließlich wird ausgelotet in dem Familienidyll, das die Modeverkäuferin Ella (Charlize Theron) mit dem Polizisten Dale (Woody Harrelson) teilt, mit dem sie ein Kind erwartet. Während ihr Mann dazu verpflichtet ist, gegen die DemonstrantInnen gewaltsam vorzugehen, wird Ella, die versehentlich in die Demonstration gerät, von einem Polizisten in den Bauch geschlagen.
Zwar sind diese Geschichten teilweise ein wenig einfach gestrickt und drücken, wie im Falle Ellas, die ihr ungeborenes Kind durch den Schlag des Polizisten verliert zu sehr auf die Tränendrüse , doch gelingt es dem Regisseur Stuart Townsend nichtsdestotrotz, einen authentischen Eindruck von den Geschehnissen in Seattle wiederzugeben. Indem er auf die verschiedenen Positionen der Beteiligten eingeht, seine Sympathie aber eindeutig auf die Seite der DemonstrantInnen legt, die gegen einen neoliberalen Kapitalismus kämpfen, macht Townsend Weltverbesserungskino im besten Sinne.
Letztlich bleibt dieses an der Oberfläche: zuviel Gewicht wird auf das gute Aussehen der ProtagonistInnen gelegt die trotz Tränengas und Blut immer noch perfekt gestylt sind, ihre Motive jedoch zur Nebensache werden.
So gilt das, was Django über den Effekt der Demonstration sagt auch für die Aussage des Films: "Vor einer Woche wusste noch kein Schwein, was die WTO eigentlich ist. Jetzt weiß immer noch kein Mensch was die WTO ist, aber wenigstens wissen sie, dass es was Schlechtes ist."
Vielleicht ist die Verpackung einer politischen Botschaft in ein Actionspektakel jedoch die einzig erfolgversprechende Art und Weise, einem breiten Kinopublikum ein politisches Bewusstsein zu vermitteln?
So reicht "Battle in Seattle" zwar nicht heran an den Dokumentarfilm von Stefan Jarl und Lukas Moodysson, "Terrorists: The Kids They Sentenced", der sich in gänzlich den individuellen Schicksalen von DemonstrantInnen während des EU-Gipfels 2001 in Malmö widmet, doch seine Botschaft kommt an.
AVIVA-Tipp: Townsend versucht in seinem Film den "Battle in Seattle" möglichst vielschichtig wiederzugeben, indem er die Ereignisse aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet, was ihm durchaus auch gelingt. Was dem Film jedoch vor allem seinen Reiz verleiht, ist die Spannung, die durchweg aufrechterhalten wird.
Von einem hochkarätigen SchauspielerInnenensemble getragen, formuliert "Battle in Seattle" in dramatisch inszenierten Bildern eine zarte Kritik am Kapitalismus.
Zum Regisseur: Stuart Townsend wurde 1972 in Howth, in Irland geboren. Er studierte Schauspiel an der Gaiety School of Acting in Dublin und wurde bekannt 1997 durch seinen Auftritt in dem britischen Filmerfolg "Shooting Fish". "Battle in Seattle" ist sein Debüt als Regisseur, Produzent und Drehbuchautor.
Battle in Seattle
USA, Kanada, Deutschland 2007
auf DVD und Blu-ray
Verleih: NewKSM
Sprache: Englisch, Deutsch
Untertitel: Deutsch (optional)
Regie und Drehbuch: Stuart Townsend
DarstellerInnen: Martin Henderson, Michelle Rodriguez, Woody Harrelson, Charlize Theron, Jennifer Carpenter, André Benjamin, Ray Liotta
FSK: ab 16 Jahren
VÖ: 12. Juli 2010
Gesamtspieldauer: ca. 95 Minuten
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