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Beitrag vom 18.06.2010
Court Yard Hounds
Tatjana Zilg
Seit geraumer Zeit ist es ruhig geworden um die Dixie Chicks. Zwei der drei Americana-Perfektionistinnen kehren nun zurück mit einem Album, das in sanfter Schönheit dahingleitet und stärker mit ...
... Indie-Songwriting-Kunst sowie eingängigem Rock und verspielt-melancholischem Pop flirtet als es sich die Dixie Chicks-Megaseller-Alben je erlaubten.
Es sind die beiden Schwestern Martie Maguire und Emily Robison, die auf dem Cover inmitten eines düsteren, comichaft gezeichneten Waldes allen potentiellen EmpfängerInnen ihres Duo-Debüts in die Augen schauen. 1989 haben sie die Dixie Chicks gegründet und gingen später als die bekanntesten "Nebenfrauen" der USA in die Musikgeschichte ein, denn für die Leadstimme haben sie nach einer begnadeten Sängerin gesucht und wurden mit Natalie Maines fündig. Zu Dritt brachten sie die Dixie Chicks zum großen Erfolg. Die meiste Aufmerksamkeit holte sich jedoch die Frontfrau ein, wie es fast immer der Fall ist.
Nach einem beeindruckenden Coup bei der Grammy-Verleihung im Frühjahr 2007 verabschiedeten sich die Dixie Chicks für unbestimmte Zeit aus dem Licht der Öffentlichkeit, da sie sich ungestört der Familie und dem weiteren Privatleben widmen wollten. Zuvor erhielten sie Grammy-Auszeichnungen für ihr Album "Taking the Long Way", für die Single "Not Ready to Make Nice" und für die Kür zum Song des Jahres. Dies war auch ein Symbol für den positiven Ausgang des Medienspektakels um einige kritische Äußerungen der drei Dixie Chicks über den ehemaligen US-Präsidenten Bush, für die sie in Misskredit geraten waren: Americana gehört zu den Musikrichtungen, die auch republikanisch eingestellte Menschen mögen. Doch die Besten ihrer Fans hielten ihnen die Treue, lobten sie für ihre Courage und viele weitere Fans kamen hinzu, die gerade das neu erwachte Selbstbewusstsein der Dixie Chicks und ihre Offenheit schätzten. Umso mehr fehlten sie auf der Bühne des internationalen Musikgeschehens, nachdem sie in ihre unbefristete Pause gegangen waren.
Dafür können nun durch das Duo-Projekt von Martie Maguire und Emily Robison unbekannte Seiten der beiden Schwestern entdeckt werden. Sie beschreiten hier den Pfad weiter, den sie mit dem letzten Dixie Chicks-Album gegangen waren: Alle Songs sind selbst geschrieben, und zwar teils gemeinsam, teils mit weiterer Unterstützung von Martin Strayer. Für zahlreiche Songs führte Emily Robison zudem allein die Feder und nutzte nach einer wechselhaften Zeit das Songwriting, um persönliche, schmerzhafte Ereignisse zu verarbeiten: Sie wurde von dem Texaner Sänger und Songwriter Charlie Robison geschieden. Die Songs "April´s Love" und "It Didn´t make a Sound" beschäftigen sich explizit mit dem Thema Trennung.
Bis auf einen Song ("Gracefully", gesungen von Martie Maguire) gibt Emily Robison den Texten das stimmliche Gewand, welches durch eine hohe Ausdrucksstärke und ein reifes, samtig-tiefes Timbre überrascht. Verschlungen mit Melodien, die oft von Gitarren geprägt sind - mal zart gezupft, mal rockig angeschlagen, mal folkig dahingeweht - verleiht ihr Gesang dem Schwestern-Solo-Debüt einen Indie-Charme, der bei den Dixie Chicks manchmal etwas gefehlt hat.
Warum es solange gedauert hat, bis die beiden Vollblut-Musikerinnen sich an die vorderste Position, den Leadgesang, heranwagten, erklärt sich daraus, dass sie eher zurückhaltend sind und keine Lust hatten, sich selbst nur um der Aufmerksamkeit willen in den Vordergrund zu spielen. Eine gute Entscheidung, die nun der Musikwelt einerseits das harmonisch ineinander abgestimmte Dreier-Bündnis Dixie Chicks sowie das lebensweise, energetische Songwriting-Duo Court Yard Hounds geschenkt hat.
"Wir waren sehr zurückhaltend, schon in frühster Kindheit. Bei diesem Album war es jetzt schön zu entdecken, dass wir auch diese andere Seite haben und dass diese Seite schnell rauskommt. Unser Selbstbewusstsein ist jeden Tag weiter gewachsen", erzählt Martie Maguire.
Die Fans brauchen aber keine Angst zu haben: Dies bedeutet nicht das Ende der gloriosen Dixie Chicks. Und doch sind Court Yard Hounds vielmehr als ein Lückenprojekt – aus Sicht der beiden Protagonistinnen wie ihrer Fangemeinde: Das Duo-Experiment kann als willkommene Bereicherung ihres bisherigen Werkes gelten, denn es erlaubt ihnen, noch tiefer in die eigene musikalische Kreativität einzutauchen.
Court Yard Hounds im Netz: www.courtyardhounds.com
AVIVA-Tipp: Vielleicht sollte frau vor dem Genuss des Albums gar nicht soviel über die Dixie Chicks nachdenken, sondern sich einfach zurücklehnen und sich auf die mal munteren, mal melancholischen Songs ungezwungen einlassen. Bald wird festgestellt werden, dass sie oft eine erfrischende, entspannende Wirkung auf die Seele haben und durch Nu-Country angehauchte, fetzige Rhythmen in einen sommerlichen Schwung versetzen, der die tragischen Momente des Lebens, von denen die Texte erzählen, schnell überwinden lässt.
Court Yard Hounds
Court Yard Hounds
Label: Sony, VÖ Mai 2010