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Beitrag vom 28.01.2010
Ein Russischer Sommer - Ein Film mit Helen Mirren von Michael Hoffmann
Claudia Amsler
Oft spielt die Gattin eines berühmten Mannes eine Nebenrolle, ist ein bloßes Anhängsel. Nicht so im Leben des großen Literaten Leo Tolstoi, denn seine charakterstarke Frau Sofia nimmt...
... einen festen Platz in seinem Leben wie auch in dessen Verfilmung ein.
"Ein Russischer Sommer" verfilmt frei die Romanvorlage "Tolstojs letztes Jahr" von Jay Parini und, wie der Titel des Buches impliziert, behandelt er das letzte turbulente Lebensjahr des legendären Schriftstellers. Der Kinofilm setzt seinen Fokus jedoch nicht auf Tolstoi (Christopher Plummer) selbst, sondern auf die konfliktreiche Beziehung zwischen ihm und seiner Ehefrau Sofia (Helen Mirren).
Den Zündstoff der Geschichte bilden die Rechte an Tolstois Werken. Der treue Begleiter Tschertkow (Paul Giomatti) überzeugt den Literaten davon, sein Testament dem russischen Volke zu vermachen, zu Lasten der Familie. Sofia, die "Krieg und Frieden" eigenhändig sechsmal abgeschrieben hat, fühlt sich hintergangen und kämpft leidenschaftlich gegen diesen Entscheid an. Sie tobt, schreit, weint - jedoch erfolglos, sie ist alleine und erhält nicht einmal von ihrer Tochter Sascha (Anne-Marie Duff) Unterstützung. Die stürmische Sofia Tolstoi wird so zur hysterischen Außenseiterin, die angeblich grundlos gegen die Ideologie ihres Mannes ankämpft.
Frau identifiziert sich bald mit der Gräfin, kämpft mit ihr und durchläuft die Gefühle einer Frau, die sich als Einzige gegen eine vorherrschende Meinung stellt. Bevor jedoch die Zuschauerin selbst in den Wahnsinn getrieben werden könnte, durchbricht eine Liebesgeschichte die Misere.
Der neue und sehr zurückhaltende Sekretär Tolstois, Walentin (James McAvoy), ist dessen glühender Verehrer und teilt seine Ansichten über die bedingungslose Liebe. Auch wenn er selbst noch wenig Erfahrung in diesem Gebiet gesammelt hat. Doch dies ändert sich durch die Bekanntschaft der geistreichen und selbstbewussten Mascha (Kerry Condon), welche frei und unbekümmert ihre Ansichten über Liebe und Sex äußert. Es baut sich eine Liebe und Seelenverwandtschaft zwischen den beiden auf und so eröffnet Mascha Walentin eine ihm unbekannte Welt. Die der Sexualität und der unkonventionellen Gedanken - der absoluten Freiheit.
Diese junge Liebe steht im Kontrast zur routinierten Beziehung zwischen Sofia und Leo Tolstoi. Zudem erscheint es fast so, als ob sich im Film Passé, Präsenz und Futur vereinen. Frau erkennt in Mascha und Walentin das junge Ehepaar Tolstoi wieder, diese verschwendet jedoch keinen Gedanken daran, dass die beiden in einem solchen Konflikt enden könnten.
So bilden diese zwei Liebesgeschichten den roten Faden von "Ein Russischer Sommer", und das Zitat von Leo Tolstoi "Alles, was ich erkenne, erkenne ich nur, weil ich liebe." kennzeichnet diese Verfilmung.
Michael Hoffmann, dem Regisseur von "Ein Sommernachtstraum" und "Tage wie dieser" ist es mit "Ein Russischer Sommer" gelungen, der Zuschauerin einen biografischen wie auch historischen Kontext anhand dieser Liebesgeschichten authentisch näher zu bringen. Dies liegt zum einen an der Fähigkeit der SchauspielerInnen, welche Passion und Leben in die Charaktere bringen wie auch an der grandiosen Klaviermusik von Sergey Yevtushenko. Hinzu kommt die phantastische Landschaft, die der amourösen Filmproduktion eine herbe Note verleiht. So entsteht eine exquisite Mischung, die stets eine Gratwanderung zwischen Tragik und Komik durchläuft.
AVIVA-Tipp: "Ein Russischer Sommer" lässt die weiße sterile Kinoleinwand verschwinden und frau taucht ein in zwei außergewöhnliche Liebesgeschichten. Dies jedoch ohne kitschige Empathie, denn es gibt keine Überspitzungen, keine Gefühlsausbrüche, die nicht nachvollzogen werden könnten. Nach dem Kinobesuch bemerkt frau aufs Neue, wie essentiell die Liebe und das Geliebtwerden für das Mensch-Sein ist. Allerdings wird ihr auch bewusst, wie unfähig Frau und Mann sind, mit ihr umzugehen.
Ein Russischer Sommer
Ein Deutscher Film mit Russischer Beteiligung, Deutschland 2008
Buch und Regie: Michael Hoffmann
ProduzentInnen: Jens Meurer, Chris Curting, Bonnie Arnold
DarstellerInnen: Helen Mirren, Christopher Plummer, Paul Giamotti, Anne-Marie Duff, Kerry Condon, James McAvoy
Musik: Sergey Yevtushenko
Kamera: Sebastian Edschmid
Länge: 113 Minuten
Verleih: Warner Bros Pictures Germany
Filmstart: 28. Januar 2010
Mehr zum Film: www.einrussischersommer-derfilm.de