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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 12.06.2008


Yasmina Reza – Picknick mit Lulu Kreutz
Andrea Petzenhammer

Auf dem Treffen der Stegs stolpern die Familienmitglieder über Probleme aus der Vergangenheit. Vor der malerischen Alpenkulisse entsteht ein emotionaler Abwärts-Strudel für alle Beteiligten.




Nach der Verfilmung von "Picknick mit Lulu Kreutz" unter der Regie von Didier Martiny im Jahr 2000 erscheint nun das Drehbuch im Libelle-Verlag. In einer verzwickten Story treffen drei Paare unterschiedlichen Alters aufeinander, denen die Vergangenheit zum Fallstrick in der Gegenwart wird. Zentrum des Geschehens ist der Cellist Jascha Steg, der einen Auftritt als Star des Abends in der schweizerischen Stadt Èvian hat.

Die Mitglieder der Familie Steg treffen sich nicht oft, obwohl sie in der gleichen Stadt leben. Deshalb reist das Ehepaar Joseph und Olga Steg zusammen mit Jaschas Onkel Michel zu dem Konzert ihres Sohnes nach Évian. Doch Jascha plant mehr als ein familiäres Treffen, "zufällig" hat er seine Eltern im gleichen Hotel untergebracht, in dem auch Anna Ghirardi abgestiegen ist. Sie ist Violinistin in Jaschas Hintergrund-Orchester. Die beiden hatten vor Jahren eine Affäre, die Anna heute höchst unangenehm ist – denn sie war und ist mit dem Naturwissenschaftler Primo verheiratet. Der ist ebenfalls angereist und bewundert den Star-Cellisten, während Jascha seinem Nebenbuhler mit grundsätzlicher Verachtung begegnet.

Das Ehepaar Steg hat ähnliche Probleme. In Èvian lebt die ehemalige Verlobte von Joseph, Lulu Kreutz. Diese hat nie ganz verstanden, wie er sich für Olga entscheiden konnte. Während Jascha Anna mit seinen Nachstellungen nahezu wahnsinnig macht und Primos zuvorkommende Nettigkeiten sie in verhängnisvolle Situationen bringen, kommen sich Michel und Lulu näher. Als Lulu schließlich die Stegs zusammen mit Anna und Primo in die Alpen zu einem Picknick einlädt, eskaliert die Situation...

Zur Autorin: Yasmina Reza wurde 1959 in Paris geboren und ist dort aufgewachsen. Sie ist die Tochter einer Budapester Geigerin und eines jüdischen Kaufmanns mit iranischen Wurzeln. Nach einer Ausbildung zur Musikerin und Schauspielerin begann sie, Theaterstücke und Romane zu schreiben. In der deutschen Übersetzung sind als Bücher bisher "Drei mal Leben" (Theaterstück, 2000), "Gesammelte Stücke" (2000), "Ein spanisches Stück" (Theaterstück, 2004), "Das Lachen als Maske des Abgründigen" (Gespräch zwischen Ulrike Schrimpf und Yasmina Reza, 2004), "Der Gott des Gemetzels" (Theaterstück, 2006), und "Kunst" (Theaterstück, 2007) veröffentlicht worden. Sie erhielt bereits für ihr erstes Stück "Gespräche nach einer Beerdigung" 1987 den Prix Moliére. Ihr Stück "Kunst" machte sie zur weltweit meist-gespielten Theaterautorin, 2005 erhielt sie den Welt-Literaturpreis.

AVIVA-Fazit: Die Geschichte wird von einem leichtfüßigen Sprachwitz getragen, die Charaktere wissen um ihre Probleme und begegnen ihnen mit Sarkasmus. Yasmina Reza verbindet die Handlungsstränge durch auf den ersten Blick unwichtige Situationen und verknüpft so die Schicksale ihrer Figuren. Kritiker sagen ihr nach, dass sie "das Gesamte durch das Triviale sagt und das Tragische durch die Komik ausdrückt." (Fabienne Pascaud, Magazin Télérama). Leider kommt "Picknick mit Lulu Kreutz" gerade durch die etwas triviale Story und die klischeehaft charakterisierten Figuren nicht recht in Schwung. Die in der Buchbeschreibung angekündigte "Lust auf [ein] riskantes Leben" ist den Charakteren fremd, vielmehr verfahren sie sich in verstaubten und etwas vorhersehbaren Reaktionen, immer streng nach dem Motto: Der männliche Part ist aktiv und entscheidet, der Weibliche erträgt und richtet sich darauf ein.

Yasmina Reza
Picknick mit Lulu Kreutz

Aus dem Französischen von Frank Heibert und Hinrich Schmidt-Henkel
Drehbuch bearbeitet von Didier Martiny
Fotografie Deckblatt: Elisabeth Tschiemer
Libelle Verlag, erschienen März 2008
Gebunden, 120 Seiten
16,90 Euro
ISBN 978-3-905707-18-2

Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:

Unsere Rezension zu "Adam Haberberg" von Yasmina Reza.

Unsere Rezension zu "Der Gott des Gemetzels" von Yasmina Reza.


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Beitrag vom 12.06.2008

AVIVA-Redaktion