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AVIVA-BERLIN.de im März 2024 - Beitrag vom 17.03.2008


Kaffeeklatsch. Die Stunde der Frauen. Von Katja Mutschelknaus
Kristina Tencic

Ein Buch über die koffeingetränkte Zusammenkunft der Damen, das klingt ungewöhnlich. Was jedoch an Wissenswertem hinter diesem weiblichen Ritual verborgen liegt, erfahren Sie in "Kaffeeklatsch"




"Die Tatsache, dass uns bis heute nicht mehr als eine Handvoll nicht überzeichneter Gemälde von häuslichen Damenkaffeekränzchens bekannt sind, sagt nahezu alles darüber aus, wie ernst man dieses Ritual des Damenkränzchens zu nehmen gedachte: überhaupt nicht" bemerkt die Gourmet-Journalistin und freie Autorin Katja Mutschelknaus.

Die erste umfassende Geschichte weiblicher Gesprächskultur

Üblicherweise verbindet man Kaffeestündchen mit Klischees, bestehend aus einer Mischung von schrulligen alten Damen, gehässigem Tratsch über die NachbarInnen und bombigen Sahnetorten. Dazu mischt sich das Bild von Ralf Morgenstern und seinen prominenten Damen, wie sie in der Sendung "Kaffeeklatsch" bei Kaffee und Kuchen über mehr oder minder wichtige Themen plauschen. Dass die Tradition der Damen-Kaffeekränzchen weitaus mehr zu bieten hat, beweist Katja Mutschelknaus eindrucksvoll mit "Kaffeeklatsch. Die Stunde der Frauen". Sie liefert in dem liebevoll gestalteten und mit Gemälden, Zeichnungen und Fotografien reich bebilderten Sachbuch eine Kulturgeschichte des Rituals, das sich einer bereits dreihundertjährigen ungebrochenen Beliebtheit erfreut und doch oft unterschätzt wurde.

Für Männer hat dies etwas Geheimnisvolles und Unverständliches (wie im Übrigen auch die Teilnehmerinnen selbst), was sie immer wieder zu Spekulationen über Sinn und Zweck dieser Treffen getrieben hat. Dabei waren sie der eigentliche Auslöser des Kaffeeklatsches. Als das Feudalwesen mit der Industrialisierung im 18. Jahrhundert verschwand und sich ein städtisches Bürgertum entwickelte, pflegten die Herren der Gesellschaft sich in Kaffeehäusern aufzuhalten, was den Frauen verwehrt blieb. Doch auch sie hatten das Bedürfnis sich auszutauschen, im Sinne der Aufklärung ihre individuelle Persönlichkeit zu entwickeln und Freundschaften zu knüpfen. Somit entwickelten sie den Brauch des Kaffeeklatsches, der zwar die Konvention beachtete, also die Frau im Verborgenen des Privaten verharren ließ, aber ihnen dennoch genügend Raum zum freiheitlichen Austausch gab.

Somit wird das Klischee der lästernden Runde von der Autorin auch gleich widerlegt: "Der Kaffeeklatsch als Lebenshilfe? Man wird das idealtypisch verklärte Bildungs-Kaffeekränzchen, bei dem nicht auch ein bisschen getratscht würde, nicht als den Regelfall vermuten dürfen. Doch der Spielraum zwischen harmlosem Klatsch und übler Nachrede ist groß. In den bildungsbürgerlichen Kränzchen galt Klatsch als verpönt und Takt als eine der edelsten Tugenden."

Frauen, die regelmäßig an den geselligen Gesprächsrunden, die den Weg zur Salonkultur ebneten, teilnahmen, galten bei Männern als weniger beliebte Ehefrauen, da sie eigenständig denkend und bereits ansatzweise emanzipiert waren. Die schöngeistigen Gespräche bei Heißgetränken, Gebäck und etwas Likör im Kreise der intellektuellen Frauen ersetzte für sie gewissermaßen die ihnen untersagte universitäre Ausbildung und wurde, trotz des privaten Ambientes als Repräsentation der Familie nach außen ernstgenommen.

Bei so einer Repräsentation durfte natürlich das nötige Equipment nicht fehlen: die Dame des Hauses ließ das beste Porzellan auftischen, die Wohnstube im Biedermeier-Stil modernisieren und Torten, Kaffee, Sahne und Zucker servieren. Auch diese Dinge werden in Mutschelknaus "Kaffeeklatsch" kulturgeschichtlich, aber niemals trocken oder langweilig, sondern ironisch unterhaltend und in einer hervorragenden Ausdrucksweise beschrieben.

AVIVA-Tipp: Da die Geschichte des Kaffeeklatsches untrennbar mit der beginnenden Emanzipation der Frau in der Aufklärung verbunden ist, ist die Kulturgeschichte dieses Rituals zugleich die Umschreibung einer gesamten europäischen Epoche. Katja Mutschelknaus´ Buch "Kaffeeklatsch. Die Stunde der Frauen" ist sowohl sachlich klug, als auch unterhaltend, wie der Kaffeeklatsch selbst und somit ein schönes Mitbringsel zu eben jenem - denn wer bekommt bei dieser Lektüre nicht auch Lust, die Telefonnummern einiger Freundinnen herauszusuchen und zu einem geselligen Treffen bei Kaffee und Kuchen einzuladen?

Zur Autorin: Katja Mutschelknaus ist Gourmet-Journalistin und freie Autorin und lebt in München. Ihr Spezialgebiet ist die Kulturgeschichte des Essens und Trinkens. Sie studierte Volkskunde, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Germanistik und Kulturpsychologie in München und Los Angeles und konzipierte Ausstellungen zur Geschichte der Kulinarik für verschiedene Museen und Institutionen (u.a. "Kaffeeklatsch", Württembergisches Landesmuseum). Sie schreibt Beiträge für Cotta´s Kulinarischen Almanach und Restaurantkritiken. (Quelle: Verlagsinformation)

Kaffeeklatsch. Die Stunde der Frauen
Katja Mutschelknaus

Elisabeth Sandmann Verlag, erschienen im März 2008
Gebunden mit Schutzumschlag, 144 Seiten, ca. 150 Abbildungen
ISBN 978-3-938045-28-2
19,95 Euro


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Beitrag vom 17.03.2008

Kristina Tencic