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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 14.09.2003


Milena Moser: Sofa, Yoga, Mord.
Ilka Fleischer

Eigentlich wollte Lily´s Mutter aus ihr immer eine Heldin machen. Lily spielt aber lieber Couchpotato - bis zwei ihrer Mit-Schülerinnen die sog. Totenstellung im Yoga-Unterricht wörtlich nehmen...




Milena Moser hatte einen ungewöhnlich schweren Stand. Eigentlich fast unmöglich, vor meinen Augen Gnade zu finden, nachdem ich erst ein paar Stunden zuvor ein älteres Werk Fred Vargas´ aus den Händen gelegt hatte: "Die schöne Diva von Saint Jaques". Tiefgründig. Exzentrisch. Brillant. Keine gute Idee also, ein neues Buch anzufangen, ohne sich vom alten Stoff gelöst zu haben.
Dennoch wurde ich von "Sofa, Yoga, Mord" fast in den klassischen Page-Turner-Rhythmus getrieben. Auch wenn der kriminalistische Plot nicht gerade vor Tempo und Action strotzt, wird die Leserin dennoch gefangen genommen - und zwar von der Kulisse: dem dynamischen Beziehungsgeflecht einer Hausgemeinschaft, den facettenreichen Einblicken in die Welt des Yoga und einer bewegenden Familiengeschichte zwischen Zürich und San Francisco.

Als ihr Vater, den sie nie wirklich kennen gelernt hat, auf einmal mit einer Urne in ihrem lethargischen Leben auftaucht, glaubt Lily nicht an einen gewöhnlichen Tod. Dafür war ihre Mutter Ruth zu energisch - einfach zu stark für ein durchschnittliches Ableben. Die Nachricht ist alles andere als verdaut, als Polizei-Sirenen schrillen und einen weiteren Todesfall ankündigen: Im Yoga-Studio "Yama Yoga" ist die Vorzeige-Yogini Mandalee in der sog. Totenstellung dem Herzstillstand erlegen - nur wenige Stockwerke über dem Café, in dem Vater und Tochter gerade nach Worten ringen.

Lily, die sich diesen Sommer mit Southern Comfort und 179 TV-Sendern eingerichtet hat, sträubt sich zunächst, die Hintergründe ihrer ungewöhnlichen Kindheit zu erfahren. Zu sehr hat sie unter den ehrgeizigen Plänen ihrer Mutter gelitten, die aus ihr eine Modesty Blaise, eine Super-Woman, machen wollte. Um später die Welt retten zu können, musste sie damals in der Schweiz mehrere Kampfsportarten lernen und sich alle "Mädchen-Allüren" abtrainieren:

"Dann kam der 11. September 2001, und Lily war sozusagen am Tatort gewesen, zumindest in Amerika, wenn auch auf der anderen Seite des Kontinents. Und sie hatte nichts getan. So ein Flugzeug abzufangen, das wäre was gewesen. [...] Aber nichts, nichts, nichts hatte Lily getan. Da hatte ihre Mutter sie aufgegeben."

Während Lily sich allmählich auf ihren Vater Georg und ihre gemeinsame Geschichte einlässt, siecht eine zweite Yogini dahin, erneut an einem Herzstillstand und wieder unter den Augen von Kath, der Leiterin des "Yama Yoga". Als Kath immer stärker unter Beschuss gerät, versucht ihr Ex-Mann und Privat-Detektiv Doug, die Verdächtigungen zu entschärfen - Seite an Seite mit Lily, die sich allerdings mehr als die Rettung ihrer Yoga-Lehrerin verspricht...

Nach ihrem ersten und inzwischen verfilmten Bestseller "Die Putzfraueninsel" (1991) emigrierte die 1963 in Zürich geborene Milena Moser mit ihrer Familie nach San Francisco. Mit "Sofa, Yoga, Mord" setzt sie nicht nur ihre schriftstellerische Erfolgsserie - u.a. "Das Schlampenbuch", "Blondinenträume", "Artischockenherz" und "Bananenfüße" - fort. Vielmehr zeichnet sie hierbei ein komplexes Bild der kulturellen Wertmaßstäbe und Gepflogenheiten ihrer neuen Heimat und der zahlreichen Alltags-Schwierigkeiten mit der eigenen Verortung.

Auch auf anderer Ebene steht die eigene Positionierung im Focus der Autorin: Fast schon masochistisch mutet das Aufbegehren Ihrer Hauptprotagonistin Lily gegen die pseudo-feministischen Ambitionen ihrer Mutter an. Noch Jahrzehnte nach der mütterlichen Tyrannei sträubt sich die Tochter, ihre "Gegen-Inszenierung" aufzugeben und träumt von rosafarbenen Barbi-Puppen und starken Traumprinzen, die ihr alle Last von den Schultern nehmen.

Neben der soliden Kriminalgeschichte stehen in "Sofa, Yoga, Mord" somit Identitäts-Krisen und -Prüfungen im Zentrum, die mitunter an die Substanz gehen. Nichts für zarte Barbis also. Aber schon gar nichts für die Freundin tougher Crime-Ladies.

Die AVIVA-Berlin-Empfehlung:
Ein klassischer Fall für die Verehrerin der Anti-Heldin.





Sofa, Yoga, Mord.
von Milena Moser

Gebundene Ausgabe - 250 Seiten - Blessing
Erscheinungsdatum: September 2003
ISBN: 3896672169
Preis: EUR 20,00200861809775" .




PAPERBACK-NEWS
Die Wohnsiedlung, in der Natalie, Elma, Frau Meierhans und Lotti leben, ist schon etwas heruntergekommen und ihre Bewohner sind es auch. Es sind zumeist Frauen, alleinerziehend, allein gelassen, mit häufig leerem Portemonnaie und längst vergessenen Träumen. Mit bitterbösem Humor beschreibt die Schweizer Autorin Milena Moser die buntzusammengewürfelte Siedlungsgemeinschaft, die völlig aus dem Häuschen gerät, als dort ein alleinstehender Mann mit zwei Kindern einzieht.



Blondinenträume
von Milena Moser

Broschiert - 272 Seiten - Rowohlt Tb.
Erscheinungsdatum: Januar 2004
ISBN: 3499236087
Preis: EUR 8,90200967422575" .





Literatur

Beitrag vom 14.09.2003

AVIVA-Redaktion