medica mondiale: Sexualisierte Kriegsgewalt und ihre Folgen - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Literatur



AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 01.06.2004


medica mondiale: Sexualisierte Kriegsgewalt und ihre Folgen
Renée Parlar

Mit dem Handbuch zur Unterstützung traumatisierter Frauen in verschiedenen Arbeitsfeldern steht ein fachübergreifender Überblick für die Beratung & Unterstützung traumatisierter Frauen zur Verfügung.




Sexualisierte Kriegsgewalt stellt eine schwere Menschenrechtsverletzung dar, und die massenhaften Vergewaltigungen im Bosnienkrieg lösten Anfang der 90-er Jahre Entsetzen aus. Heute verhindert dies nicht, dass im Rahmen der deutschen Abschiebepraxis geflüchtete traumatisierte Frauen gegen ihren Willen dorthin zurückkehren müssen, wo sie Opfer sexualisierter Kriegsgewalt geworden sind.

Ziel des von medica mondiale herausgegebenen Handbuches ist es, die Diskussion über die gesellschaftliche Verantwortung für die Unterstützung traumatisierter Frauen erneut anzustoßen. Es zeigt auf, dass Vergewaltigungen von Frauen in kriegerischen Auseinandersetzungen oft geduldete oder gezielte Strategie sind. Nach Ende der Kriegshandlungen und -propaganda verschwinden die begangenen Verbrechen schnell aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit. Die Frauen bleiben mit den Folgen der vielfach traumatischen Erlebnisse alleine und sind je nach kulturellem Hintergrund von gesellschaftlicher Ausgrenzung bedroht.

Das Handbuch richtet sich an Interessierte und an diejenigen, die traumatisierten Frauen im beruflichen Alltag begegnen. Das Buch soll dafür sensibilisieren, dass Frauen aus Krisen- und Kriegsgebieten möglicherweise unter den Folgen traumatischer Erfahrungen leiden. Diese Sensibilität fehlt oft im medizinischen Bereich und in Behörden. Hintergründe, die für die Situation betroffener Frauen relevant sein können, werden erläutert und Handlungsoptionen eröffnet.

Der Aufbau im Überblick: Zunächst wird die Geschichte sexualisierter Kriegsgewalt dargestellt. Der anschließende fundierte Einblick in die Ursachen und Folgen eines Traumas sexualisierter Kriegsgewalt gründet sich vorwiegend auf das gebündelte Wissen zehnjähriger Erfahrungen von medica mondiale. Diese Arbeit und die ihr zugrunde liegenden Qualitätskriterien werden im zweiten Teil vorgestellt. Das folgende Kapitel vermittelt Grundlagen für alle Berufsgruppen, die mit Überlebenden sexualisierter Kriegsgewalt zu tun haben. Anschließend werden die aufgrund einer Fluchtsituation erschwerten aufenthaltsrechtlichen Bedingungen aufgezeigt, die die Chancen für eine erfolgreiche Traumabewältigung erheblich vermindern. Weitere Themenkomplexe sind die traumasensible Behandlung im medizinischen Bereich und Erfordernisse für die psychotherapeutische Behandlung. Das letzte Kapitel befasst sich mit dem Umgang sexualisierter Kriegsgewalt vor internationalen Gerichten. Der Serviceteil enthält eine Liste der psychosozialen und therapeutischen Einrichtungen für Flüchtlinge in Deutschland und eine Länderkarte von Kriegs- und Krisengebieten, für die sexualisierte Gewalt dokumentiert wurde.

Auch der über den Krieg hinausgehende Zusammenhang von sexualisierter Kriegsgewalt, Zwangsprostitution und Frauenhandel wird thematisiert. Nach Kriegsende werden Zwangsprostitution und Frauenhandel als lukrative Geschäfte weitergeführt. Im Schatten von Einsätzen internationaler Blauhelme und Hilfsorganisationen gedeihen Zwangsprostitution und Frauenhandel. Hier wird die besondere Verantwortung der UNO und der Entsenderstaaten eingefordert. Ein Thema bei dem sich das Bundesdeutsche Verteidigungsministerium bisher bedeckt hält.

Die Organisation medica mondiale (www.medicamondiale.org) engagiert sich seit 1993 im ehemaligen Jugoslawien und gründete im bosnischen Zenica das erste Zentrum zur Unterstützung von sexualisierter Gewalt betroffner Frauen. Außerhalb von Bosnien arbeitet medica mondiale inzwischen im Kosovo, in Albanien und Afghanistan. Die von medica mondiale verfolgte Doppelstrategie ist zum einen die Unterstützung von Frauen und zum anderen die Lobbyarbeit, um diese Form der Menschenrechtsverletzungen öffentlich zu machen. Diesbezügliche Tabus sollen aufgebrochen werden, um einerseits die Rahmenbedingungen für die Frauen zu verbessern und andererseits die Strafverfolgung der Täter zu erleichtern.

Aviva-Tip: Das Handbuch macht die bisherigen Erfahrungen zu den Folgen sexualisierter Kriegsgewalt zugänglich und vermittelt Kenntnisse für eine parteiliche und ressourcenorientierte Unterstützung traumatisierter Frauen. Die Beiträge sind gut einzeln lesbar.





Sexualisierte Kriegsgewalt und ihre Folgen
Handbuch zur Unterstützung traumatisierter Frauen in verschiedenen Arbeitsfeldern
Hrsg. medica mondiale e.V.

Erschienen im Mabuse-Verlag
440 Seiten
IBSN: 3-935964-48-X
29,80 E200403162875" .





Literatur

Beitrag vom 01.06.2004

AVIVA-Redaktion