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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 08.08.2005


Weiterbildungsszene Deutschland 2005: Keine Weiterbildung - kein Wachstum?
Ilka Fleischer

Die Wirtschaftsflaute hat die Weiterbildungslandschaft nicht verschont. Kein Wachstum - keine Weiterbildung. Eine neue Trendstudie betont nun die Wechselbeziehung von Wachstum und Qualifizierung.




Nicht nur Herr Eichel mahnt seit Jahren zum Sparen. Auch nach einem Regierungswechsel wird weiter gespart. Angesichts der wuchernden Staatsschulden, die pro Bundesbürger/in inzwischen bei über 17.000 Euro liegen, müssen alle den legendären "Gürtel" enger schnallen. Nicht zuletzt bei der Bildung sieht das Volk der Dichter- und Denkerinnen kargen Zeiten entgegen: So will die Union - laut "Focus" - im Rahmen der Einschränkung der Arbeitslosenförderung die Zahl der Bewilligungen beruflicher Weiterbildung halbieren.

Obwohl der technische und demografische Wandel einen wachsenden Fortbildungsbedarf mit sich bringt, wird die Sparpolitik fortgesetzt. Seit Beginn der Hartz-Reformen Anfang 2002 wurde die Weiterbildungsförderung durch die Bundesagentur für Arbeit bereits mehr als halbiert: Nach 6,7 (2002) und 5,2 (2003) wurden im vergangenen Jahr nur noch rund 3 Milliarden Euro für Qualifizierungsmaßnahmen zur Verfügung gestellt.

Gleichzeitig haben auch Unternehmen ihre Weiterbildungsbudgets gekürzt, und angesichts der Wirtschaftsflaute schrauben Angestellte ihre Fortbildungsansprüche "von selbst" mehr und mehr `runter. Nach einer Untersuchung im Auftrag des Bundesinstituts für Berufsbildung liegen die Chancen der ArbeitnehmerInnen in Deutschland, an einer betrieblichen Weiterbildung teilzunehmen, mit 36% unter den Werten fast aller Mitgliedsstaaten der EU. Deutschland rangiert mit einer Weiterbildungsbeteiligungsquote von 5,9% unter den EU-Staaten auf einem der letzten Rangplätze.

Nachdem der Fortbildungsmarkt nun schon seit Jahren durch Wirtschaftsflaute und Förderungsabbau zurechtgestutzt wird, zeichnen sich auch für die Träger und ihre Beschäftigten weitreichende Konsequenzen ab: Die "Marktstichprobe 2005" des Beratungsunternehmens Lünendonk ergab für das vergangene Jahr Einbußen von 42 Millionen Euro für die Weiterbildungsbranche. Nach Angaben der Süddeutschen Zeitung sollen bereits 30.000 feste Stellen und eine nicht zu beziffernde Zahl freier DozentInnen verloren sein - nur jede/r zweite FortbildungsanbieterIn werde überleben.

Vor dem Hintergrund dieser eher düsteren Faktenlage macht die jüngst im Fachverlag managerSeminar erschienene Trendstudie "Weiterbildungsszene Deutschland 2005" Fortbildungsträgern, TrainerInnen und PersonalentwicklerInnen Hoffnung. Mit seinem Postulat "Keine Weiterbildung - kein Wachstum" kontert Jürgen Graf, seit 1990 Redakteur für den Verlag managerSeminare, die geläufigere These "Kein Wachstum - keine Weiterbildung". Der Autor empfiehlt, dem sparsamen Zeitgeist mit einem unternehmerischen Denken zu begegnen, dass sich "gerade nicht in blindem Zahlenfetischismus verliert".

Mit umfangreichem wie differenziertem Datenmaterial, das auf aktuellen Marktdaten sowie auf Einschätzungen von SeminaranbieterInnen und PersonalentwicklerInnen basiert, evaluiert Graf Weiterbildungsverhalten und -stimmungen in Deutschland. Durch eine genaue Aufschlüsselung der Daten "vom Einzeltrainer bis zur Großakademie - vom KMU bis zum Großkonzern" bietet die Trendstudie Branchen-InsiderInnen, die diese Publikation für die Profilierung und Weiterentwicklung ihres eigenen Unternehmens zu Rate ziehen, adäquate Orientierungswerte.

Einem "Vergleich zwischen Angebot und Nachfrage" im vierten und letzten Kapitel der Studie, in dem die Einschätzungen von SeminaranbieterInnen und Unternehmen zum gegenwärtigen und zukünftigen Bildungsbedarf verglichen werden, gehen drei Teil-Analysen voran:
I. Trendanalyse Weiterbildungsthemen
II. Trendanalyse Seminaranbieter
III. Trendanalyse Weiterbildung in Unternehmen

Im ersten Kapitel ist die Angebotsentwicklung von 20 verschiedenen Themenbereichen der beruflichen und betrieblichen Weiterbildung im Blickpunkt. Die Grundlage bilden dabei die im Weiterbildungsmagazin managerSeminare von März 2000 bis Dezember 2004 veröffentlichten Seminartermine. Neben den Resultaten zur Themenbefragung von 430 SeminaranbieterInnen werden im zweiten Part außerdem Ergebnisse zu Struktur und Entwicklung des Fortbildungsmarktes sowie zur Organisation von Qualifizierungsaktivitäten vorgestellt. Im dritten Teil stehen die Befunde der Befragung von 107 Personalverantwortlichen zur Themenbefragung sowie zu Weiterbildungsverhalten und -organisation im Mittelpunkt. Im vierten Kapitel werden schließlich die jeweiligen Einschätzungen von WeiterbildungsanbieterInnen und Personalverantwortlichen zur aktuellen und künftigen Themenrelevanz gegenübergestellt und aufschlussreiche Diskrepanzen in der Bedarfswahrnehmung herausgearbeitet.

"Weiterbildungsszene Deutschland 2005" bestätigt insgesamt die Flaute in der Fortbildungsbranche: "43 Prozent der Bildungsanbieter verzeichnen im Jahr 2003 einen Rückgang ihrer Aufträge. [...] 37 Prozent der Trainer und Bildungsanbieter verzeichneten in 2003 weiter sinkende Honorarsätze." Allerdings legt der Autor nahe, dass Unternehmen und BildungsanbieterInnen, die ihre "Hausaufgaben" machten, der Weiterbildung auch in schwierigen Zeiten Kontinuität und Gewicht verleihen könnten. Inwieweit die Erledigung der Hausaufgaben in der Fortbildungsbranche zum Wirtschaftswachstum beitragen kann, wird allerdings nicht weiter ausgeführt.

Nichtsdestotrotz bietet die Trendstudie hilfreiche Ansatzpunkte, um das Weiterbildungsangebot optimal auf die Nachfrage abzustimmen und somit bedarfsgerechte Qualifizierungsmöglichkeiten auszubauen. Ob dadurch die These
"Viel Weiterbildung - viel Wachstum" Bestätigung findet, sei dahingestellt.





Graf, Jürgen
Weiterbildungsszene Deutschland 2005

Studie über den deutschen Weiterbildungsmarkt. Bildungsbedarf, Auftragslage, Kooperationen, Trainerhonorare
Erschienen Juli 2005
managerSeminare Verl.GmbH
ISBN/EAN 3-936075-32-8
99,90 EURO200772083175" .





Literatur

Beitrag vom 08.08.2005

AVIVA-Redaktion