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AVIVA-BERLIN.de im März 2024 - Beitrag vom 07.05.2012


Tendai Huchu - Der Friseur von Harare
Clarissa Lempp

Der simbabwische Autor fängt in seinem Roman die vielfältigen Gesichter der simbabwischen Hauptstadt ein und öffnet gleichzeitig ein großes Tabuthema im Land des homophoben Dauerpräsidenten Mugabe




Vimbai ist der Star im angesagtesten Friseursalon Harares, wo sich selbst die Ministerin persönlich von ihr die Haare machen lässt. Mit ihrer kleinen Tochter lebt Vimbai in Eastlea, einem Mittelklasse-Vorort und eine Hausangestellte ist auch bezahlt. Dass sie so leben würde, hätte sich Vimbai nicht erträumt. Aber das Leben meint es gut mit der alleinerziehenden Mutter und gläubigen Christin. Bis Dumi auftaucht. Der junge Mann bewirbt sich im Salon und obwohl es eher untypisch ist, dass Männer in Harare Frauenhaare schneiden, überzeugt er die Chefin und die Kundinnen. Dumi bringt Vimbais Leben durcheinander. Dennoch entwickelt sich eine Freundschaft und Dumi zieht schließlich bei Vimbai ein. Als er sie und ihre Tochter in seine wohlhabende Familie einführt, von der sie herzlich aufgenommen wird, verliebt sie sich in ihn. Aber Dumi bleibt distanziert und verschwindet auch weiter zu seinen mysteriösen Treffen. Als Vimbai sein Zimmer in einem Anfall von Eifersucht durchsucht, macht sie eine Entdeckung und fällt eine fatale Entscheidung.

Die junge Friseurin Vimbai ist die Stimme des Romans. Temporeich, spitz und mit viel Wortwitz analysiert und kommentiert Vimbai das Geschehen im Salon, führt durch das Leben in der Stadt und erzählt ihre Geschichte. Vom Salon in den Avenues, die nur einen Katzensprung vom Stadtzentrum und dem botanischen Garten entfernt liegen, führt Vimbai in die Vororte mit ihren Kirchengemeinden, in die Villenviertel in den Hügeln, in den Naturpark Hwedza und in das Township ihrer Kindheit. Vimbai kennt auch die Lebensgeschichten ihrer Kundinnen, das gehört schließlich zum Job. Wie die von Trina, die aus einer weißen Farmerfamilie stammt oder die der Ministerin, die Befreiungskämpferin gegen die Kolonialherrschaft war. Vimbai erzählt von den Menschen und dem was ihr im Leben begegnet, und erzählt so nebenbei auch von der Geschichte und politische Lage Simbabwes. Vom Rattern der Inflationsmühle, den chaotischen Landreformen und den Stadtbaumaßnahmen, bei denen Hunderttausende obdachlos wurden. Scharf, ehrlich und doch oft auch furchtbar unsympathisch, weil für westliche Verständnisse nicht immer politisch korrekt, erzählt sie auch davon was passierte, als sie herausfand und öffentlich machte, dass Dumi homosexuell ist.

Seit 1987 ist Robert Mugabe, Mitglied der Unabhängigkeitsbewegung von 1980, Dauerpräsident. Seit den 1990ern wurden ein massiver Demokratie- und Transparenz-Abbau und eine Verschlechterung der Menschenrechtslage in Simbabwe beobachtet. Mugabe äußerte sich nicht nur mehrfach feindselig gegen Homosexuelle, sondern erließ auch 2006 ein Gesetz gegen "sexuelle Abnormitäten", wozu zum Beispiel sexuelle Handlungen oder Händchenhalten unter Frauen oder Männern zählen.

Zum Autor: Tendai Huchu, geboren 1982 in Bindura, Simbabwe, studierte und jobbte in Harare. Heute lebt er als Podologe in Edinburgh, Schottland.

AVIVA-Tipp: Tendai Huchu erschafft mit Vimbai eine sehr temperamentvolle und auch zwiespältige Erzählerin, die aber durch Charme, Wortwitz und Aufrichtigkeit besticht. Der Rhythmus ihres Monologs, hier und da mit Worten der Landessprache Shona versehen, versetzt die LeserInnen sofort in die Atmosphäre der belebten Straßen Harares und des umtriebigen Friseursalons. Ein Buch, das sich wegen seiner Sprache gerne liest und das trotz aller Unterhaltung ein erschreckend scharfes Bild der sozialen und politischen Realität in Simbabwe wiedergibt.

Tendai Huchu
Der Friseur von Harare

Aus dem Englischen von Jutta Himmelreich
Peter Hammer Verlag, erschienen 2012
Gebunden, 280 Seiten
ISBN-10: 3779503581
ISBN-13: 9783779503583
19,90 Euro



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Beitrag vom 07.05.2012

Clarissa Lempp