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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 17.06.2013


Mach Witze. Der Jüdische Humor als Quelle der Toleranz - Elisabeth Jupiter
Madeleine Jeschke

Die Wiener Psychotherapeutin versammelt in ihrem Buch nicht nur Witze, sie kommentiert und ergänzt diese mit persönlichen Erfahrungen und Anekdoten, aber auch der Psychologie des jüdischen Humors...




... geht sie auf den Grund, indem sie ihn auf seine psychologischen Funktionen und Bedeutungen analysiert.


Elisabeth Jupiter vertritt die These, dass "man Menschen am Lachen und vor allem daran, worüber sie lachen, schneller und besser analysieren kann, als in psychologischen Tests." Die österreichisch-jüdische Psychologin und Therapeutin wendet Humor auch in ihren Sitzungen an, da "humorvolle Interventionen" PatientInnen helfen können, Therapien besser anzunehmen. Ihre Erklärungen und Deutungen zum Thema jüdischer Humor entstammen somit ihrer therapeutischen Tätigkeit, wobei sie sich in diesem Zusammenhang auch immer wieder auf Sigmund Freudbezieht, für den der Witz nach dem Traum der "zweite Königsweg zum Unterbewusstsein" war.

Der Patient erzählt seinem Analytiker, was er letzte Nacht geträumt hat: "Ich sah meine Mutter, aber sie hatte nicht ihr eigenes Gesicht, sondern das Ihre. Ich konnte dann nicht mehr einschlafen, stand auf, trank eine Cola und lief zu Ihnen, um Ihre Deutung zu hören."
Darauf der Analytiker "Cola, soll das ein Frühstück sein?"


In ihrem Vorwort schreibt Jupiter:"Der jüdische Witz ist voll von Weisheit, Psychologie des Alltags, Menschenkenntnis und Menschenliebe" All diese Eigenschaften vereint sie in den acht Kapiteln des Buches, die sich mit dem "Jüdischen Leben und Sterben", "Der Religiosität", "Der ehelichen Treue", aber auch mit Vorurteilen beschäftigen. Für sie persönlich hat der jüdische Humor, "der selbstkritisch alle Schwächen sowie Stärken des Jüdischen Volkes auf die Schaufel nimmt", einen großen Anteil an ihrer eigenen Identität und wird von ihr als wichtige soziale Kompetenz betrachtet.

Die von ihr ausgewählten Witze spielen zum Teil in dieser typisch selbstironischen Weise mit Klischees und Vorurteilen, den eigenen und denen der anderen, indem sie diese ins Lächerliche ziehen und so deren Absurdität vor Augen führen. Der Autorin zufolge führt die Fähigkeit über sich selbst lachen zu können dazu, "seine eigene Verletzlichkeit und Schwächen zu akzeptieren und den unrealistischen Wunsch nach Perfektion fallen lassen." Ein Beispiel für Selbstironie stellt der folgender Ausspruch von Woody Allen dar:

Ich möchte niemals einem Club angehören, der Leute wie mich aufnimmt

Zusätzlich zu ihren Erkenntnissen aus der Psychologie führt die Autorin persönliche Anekdoten an und bindet Zitate von Albert Einstein, Umberto Eco, Jean Paul, oder Salcia Landmann zum Thema Lachen und jüdischem Humor ein. Aber sie erzählt auch vom Antisemitismus und Rassismus im heutigen Österreich oder von ihren Eltern, die das Konzentrationslager überlebt haben, und dennoch nie ihren Humor verloren haben - jedenfalls fast nie.

Lachen bringt eine kathartische Befreiung mit sich

Oft entsteht der jüdische Witz nach Ansicht der Psychotherapeutin aus der Situation der Verfolgung, und Humor werde als Ventil genutzt um Ängste zu mindern und emotionalen Abstand zu gewinnen. Hier zeigt sich die "entlastende Funktion des Humors". Witze helfen dabei, sich von den Stress verursachenden Situationen zu distanzieren und neue Perspektiven zu erschließen. Laut Jupiter kann das Durchbrechen "rigider Denkmuster" eine Kreativität frei setzen, "die zu originellen Lösungen führt."
Ihr Fazit: "Im analytischen Sinn haben es die Juden durch ihre Witze geschafft, sich selbst und ihren Neurosen gegenüber Toleranz zu zeigen und ermöglichen damit sich selbst und dem Fremden das befreiende Lachen."

Neben Witzen befinden sich auch einige Flüche im Buch, wie"Hundert Jahre sollst du werden, aber sofort! oder Du sollst tausend Flöhe haben und keine Hand zum Kratzen!" Diese wurden besonders gern von Jupiters Mutter ausgerufen "deren Bösartigkeit natürlich ironisch gebrochen ist."
Am Ende des Buches werden in einem kurzen Glossar hebräische und jiddische Begriffe wie Goj, Schmattes oder Waih erklärt, die für das Verständnis mancher Witze hilfreich sind.

AVIVA-Tipp: Leben, lachen und die Liebe. "Aus den jüdischen Witzen kann man über dieses Trio oft mehr lernen als aus einer ganzen Bibliothek", schreibt die Autorin. In der Tat, in ihrem leichten unterhaltsam geschriebenen Büchlein lässt sich, durch die psychologische Analyse jüdischer Witze und den persönlichen Anekdoten, auch einiges über die Funktionen von Humor erfahren - vor allem, sich selbst nicht allzu ernst zu nehmen.

Zur Autorin: Dr. Elisabeth Jupiter wurde 1949 in Wien geboren, studierte Psychologie an der Universität Wien und promovierte 1987. Heute arbeitet sie als Psychotherapeutin, Systemische Familientherapeutin, Psychologin und Supervisorin in freier Praxis und hält Vorträge und Seminare zum Thema Humor in der Psychotherapie, in der Wirtschaft und in der psychosozialen Arbeit. Seit 2006: Psychotherapien und Praktika mit StudentInnen an der Ambulanz der Sigmund-Freud-Privatuniversität in Wien sowie Persönlichkeitsentwicklung für StudentInnen. Sie veröffentlichte u.a. zwei Kinderbücher im Picus Verlag (1995, 1996), 2010 erschien "No, warum nicht? Der jüdische Witz als Quelle der Lebenskunst" und 2012 der Erzählband "Die Angst vor Jakob".
Mehr Informationen unter: www.besthelp.at
(Quelle: Picus Verlag, Homepage Elisabeth Jupiter)

Elisabeth Jupiter
Mach Witze!
Der jüdische Humor als Quelle der Toleranz

112 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
Picus Verlag, erschienen 20. Februar 2013
ISBN 978-3-85452-696-4
16,90 Euro

E-Book (epub-Format)
ISBN 978-3-7117-5164-5
13,99 Euro
www.picus.at

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Beitrag vom 17.06.2013

AVIVA-Redaktion