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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 16.10.2014


Cornelia Schleime - Das Paradies kann warten. Storys
Christina Mohr

Cornelia Schleime ist nicht nur eine der bedeutendsten Malerinnen Deutschlands, sie ist auch eine höchst lesenswerte Autorin: Nach dem Roman "Weit fort" und dem biographisch-dokumentarischen Werk...




... "In der Liebe und der Kunst weiß ich genau, was ich nicht will" legt Schleime mit "Das Paradies kann warten" ihren ersten Erzählungsband vor.

Die Protagonistinnen in Cornelia Schleimes Storys sind skandalös pragmatisch: Die junge Frau, die in der Geschichte "Einen Sommer lang" mit ihrem zweijährigen Kind über die Sommermonate in eine Laubenkolonie zieht, geht einmal wöchentlich, während das Kind Mittagsschlaf hält, mit dem Verwalter der Kleingartenanlage ins Bett. Weil sie dann nichts bezahlen muss für ihre Sommerferien – und sie denkt an ihr Kind, das so glücklich ist im Grünen und erfüllt des Verwalters erotische Wünsche. Der Gedanke, dass die junge Frau benutzt wird, beziehungsweise sich prostituiert, kommt frau angesichts der so starken wie lakonischen Haltung der Erzählerin nicht. Das Ende dieser Geschichte lässt mehrere Deutungen zu, wie in den meisten anderen Storys, die Cornelia Schleime erzählt.

Frau mag sich autobiographische Parallelen zur unerschrockenen, entschlossenen, aber auch leidgeprüften Autorin vorstellen (Schleimes malerisches Frühwerk verschwand in den 1980er Jahren spurlos, DDR-Autoren"kollege" Sascha Anderson verriet sie an die Stasi), denn allen Frauenfiguren im Buch ist eine unerschütterlich positive Haltung zum Leben, der Liebe und der Kunst gemeinsam.

Doch ob biographisch oder nicht: Die starken Frauen der zwölf Geschichten werden bei der Lektüre zu Freundinnen (nicht unbedingt zu Vorbildern), mit denen frau gemeinsam leidet, liebt und kichert, wie zum Beispiel mit der Nonne ("Auszug aus dem Tagebuch einer Sünderin"), die dem bedauernswerten Pater Gabriel eine ganz und gar unchristliche, saftige Beichte abnimmt. Oder mit der Reisenden, die sich vom Geld, das sie nicht hat, ein mondänes weißes Kleid und eine Reise nach Griechenland gönnt – vier Liebhaber findet sie in diesem Urlaub, "das weiße Kleid hatte sie gut aussehen lassen."

Sex und Erotik sind – im wahrsten Wortsinn – die Triebfedern in Schleimes Erzählungen, Ausdruck und Bedingung der Lebenslust. Zuweilen sind die Figurinen ein wenig klischeehaft geraten (wie die pralle Dicke, die sogar beim Sex Pralinen futtert – und für ihren Liebhaber Sinnbild eines anderen, erfüllten Lebens wird), aber in der Wirkung nachhaltig beeindruckend.
Frau sollte im Leben tun, wonach ihr ist – das ist eine der Lehren, die frau aus Schleimes Storys ziehen kann, aber nicht muss. Schleimes Erzählungen zeichnen sich durch große Langmut mit der Menschheit aus, genährt durch das Wissen, dass frau auch nicht "besser" ist als der seltsame Nachbar.

AVIVA-Tipp: Cornelia Schleime schreibt wie sie malt: plastisch, erotisch, handfest. Ihre Heldinnen sind selbstironisch und erschütternd ernst zugleich, aus den "Storys" sprechen Erfahrung und unstillbare Lebenslust – ein "Frauenbuch", das nicht vergleichbar ist mit jenen, die diesen Titel sonst für sich beanspruchen.

Zur Autorin: Cornelia Schleime wurde 1953 in Ostberlin geboren. Die Malerin hatte in der DDR Ausstellungsverbot und reiste 1984 nach Westberlin aus. Zahlreiche Einzelausstellungen im In- und Ausland, der Gabriele-Münter-Preis, der Fred-Thieler-Preis sowie der Award of Excellent Painting (Peking) stehen für ihren internationalen Erfolg. Zudem filmte sie, gründete in den späten 1970er Jahren die Punkband Zwitschermaschine und hat seit ihrem Romandebüt "Weit fort" (Hoffmann & Campe, 200) auch als Schriftstellerin große Aufmerksamkeit erregt. Cornelia Schleime lebt in Berlin und im Ruppiner Land.

Cornelia Schleime im Netz:

www.cornelia-schleime.de

Cornelia Schleime
Das Paradies kann warten. Storys
Fuchs & Fuchs, 2014, 1. Auflage, erschiene August 2014
200 Seiten, Hardcover gebunden mit Schutzumschlag
Mit 30 farbigen Bildern von Cornelia Schleime
ISBN-13: 978-3-945279-02-1
www.fuchsundfuchs.berlin

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Beitrag vom 16.10.2014

Christina Mohr