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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 31.07.2015


Ursula Raberger - Israelischer Queerer Film
Sharon Adler

Die österreichisch-jüdische Journalistin und Filmwissenschaftlerin ist Mitinitiatorin des Wiener Kibbutz Klub und engagiert sich im LGBT-Filmfestival TLVFest. Nun hat sie Filme, Regisseur_innen...




... und Filmgeschichte in diesem informativ-bunten Kompendium zusammengefasst.

Die Filmwissenschaftlerin untersucht anhand der von ihr exemplarisch vorgestellten Filmbeispiele die Mittel der Film- und Bildsprache, Wechselwirkung von Kultur, Religion, Gesellschaft und Politik, und fragt in ihren Analysen, was israelisch queeres Kino ausmacht.

Neben chronologisch nach Jahreszahlen alphabetisch aufgeführten Filmen widmet sich Ursula Raberger kapitelweise einer Vielzahl von Themen zum israelischen queeren Film seit seinen Anfängen bis zur Gegenwart.

In Kapitel 2 gibt die Autorin einen guten Überblick über die Entwicklung des israelischen Films schon vor Gründung des Staates Israel 1948 und stellt diese in einen historisch bedingten Kontext. Anhand einiger ausgewählter Filme macht sie den Einfluss von Geschichte auf das Arbeiten der Filmschaffenden – Regisseur_innen und Schauspieler_innen deutlich. Kapitel 3 beschäftigt sich mit der Entwicklung der LGBT-Bewegung in Israel: u.a. geht Ursula Raberger auf die rechtlichen Bestimmungen sowie Antidiskriminierungsgesetze anhand der Themen "Das Recht auf Adoption und "In-Vitro-Befruchtung für Lesben" oder "Sex-Change und Gender-Change" ein.

Kapitel 4, "Homosexualität – vom Tabu zum Filmthema", führt sie mit dem Pionier Amos Guttman ein, der 1983 seinen ersten Spielfilm "Drifting" (hebräisch "Naguá") in die Kinos brachte, von der er bereits 1979 eine Kurzfassung gedreht hatte. Guttman, der als sozialkritischer Filmemacher gilt, machte als erster mit seinem Werk "Amazing Grace" filmisch auf das Thema Aids aufmerksam, ein Jahr, bevor er 1993 selbst erst 38 jährig an der Krankheit starb.

Ebenfalls im Jahr 1979 brachte die als erste im Land geborene Regisseurin Michal Bat-Adam ihr Debut "Moments" (hebräisch "Rega ´im") auf die Leinwand, das heimliches lesbisches Begehren zeigte. Ursula Raberger greift sich zwei weitere Regisseurinnen dieser Zeit exemplarisch heraus: Riki Shelach Nissimoff ("The Last Winter", hebräisch "HaChoref HaAcharon"), 1983, und Idit Shechori mit "Weekend Circles (hebräisch "Ma´agalim Shel Schischi Schabbat"), 1980. In ihrer Analyse macht Ursula Raberger deutlich, dass Spielfilme mit lesbischem Inhalt oder lesbischen Protagonistinnen eher die Ausnahme blieben und versucht so, im Bewusstsein um die Unterrepräsentanz von Lesben im queeren Film bis heute in ihrer eigenen Veröffentlichung ein Gleichgewicht herzustellen. Als Vertreterin der jungen Generation gilt die 1979 geborene Filme- und Theatermacherin Dana Goldberg, die Raberger anhand ihres Films "Cell" ausführlich vorstellt.

Raberger liefert trotz ihrer Kenntnisse in den Bereichen Filmwissenschaft und LGBTQ-Studies keine trockene Analyse, vielmehr ist sie durch ihre jahrelangen Arbeits- und Studienaufenthalte in Israel und ihr Engagement persönlich involviert und liefert so ein fundiertes wie authentisches Bild.

Neben Chronologie und Analyse will die Autorin mit ihrer Veröffentlichung vor allem aber auch ein Bewusstsein dafür schaffen, dass queeres Filmschaffen in Israel keine Ausnahmeerscheinung darstellt, sondern selbstverständlich und offen in der filmischen Kulturlandschaft integriert ist, obwohl queeres Leben auch in Israel nicht von allen toleriert wird. Trauriger vorläufiger Höhepunkt ist der Angriff eines Ultra-Orthodoxen bei der Jerusalem gay pride parade 2016, der sechs Menschen mit einem Messer angriff.

Das Buch enthält umfangreiches Bildmaterial, darunter viele Filmstills oder Aufnahmen vom Festival, das die Filmemacher_innen der Autorin persönlich zur Verfügung gestellt haben. Manche der hier vorgestellten Filme der letzten zehn Jahre haben im deutschsprachigen Raum einen Verleih gefunden oder wurden auf Festivals, wie das Jüdische Filmfestival Berlin & Potsdam, der Berlinale oder dem Teddy gezeigt, viele jedoch gilt es in Deutschland oder Österreich noch zu entdecken. Das im Anhang befindliche Filmregister von den 1970er Jahren bis heute gibt dazu einen guten Überblick.

AVIVA-Tipp: In jeder Zeile spürbar ist das Engagement von Ursula Raberger, wenn es darum geht, den oft klischeehaften europäischen Blick auf Israel zu korrigieren. Schön wäre es, wenn die Autorin ihr umfangreiches Kompendium auch mit einer flankierenden Website verfügbar machen könnte, die ständig um neue Filme und Protagonist_innen aktualisiert werden kann.

Zur Autorin: Ursula Raberger wurde 1981 in Linz geboren. Schon im Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Universität Wien fokussierte sie ihren Blick auf das queere Filmschaffen. Neben der Arbeit für Film und Fernsehen und als Journalistin ist sie künstlerische Leiterin von "this human world – internationales Filmfestival der Menschenrechte" und seit 2010 Mitarbeiterin des LGBT-Filmfestivals TLVFest in Tel Aviv. Seit 2013 ist Ursula Raberger Mitinitiatorin des Wiener Kibbutz Klub und arbeitet gegen das negative Bild Israels in Österreich.

Mehr Infos zu Ursula Raberger unter: twitter.com/ursularaberger und www.facebook.com/KibbutzKlub
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Mehr zum TLVFest – The Tel Aviv LGBT-Filmfestival unter: www.tlvfest.com/en und www.facebook.com/TLVFest


Ursula Raberger
Israelischer Queerer Film

Softcover, 320 Seiten, zahlr. Abbildungen
ISBN 978-3-902902-28-3
EUR 19,95
Zaglossus, Wien, erschienen 2015
www.zaglossus.eu

Weiterlesen:

"Israeli Film" by Amy Kronish und Costel Safirman
"Israeli Cinema: Identities in motion" by Miri Talmo

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Beitrag vom 31.07.2015

Sharon Adler