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AVIVA-BERLIN.de im März 2024 - Beitrag vom 16.02.2016


Rosemarie Gebauer - Jungfer im Grünen und Tausendgüldenkraut. Vom Zauber alter Pflanzennamen
Angelina Boczek

Gut ist, dass alle Pflanzen weltweit durch ihre botanischen Namen identifiziert werden können, ab 1905 wurden diese durch den schwedischen Botaniker Carl von Linné in eine moderne Nomenklatur gebracht. Verwechslungen bleiben...




... so ausgeschlossen.

Genussvoller aber ist die Beschäftigung mit den alten Pflanzennamen, die heute noch gebräuchlich sind, wie zum Beispiel "Vergißmeinnicht", "Schöllkraut", "Küchenschelle".

Woher die Namen stammen, welche pflanzenphysiologischen, religiösen, mythologischen, kulturellen Aspekte eine Rolle spielten bei der Namensgebung, davon berichtet die Diplombiologin Rosemarie Gebauer in anschaulichen Textbeiträgen, die nie mehr umfassen als zwei Buchseiten. Gestaltet wurde das Buch in dem eleganten Format 13 x 23,5 cm, mit wundervollen farbigen Zeichnungen im Stile alter Pflanzenbücher, von der Verlagsleiterin des TRANSIT-Verlages, Gudrun Fröba.

Die nach dem Alphabet geordneten Beiträge beginnen mit "Alchemilla vulgaris", dem "Frauenmantel" oder "Kleine Alchemistin", auch "Tauschüsseli" genannt. Viele von uns kennen wahrscheinlich nicht die Pflanze, wohl aber den Frauenmanteltee, der auch heute noch in der Kräuter- oder Volksmedizin bei Menstruationsbeschwerden empfohlen wird. Der Name aber stammt von dem "hübsch plissierten Blatt dieses eigenwilligen Rosengewächses. Es erinnert an einen gefalteten Umhang." Der botanische Name "Alchemilla" (die Kleine Alchimistin) deutet darauf hin, dass diese Pflanze eine ganz besondere Gabe besitzt, die für damalige AlchemistInnen höchst interessant war: Sie produziert eine Flüssigkeit, die sich in der Mitte der Blätter sammelt und wie ein "diamantartiger Tropfen" ausschaut.

Die Verfasserin Rosemarie Gebauer macht hier und da aufmerksam auf die heutige Verwendung der hier vorgestellten, zumeist einheimischen Wildpflanzen. Sie beschränkte sich aber notwendigerweise auf nur kurze Hinweise und auf eine Auswahl: "Pflanzen, welche eindeutige Namen haben, wie zum Beispiel die ´Sonnenblume´, sind hier nicht aufgeführt, wie auch Bäume und Sträucher nicht".

Auf das genaue Betrachten von Pflanzen weist die Autorin immer wieder hin, wie etwa beim Johanniskraut (Hypericum perforatum): "Wir können noch heute ´Blut´ aus einer Blütenknospe gewinnen, indem wir die Knospe mit den Nägeln von Daumen und Zeigefinger zerquetschen. Unsere Fingernägel färben sich dunkelrot. Es ist, als sei Blut ausgetreten, das Blut des Johannes!" (siehe Johannes-Evangelium).

Kurios ist die Geschichte um das "Stiefmütterchen" (Viola tricolor): "Den Namen bekam das beliebte Pflänzchen, weil in seiner Blüte, die Stiefmutter, deren eigene beiden Kinder und zwei Stiefkinder zu finden sind. Der Vater ist fast nicht zu entdecken. Richtig zu sehen ist der erst dann, wenn seine gesamte Familie ausgegangen ist. ... Was es mit der Familie auf sich hat, lässt sich entschlüsseln, wenn wir eine Blüte aufmerksam betrachten."

Dieses Geheimnis und die weiteren um Glockenblume, Hirtentäschel, Ackerwinde, Gänseblümchen, Wilde Möhre, Leberblümchen, Salomonssiegel, Huflattich und Veilchen werden im Buch gelöst. Hier und da sind Gedichte eingestreut, denn die Botanikerin Gebauer ist auch literarisch und kunsthistorisch bewandert: "Als erste in Deutschland machte sie in einem Museum Führungen zur Pflanzensymbolik Alter Meister und begeistert seit Jahrzehnten mit ihren botanisch-literarischen Veranstaltungen."

Selbstverständlich enthält der schöne Band einen "Blühkalender" und ein "Namensregister" mit den botanischen und den deutschen Namen, die vielfach, je nach Region, verschiedene Bezeichnungen erhielten (die "Jungfer im Grünen" wurde auch genannt "Gretel im Busch" und "Braut in Haaren"). Wir alle können mit dem Buch in die Natur gehen und werden, je nach Jahreszeit, viele der Pflanzen finden, identifizieren und die Herkunft des Namens - nach genauer Betrachtung! – nachvollziehen können.

AVIVA-Tipp: Wer in Berlin oder Brandenburg auf Rosemarie Gebauer treffen will, zu Führungen durch die "geschichtsträchtigen Parks und Gärten", kann erleben, wie sie "Wiesengedichte" vorträgt oder zu "Baumbetrachtungen" anregt.

Zur Autorin: Rosemarie Gebauer wuchs in einem Garten auf. Nach verschiedenen Berufen schloss sie ihr Studium an der Freien Universität Berlin als Diplombiologin ab. Es folgten Lehraufträge und Anstellung als wissenschaftliche Angestellte. Dann lenkte sie nach und nach ihren Weg dorthin, wo sie all ihre sonstigen Leidenschaften um die geliebte Botanik gruppieren konnte.
Weitere Infos zur Autorin zu ihren Botanisch-literarischen Spaziergängen, oder zu Führungen zu FrauenFlower, darunter "Pflanzen in der Frauenheilkunde" finden Sie unter: www.umweltkalender-berlin.de


Rosemarie Gebauer
Jungfer im Grünen und Tausendgüldenkraut.
Vom Zauber alter Pflanzennamen

Transit Buchverlag, Berlin, Frühjahr 2016
144 Seiten mit farbigen Illustrationen.
Gebunden.
19,80 EURO
www.transit-verlag.de


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Beitrag vom 16.02.2016

Angelina Boczek