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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 26.01.2017


Heike-Melba Fendel - Zehn Tage im Februar
Hannah Hanemann

Die Journalistin und Schriftstellerin verachtet romantische Komödien und schreibt lieber einen Anti-Liebesroman. Ihre Protagonistin sucht und findet sich nicht in der romantischen Liebe, sondern in der zum Film: an zehn Tagen im Februar, während der Berlinale, reflektiert sie über ihr Leben.




>Eine Frau wird für eine zehntägige Beziehungspause von ihrem Mann verlassen. Er wird für den Rest der Geschichte "der Mann" bleiben, auch den Namen der Frau erfährt die Leserin nicht. Dafür aber einiges über deren Leben.
Denn die zehn Tage Beziehungspause fallen zufällig auf die zehn Tage der Berlinale. Die Protagonistin nimmt das zum Anlass, die Bedeutung des Films für ihr Leben sowie ihre Beziehung zu "dem Mann" zu reflektieren. In Rückblenden erfährt die Leserin von ihren Anfängen als Filmjournalistin, ihren Reisen und Freundschaften und von ihrer seltsamen Verbindung zu der neuseeländischen Regisseurin und Oscarpreisträgerin Jane Campion, die das Leben der Protagonistin entscheidend geprägt hat.

"Der Mann" ist weg, die Berlinale kommt

In halsbrecherischem Tempo rast die Protagonistin in verschiedenen Abendgarderoben zehn Tage lang über rote Ampeln auf ihrem Fahrrad zur Berlinale, wo sie sich in den Filmvorführungen ihren Gedanken und Erinnerungen hingibt.
Dabei hofft sie Jane Campion zu begegnen, deren Karriere sie seit ihren Anfängen an verfolgt und deren Weg sie im Laufe ihres Lebens mehrfach gekreuzt hat. Die Ich-Erzählerin nimmt die Leserin mit auf eine selbstreflektive Reise in ihre Vergangenheit, zu den Menschen und Ereignissen die sie an den Punkt gebracht haben, an dem sie sich befindet. "Der Mann" geistert dabei unaufhörlich in ihrem Bewusstsein herum: als Objekt der Begierde zum einen, zum anderen aber auch als unerbittlicher Spiegel ihrer eigenen Unzulänglichkeiten. Sie ist noch nicht bereit anzuhalten, mit ihm stehen zu bleiben, und rast stattdessen von Film zu Film, übergibt sich dem Rausch der bewegten Bilder und sucht in ihnen Antworten und Erlösung von ihrer Einsamkeit.
Es ist ein Gefühl der Verlorenheit, das die Erzählerin ins Kino treibt, als wäre dort das wahre Leben zu finden, als wären die Geschichten, die sich auf der Leinwand abspulen, realer und wichtiger als das, was sich außerhalb der Kinosäle abspielt.

Leben zwischen Projektion und Fluchtimpuls

Ihr beschauliches Reihenhaus-Leben, das sie mit "dem Mann" inzwischen führt, kontrastiert mit den Beschreibungen ihres bis dato recht ruhelosen Daseins. Dass Liebe in ihrem Leben nie eine zentrale Rolle eingenommen hat, verheimlicht die Protagonistin nicht. Fendel zeichnet in ihrem Roman eine Frau, die einerseits selbstbewusst und selbständig durchs Leben geht und sich von der Notwendigkeit eines Mannes in diesem frei macht, sich andererseits in ihrer narzisstischen Kompromisslosigkeit aber auch oft selbst im Weg steht und zu wahrer emotionaler Bindung unfähig zu sein scheint. Die Liebe löst in ihr keine Geborgenheit, sondern einen Fluchtimpuls aus, der sie immer weiter von "dem Mann" entfernt und in die Anonymität der Kinosäle treibt.
Einzig die fast schon obsessive Verehrung, die die Protagonistin Jane Campion entgegenbringt, zeugt dann doch von einer Sehnsucht nach Sinn und Bedeutung und etwas Beständigem. Der Bezug zu der Regisseurin, auf die sie ihre Wünsche und Hoffnungen projiziert, zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Leben. Sie sucht deren Filme und Interviews nach Botschaften ab und fühlt sich durch ihre neueren Werke, die ihr nicht gefallen, verraten.

Fiktion und biographische Ãœberschneidung

Fendels Roman weist Parallelen zu ihrem eigenen Werdegang auf. Wie sie ist ihre Protagonistin Filmjournalistin, gründet gemeinsam mit Freundinnen eine eigene Agentur und lebt erst in Köln und dann in Berlin. Tatsächlich hat Fendel sogar Jane Campion im Rahmen eines Interviews getroffen. In diesem Interview, erschienen 2013 imTagesspiegel, sagt die Filmemacherin:
"Wir wollen Nähe und Anonymität. Wir wollen egoistisch und selbstbezogen sein und suchen doch Verbindung. Sehnsucht nach Hingabe trifft auf Angst vor Kontrollverlust."
Vielleicht hat sich Heike-Melba Fendel bei der Konzipierung ihrer Protagonistin und dem Schreiben ihres Romans von diesen Worten inspirieren lassen.

AVIVA-Tipp: Rechtzeitig zur Berlinale 2017 erscheint Heike-Melba Fendels Roman "Zehn Tage im Februar". Er ist Portrait einer rastlosen Frau auf der Suche nach sich selbst und Hommage an die verführerische Macht des Films in einem.

Zur Autorin: Heike-Melba Fendel wurde am 12. Juli 1961 in Köln geboren. Nach dem Studium der Germanistik, Geschichte und politischen Wissenschaften absolviert sie ein Volontariat im Verlagsbereich. Es folgen literarische und journalistische Veröffentlichungen im Bereich Film, Fernsehen und Feminismus. Neben redaktioneller Mitarbeit u.a. bei Cosmopolitan, arbeitet sie zwei Jahre als Protokollchefin des Kölner Filmfests und als Autorin für RTL. Seit 1991 ist sie Inhaberin der Veranstaltungs- und Künstleragentur "Barbarella Entertainment". Parallel dazu schreibt sie Essays, Storys und Kritiken für diverse Publikationen und ist Kolumnistin bei Zeit Online. 2009 erschien ihr Roman "nur die – Ein Leben in 99 Geschichten". Anfang 2016 gründete sie zusammen mit anderen Frauen das Aktionsbündnis WIR MACHEN DAS, deren Vorstandsmitglied sie ist.
Heike-Melba Fendel lebt in Köln und Berlin.
www.barbarella.de
wirmachendas.jetzt

Heike-Melba Fendel
Zehn Tage im Februar

Gebunden mit ausklappbarem Vorsatz, 208 Seiten
Aufbau Verlag, Blumenbar, erschienen 2017
18,00 Euro
978-3-351-05037-5
www.aufbau-verlag.de




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Beitrag vom 26.01.2017

AVIVA-Redaktion