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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 09.04.2010


schräg gegens licht - Treffen junger Autoren 2009
Claire Horst

Schon zum 24. Mal haben sich im Jahr 2009 junge Schreibende an dem Wettbewerb der Berliner Festspiele beteiligt. Eine Anthologie stellt jetzt die Texte der PreisträgerInnen vor. 20 AutorInnen ...




... zwischen 11 und 22 Jahren sind in dem Band vertreten.

Wie bei den vorhergehenden Anthologien erstaunt auch hier wieder das ausgeprägte Sprachgefühl der teils sehr jungen AutorInnen. Im Gegensatz zu vielen älteren SchriftstellerInnen scheinen sich die jüngsten TeilnehmerInnen auch vor großer Emotionalität nicht zu fürchten. Und gerade daran lässt sich der Unterschied zwischen Kindern und Jugendlichen ablesen, die in der Anthologie vertreten sind: Je älter die AutorInnen, umso abgeklärter, fast erschreckend kühl lesen sich ihre Texte.

Enttäuschte Liebe, zerstörte Freundschaften, problematische Familienkonstellationen sind in diesem Jahr die zentralen Themen. Aus unterschiedlichen Perspektiven werden sie beleuchtet, doch gemeinsam ist fast allen Beiträgen, dass man sich in ihnen mit dem Unvermeidlichen einfach abfindet. Erstaunlich wenig Wut ist in diesen Texten zu finden, stattdessen ein Konstatieren der Tatsachen. So ist es eben, Menschen sind einsam, werden verlassen, vermitteln die AutorInnen. Wer hier noch wütend wird, ist unter 16 Jahre alt, diese Aussage hat fast allgemeine Gültigkeit für den Band.

Eine der wenigen Ausnahmen stellt Khesrau Behroz´ lyrische Prosa "Der General" dar. Der in Kabul geborene Autor lässt einen Taxifahrer ein "Prachtexemplar von einem Generalswesen" kutschieren: "Es brodelt furchtbar in seinem Körper,/ als würden noch Splitter seine Haut markieren,/ Vulkane über Ländereien eruptieren,/ und die Liebe in der Nacht das Beben orgasmusizieren, (...)" Die Welthaltigkeit dieses Textes hebt ihn von den meisten anderen ab.

Auffallend ist bei vielen der Beiträge ihr Mut zum stilistischen Experiment. Natürlich versuchen sich gerade die jüngeren AutorInnen auch im zu erwartenden Fantasy-Genre (und das gar nicht mal so schlecht), doch wagen sich einige auch an schwierigere Formen, setzen einen stream of conciousness über mehrere Seiten ein, wechseln Perspektiven, variieren ihre Geschichte gleich mehrfach. Auch mit Zeilenumbrüchen und der Absage an die Groß- und Kleinschreibung wird experimentiert. Und trotzdem: Ein bisschen zeitkritischer, ein bisschen unzufriedener mit der Welt wünschte man sich die nachwachsende SchriftstellerInnengeneration dann doch.

Aber vielleicht ist das ihrem Alter geschuldet – mit 15 oder 21 steht bei den meisten Menschen wohl die Selbstfindung im Mittelpunkt. Ein Einzelfall ist da der Text von Tong Mao, "Erste Lieder". Ihre ProtagonistInnen stammen aus Schlesien, haben Krieg und Vertreibung erlebt.

Spannend lesen sich die biografischen Angaben im Anhang. Dass knapp Zwanzigjährige bereits mehrere Veröffentlichungen und Auszeichnungen vorzuweisen haben, ist bewundernswert. Zu wünschen ist ihnen allen, dass die Teilnahme am Treffen junger Autoren für sie ein Sprungbrett bedeutet - ein Sprungbrett zu Ruhm und Ehre, oder einfach zur schriftstellerischen Auseinandersetzung mit sich und der Welt.

Der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Wettbewerb "Treffen junger Autoren" wird seit 1986 von den Berliner Festspielen durchgeführt.

AVIVA-Tipp: Der Sammelband erlaubt einen Einblick in die Gedankenwelt literarisch begabter Jugendlicher. Die Ausdruckskraft dieser jungen Menschen ist beeindruckend und macht neugierig auf kommende Veröffentlichungen.

schräg gegens licht
Anthologie des 24. Treffens Junger Autoren 2009

140 Seiten
9,90 Euro
Brandes & Apsel Verlag, erschienen 2010
ISBN 978-3-86099-623-2

Weitere Informationen unter "Treffen junger Autoren"

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Beitrag vom 09.04.2010

Claire Horst