Ursula Burkowski - Monbijou. Ein Berliner Gegenwartsmärchen - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Literatur



AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 03.05.2011


Ursula Burkowski - Monbijou. Ein Berliner Gegenwartsmärchen
Lisa Ihle

"Ist Ihnen Einsamkeit fremd? Das ist ein Gefühl von Verlassenheit, das Sie von innen her auffrisst. Man quält sich mit Fragen wie: Wer bist du? Wozu lebst du? Und konzentriert...




... sich nur auf das eigene Ich." Mit diesen Worten beschreibt der unbekannte Erzähler aus dem Off stellvertretend für die ProtagonistInnen den Zeitgeist, der die Rahmenhandlung dieses Romans bestimmt.

Es ist das Jahr 1990, Berlin feiert den Fall der Mauer und die Wiedervereinigung. In diesem Trubel treffen vier sehr unterschiedliche Menschen aufeinander.
Paul, ehemals Kindererzieher in der DDR, verlor seinen Job, weil er seine Kollegen nicht bespitzeln wollte. Seitdem lebt er als Obdachloser auf den Straßen Berlins und betäubt mit Alkohol seine Frustration und Einsamkeit. Greta ist ein 18-jähriges Mädchen aus wohlhabendem Hause, deren Mutter und Stiefvater ständig in der ehemaligen UdSSR geschäftlich unterwegs sind, selbst an ihrem 18. Geburtstag. Das kleine Mädchen Lotti zieht mit ihren Eltern von Ost- nach Westberlin und verliert dadurch all ihre FreundInnen. Sie wünscht sich nichts sehnlicher, als Kinder kennen zu lernen. Heiner, ein früherer Bekannter von Paul, und Punk, ist seit Jahren auf der Suche nach wahrer Freiheit und Anerkennung. Das einzige, was diese Vier verbindet, ist die Einsamkeit, die ihre Leben bestimmt – und immer neue Zufälle, die sie zusammen führen.

Auf der Suche nach einem sicheren Platz für die Nacht stürzt Paul in einem alten Haus beinahe zu Tode. Greta, die in der Nähe wohnt, hört seine Schreie und rettet ihn. Sie wird heute 18 Jahre alt hat und ist ganz allein. Daher lädt sie Paul, der nur zögernd annimmt, zu sich nach Hause ein. Als Paul sie später wieder verlassen will, schenkt Greta ihm ein paar Sachen ihres Stiefvaters. Darunter auch eine Jacke, in der ein Beutelchen mit Diamanten versteckt ist.

Währenddessen zieht Lotti mit ihren Eltern nach Westberlin, in die Nähe des Monbijouparks. Kurz darauf verliert ihr Vater seinen Beruf. Die Eltern wissen nicht, wie sie die Wohnung bezahlen sollen und streiten sich immer öfter. Auf der Suche nach Freunden begibt sich Lotti in den angrenzenden Park, wo sie Paul näher kennen lernt. Paul erfährt durch Zufall von den Problemen, die Lottis Eltern haben und wirft kurzerhand die Diamanten auf deren Balkon.

Was weder er noch Greta wissen, ist, dass dieser Beutel skrupellosen Kriminellen gehört, für die Gretas Stiefvater arbeitet. Um jeden Preis wollen sie die Diamanten wiederhaben – und so beginnt eine wilde Verfolgungsjagd durch Berlin , bei der Paul und Greta in Lebensgefahr geraten und auch Heiner eine entscheidende Rolle spielt.

Diese verschiedenen Episoden präsentiert der Roman in einer sehr alltäglichen Sprache, nicht zuletzt, weil die handelnden Figuren auch gleichzeitig als ErzählerInnen der Geschichte auftreten. So lernt man ihre Gedanken und Gefühle unmittelbar kennen, wodurch eine große Nähe und Verbundenheit zu den ProtagonistInnen erzeugt wird. Trotz der wechselnden Erzählperspektiven kann die Leserin der Handlung sehr gut folgen, auch dank Kapitelüberschriften, wie "Paul trifft auf Greta" oder "Wiedersehen mit Greta und Heiner".

Neben Paul, Greta, Lotti und Heiner fungiert ein nicht weiter eingeführter Erzähler als mahnende und fragende Stimme, die an das Gewissen der LeserIn appelliert, indem sie Themen wie Hunger, Kälte oder Einsamkeit zur Diskussion stellt. Diese Impulse erlauben es der Leserin, ihre persönlichen Erfahrungen in ein Verhältnis zu den Erfahrungen der Figuren zu setzen.

AVIVA-Tipp: Mit "Monbijou – Ein Berliner Gegenwartsmärchen" hat Ursula Burkowski tatsächlich ein Märchen geschrieben. Unglaubliche Zufälle, gleichsam realistisch wie phantastisch skizziert, bestimmen die Handlung dieses unterhaltsamen Romans aus der Nachwendezeit.

Zur Autorin: Ursula Burkowski lebt in Berlin-Mitte. Bekannt wurde sie durch ihren autobiografischen Heimkindbericht "Weinen in der Dunkelheit", 1992, Neuausgabe 2011, die Nachfolgebände "Draußen!" (1992) und "Es gibt kein Zurück" (1993). Ihr erster Roman "Monbijou" entstand in der Rohfassung bereits 1990 und wurde erst zwanzig Jahre später vollendet. (Verlagsinformation)

Ursula Burkowski
Monbijou

Ein Berliner Gegenwartsmärchen
Jaron Verlag, erschienen März 2011
Gebunden, 288 Seiten
ISBN: 978-3-89773-648-1
12,95 Euro


Literatur

Beitrag vom 03.05.2011

AVIVA-Redaktion