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AVIVA-BERLIN.de im März 2024 - Beitrag vom 06.04.2011


Virginia Ironside – Nein. Ich geh nicht zum Seniorentreff
Tatjana Zilg

Angst vor dem Älterwerden, diese Angst kennt vermutlich jede aus zumindest einer Lebensphase. Die britische frühere Rockjournalistin und "Woman"-Ratgeberin weiss, wie frau sie schnell wieder los …




... wird und holt all die kleinen und grossen Vorteile des natürlichen Prozesses ins Bewusstsein.

"Dritter Frühling" oder "Herbst des Lebens": Für die Zeit, die für viele Menschen mit dem Renteneintritt einhergeht, wurden schon viele Bezeichnungen kreiert. Und schon längst wurden "Ü60er" als Zielgruppe für geschickte Werbestrategien entdeckt, denn ihr Anteil an der demographischen Statistik steigt stetig an. Auch in der Einkommensstatistik im Jahrzehnt stagnierender Löhne liegen sie oben.
Doch der Gedanke ans eigene Alter ist weiterhin von einem ambivalenten Beigeschmack begleitet. Verständlich, denn das Alter ist mit vielen Veränderungen verbunden, die nach wie vor beschwerlich sein können. Zudem gilt trotz aller Marketingkampagnen das gesellschaftliche Credo, dass Jugendlichkeit solange wie möglich bewahrt werden sollte und junge Leute mehr Spaß am Leben haben als ältere.

Virginia Ironside mischt diese Themen bereits zum zweiten Mal mit schwarzhumoriger britischer Wortgewalt auf. 2007 erschien "Nein! Ich will keinen Seniorenteller", in welchem sie die fiktive Marie Sharp kurz vor ihrem 60. Geburtstag ein Tagebuch beginnen und darin schildern lässt, wie sie immer mehr Gefallen daran findet, zur älteren Generation zu gehören. Prioritäten gewichten sich anders, der Alltag kann entspannter gestaltet werden, das Loslassen von nicht erfüllten Wünschen und Zielen wird einfacher und andere Dinge rücken in den Vordergrund.

In "Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff!" nimmt Virginia Ironside ihr eigenes Leben ins Visier, nachdem sie ihren 65. Geburtstag gefeiert hat. Im amüsanten Kolumnenstil schreibt sie über all die Aspekte, die sich hieraus ergeben und argumentiert heftig, feinsinnig und messerscharf gegen die Vorurteile, die über das Älterwerden bestehen.

Dabei beherrscht sie die Kunst meisterhaft, aus vermeintlichen Nachteilen Vorteile zu machen. Liebevoll nennt sie die gesundheitlichen Beschwerden, die sich zunehmend einstellen, im ersten Kapitel "Zipperlein" und begrüßt sie als neues Gesprächsthema zwischen Freundinnen. Auch als Ausrede, ungeliebten Verpflichtungen nicht nachzukommen, sind sie gut geeignet.

In insgesamt zwanzig Kapiteln deckt Virginia Ironside viele weitere angenehme Seiten an all den Dingen auf, vor denen frau sich beim Altern eher ein wenig fürchtet. Sie schwärmt vom Singlesein im Alter, vom Freiraum, der sich daraus ergibt, und davon, wie schön es sein kann, wenn Zeit und Wohnung nur noch für eine allein da sind. Entgegen dem Ratgeberbuch-Stil verzichtet sie aber auf wohlmeinende Empfehlungen, die gängigen Klischeevorstellungen nachkommen.
Sie fordert stattdessen dazu auf, in sich hineinzuspüren, welche neuen Wünsche und Bedürfnisse bestehen, und sich zu erlauben, nicht mehr den Erwartungen anderer entsprechen zu wollen. Für sich selbst hat sie herausgefunden, dass sie kleine Reisen innerhalb von England wochenlangen, von SeniorInnen oft gebuchten Kreuzfahrten vorzieht und lieber Handarbeiten neu entdeckt als wieder an die Uni zu gehen. Dies beides mag sehr subjektiv sein, doch die Botschaft, endlich nur noch das machen zu müssen, welches einer wirklich am Herzen liegt, ist erfrischend, erlösend und erheiternd.

AVIVA-Tipp: Nieder dem Jugendwahn! Die Lektüre dieses Buches kann eine gute Aufforderung dafür sein, dem Grübeln über das Älterwerden ein Ende zu setzen und sich auf die Qualitäten einer jeden Lebensphase zu freuen. Denn die Lebenslust, der Mut und der querulante Humor, die aus den Zeilen dringen, entfalten schnell eine ansteckende Wirkung.

Zur Autorin: Virginia Ironside begann ihre berufliche Laufbahn als Journalistin und veröffentlichte im Alter von zwanzig Jahren ihr erstes Buch. In den Sechzigern schrieb sie eine Rockmusik-Kolumne für die "Daily Mail" und wechselte später als "Kummerkastentante" zur Zeitschrift "Woman". Sie arbeitete für den "Sunday Mirror" und "Today" und hat eine wöchentliche Kolumne mit Ratschlägen für alle Lebensfragen im "Independent". Virginia Ironside hat bereits mehrere Ratgeber sowie Kinderbücher verfasst. Die Autorin lebt und arbeitet in London. (Quelle: Verlagsinfo)

Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff!
Originaltitel: The Virginia Monologues

Aus dem Englischen von Gertrud Wittich
Goldmann, erschienen März 2011
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 256 Seiten
ISBN: 978-3-442-31257-3
17,99 Euro

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Beitrag vom 06.04.2011

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